Im ersten Kapitel dieses Buches werden Sie viel über sich und Ihren Körper erfahren. Was sind Faszien, wie funktionieren sie, wozu brauchen Sie sie überhaupt? Es ist fast eine kleine „Betriebsanleitung“ für Ihren Körper. Sie lernen, was verklebte Faszien auslösen können und wie Sie das vermeiden, und erhalten darüber hinaus Informationen, welche Nährstoffe die richtigen sind, um Ihr Bindegewebe aktiv zu unterstützen.
Schön, Sie sind noch da! Es scheint, als hätte Sie das Vorwort überzeugt. Ja, es lohnt sich! Es lohnt sich, einen Blick in die Betriebsanleitung bzw. in das Benutzerhandbuch Ihres Körpers zu werfen. Also machen Sie sich zunächst bereit für eine kurze Reise in Ihren Körper, genauer gesagt, in Ihre Zellen. Denn genau dort gehen wir hin: in die Zellen. Denken Sie bloß nicht, bei Ihnen gäbe es keine und somit auch kein Bindegewebe und keine Faszien – da irren Sie sich. Jeder von uns hat sie, und nicht wenige davon. Wir sehen sie zwar nicht, aber das ist vielleicht auch besser so.
Die meisten Menschen wissen gar nicht, wie toll ihr Körper ist, was er alles kann und was er leistet. Er kann so extrem viel und vor allem kann er extrem viel aushalten. Denn in der Regel fordern wir mehr von ihm, als wir ihm geben. Zum Glück hat er die Fähigkeit der Kompensation. Er kompensiert unglaublich viel und macht fast alles mit, bevor er anfängt zu streiken oder mit Wehwehchen zu reagieren.
Unser Körper – eine hochkomplexe Einheit
Warum bin ich so begeistert oder fasziniert von unserem Körper? Wir haben es in der modernen Technik noch nicht annähernd hinbekommen, den Körper und seine Funktionen nachzubauen. Selbst künstliche Gelenke können wir nicht in der Festigkeit und Haltbarkeit herstellen, wie sie in uns „verbaut“ sind bzw. wie sie uns Mutter Natur mitgebeben hat. Sollte es mal bei Ihnen soweit sein (womit wir nun ja nicht mehr zu rechnen brauchen), dass Sie ein künstliches Gelenk benötigen, dann können Sie davon ausgehen, dass es maximal 25 Jahre hält. Machen Sie sich dagegen bewusst, wie alt Ihr Körper ist und was er schon alles mitgemacht und vor allem durchgemacht hat. Und er hält immer noch!
Am liebsten vergleiche ich den Körper mit der Deutschen liebstem Kind, dem Auto. Die meisten Menschen pflegen in der Regel ihr Auto, fahren damit in die Inspektion, lassen nachschauen, ob alles in Ordnung ist, ob Öl gebraucht wird und so weiter. Ich gehe jede Wette ein: Wenn wir unseren Körper so warten würden wie unsere Autos, dann hätten wir kein Gesundheitsproblem in Deutschland.
Unser Körper ist eine hochkomplexe Einheit, die extrem gut durchdacht ist. Alles an und in ihm hat einen Sinn. Es gibt nichts, was wir einfach ohne Verluste wegnehmen könnten – irgendwie würde es uns doch fehlen, auch wenn wir den Verlust von Organen oder Gliedmaßen kompensieren können. Ursprünglich aber ist der Körper so konzipiert, dass alles daran einen Sinn und eine Aufgabe hat. Wir können allein daran, wenn wir etwa durch einen Unfall in irgendeiner Weise eingeschränkt werden, erkennen, was unser Körper in der Lage ist zu leisten. Wir bzw. unser Körper ist in kürzester Zeit in der Lage, Einschränkungen zu kompensieren und andere Wege und Möglichkeiten zu finden, um zu überleben.
Eine geniale Funktion: Anpassung. Seitdem es den Menschen gibt, gibt es Anpassung, ja eigentlich überhaupt, seit es Leben gibt. Lebewesen mussten sich im gesamten Lauf der Evolution an permanente Änderungen anpassen, das gilt auch für den modernen Menschen und die letzten 40.000 Jahre. Das, was der Mensch aber insbesondere tun musste, war sich bewegen. Er musste immer in Bewegung bleiben, da auch seine Nahrung immer in Bewegung war. Unsere Vorfahren waren im Schnitt täglich ca. 30 Kilometer zu Fuß unterwegs – und das bei jedem Wetter und jeder Witterung. Sie folgten den Jagdtieren und wechselten Weidegründe. Erst mit der sesshaften Lebensweise und dem geplanten Anbau von Nahrung änderte sich das, und wir bewegten uns weniger. Und das, was wir heute das „moderne Leben“ nennen, das, was Sie und ich leben, das ist erst ein paar Jahrzehnte alt. Machen Sie sich das bewusst, ein paar Jahrzehnte. Nicht Jahrhunderte, nicht Jahrtausende, nur ein paar Jahrzehnte!
Bewegung hält uns jung und elastisch
Warum erzähle ich Ihnen das alles? Ganz einfach, Ihr Körper ist von Natur aus für Bewegung geschaffen. Er möchte bewegt werden. Ich will Ihnen zum einen bewusst machen, was Ihr Körper kann und für Sie leistet, und zum anderen zeigen, dass es leichter ist, als Sie denken, schmerzfrei, beweglich und fit zu sein, zu werden und zu bleiben. Man muss nur in Bewegung kommen und diesen Körper, diese einzigartige Einheit, wieder seinem Ursprung zuführen, nämlich der Bewegung!
Sicher haben Sie schon festgestellt, dass Faszientraining zur Zeit in aller Munde ist. Jeder scheint es zu tun: Man rollt die Schenkel, den Rücken und sämtliches Gewebe auf Bällen und Rollen, und Wunder geschehen. Nur leider ist es mit bloßen „Rollen“ allein nicht getan. Das ist zwar ein schöner Ansatz, und die Medien machen uns glauben, dass ein bisschen auf der Rolle hin und her schon ausreicht, um die Faszien wieder zu aktivieren und zu lockern, aber dem ist nicht so. Es ist ganz nett, und Sie tun sich da nichts Schlechtes, aber es ist nicht der Weisheit letzter Schluss. Wenn man den Gesamtzusammenhang nicht versteht, dann wird das Rollen auf der Rolle nur ein kurzer Trend bleiben und weder nachhaltig noch sonst von Erfolg gekrönt sein.
Gerade das Bindegewebe und somit die Faszien sind mehr als nur Fasern und Hüllen. Man muss verstehen, welche Aufgabe sie in unserem Körper haben. Man sollte wissen, wie sich dieses Gewebe bewegt, wächst und ernährt. Man sollte verstehen, wie man es repariert und wie man es pflegt. Erst dann sollte man anfangen zu rollen oder Übungen dafür machen.
Und genau das ist mein Ziel und Plan mit Ihnen. Ich möchte, dass Sie lange Freude an Ihrem Körper haben, und das können Sie auch, wenn Sie erkennen und verstehen, wie er funktioniert. Wir machen uns keine Gedanken darüber, wie wir aufgebaut sind, nehmen alles als gegeben hin und sind besonders in jüngeren Jahren der Meinung, das bleibe immer so. Dann stellen wir fest, dass es nicht so ist, und fragen uns, woran das liegt. Die Hintergründe der meistvorkommenden Beschwerden erfahren Sie in diesem Buch, und ebenso, was Sie dagegen tun können und sollten.
Aber zuvor noch ein kleiner Ausblick in die Zukunft – ein Anreiz! Stellen Sie sich vor, Sie könnten körperlich immer jung und beweglich bleiben. Können Sie sich den Luxus vorstellen, was es heißt, mit 70 oder 80 noch die gleichen Dinge zu tun wie mit 30? Das ist möglich! Wir müssen nur akzeptieren, dass wir dafür etwas tun müssen.
Vielleicht fragen Sie sich: Wenn es doch so einfach ist, warum gibt es dann so viele Pflegefälle bei uns? Ganz einfach: Weil keiner sich für dieses Gewebe wirklich interessiert. Diejenigen, die sich gerade dafür interessieren, tun dies aus sportlichen Gründen. Den anderen, der Mehrzahl der Menschen, ist die Rolle der Faszien und des damit verbundenen Bindegewebes überhaupt nicht bewusst. Wir tun nichts dafür, wir essen nicht die richtigen Nährstoffe für dieses Gewebe und wir trinken nicht ausreichend Flüssigkeit. Aber all das würde dazu führen, dass wir fit alt werden und gesund bleiben. Haben Sie nicht auch Lust darauf?
Faszien geben unserem Körper Halt
Ich bin immer wieder fasziniert von unserem Körper, seinem Aufbau und seiner Leistungsfähigkeit. Es ist wirklich fast unvorstellbar, wozu seine Mechanik und seine Biochemie alles imstande sind. Und haben Sie gerade was gemerkt? Ich habe das Wort „fasziniert“ benutzt. Kommt Ihnen das bekannt vor? Da kommt der Wortbestandteil „faszi-“ vor. Es bedeutet „gebündelt“ oder „verbunden“. Und genau das sind Faszien: zu einem Netz verbundene Fasern.
Machen wir uns noch genauer bewusst, was Faszien sind, woraus sie bestehen und was das Besondere daran ist. Sie sind das größte Organ unseres Körpers. Punkt. Lassen Sie diese Tatsache einmal sacken. Nichts kommt in unserem Körper so großflächig vor wie Faszien. Bindegewebe und somit auch die Faszien sind Faserstrukturen, die aus „Eiweißfäden“ gewebt sind, feinmaschig gewebt. In den Zwischenräumen dieser Eiweißfäden befindet sich Flüssigkeit. Das ist auch gut so, denn die Flüssigkeit dient als Puffer und Stoßdämpfer, deshalb können sich diese Gewebe dehnen und zusammenziehen. Faszien sind nichts anderes als ein Geflecht aus Fasern, die aus Eiweiß bestehen, genauer aus sogenanntem Kollagen, bestimmten Eiweißstrukturen (Genaueres ab Seite 16).
Eiweiß ist die Bausubstanz unseres Körpers, und ohne diesen Baustoff geht gar nichts. Ob Sie es glauben oder nicht, Eiweiß leistet für Sie viel mehr, als Sie bisher vermuten und erahnen – auch für Ihr Bindegewebe, denn wie wir ja nun wissen, besteht es...