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Das Buch der Bücher

Die Bibel - Eine Einführung

AutorChristoph Dohmen, Thomas Hieke
VerlagVerlag Friedrich Pustet
Erscheinungsjahr2019
Seitenanzahl216 Seiten
ISBN9783791761688
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis12,99 EUR
Der größte 'Bestseller' der Weltliteratur droht zum Buch ohne Leser zu werden, weil Menschen des 21. Jahrhunderts der Zugang dazu fehlt. Diese Einführung in das Alte und Neue Testament gibt einen Schlüssel und Wegweiser zur Orientierung in der Bibel an die Hand. Grundfragen des Werdens und Wachsens werden ebenso behandelt wie Fragen zum Verstehen der Texte. Ein nacherzählender Überblick zu allen Büchern der Bibel - mit Hinweis auf zentrale Textpassagen - lädt zum Lesen der Heiligen Schrift ein. Die grundlegende Neubearbeitung des Bestsellers bezieht sich auf die Texte der neuen Einheitsübersetzung.

Christoph Dohmen, Dr. theol., geb. 1957, ist Professor für Exegese und Hermeneutik des Alten Testaments an der Universität Regensburg. Thomas Hieke, Dr. theol., geb. 1968, ist Professor für Altes Testament an der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz.

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Leseprobe

2Das Verstehen der christlichen Bibel Alten und Neuen Testaments


2.1Der Ursprung der zweieinen Bibel im Christentum


Sehr früh schon haben die Christen damit begonnen, ihre Christusverkündigung nicht nur mündlich weiterzugeben, sondern auch schriftlich zu fixieren. Gleichwohl geschah dies nicht in der Weise, dass die frühen Christen diese Verkündigung als „Heilige Schrift“ konzipiert hätten, sondern diese Verkündigung ging von der anerkannten einzigen Heiligen Schrift, der Bibel Israels, aus, wie es in der Kurzform des angesprochenen Grundbekenntnisses „Jesus (ist der) Christus“ deutlich wird.

Eine Bibel für Juden und Christen?

Fragt man nun danach, wann, wie und warum es zur zweigeteilten christlichen Bibel (Altes Testament + Neues Testament) gekommen ist bzw. was dazu geführt hat, dass die Christusverkündigung selbst zur vorhandenen Heiligen Schrift hinzugefügt wurde, dann stößt man auf einen der bekanntesten Häretiker der frühen Kirche, nämlich auf Markion. Dieser Theologe des 2. Jahrhunderts, von dem wir ausschließlich aus den Zeugnissen seiner Gegner wissen, hat nicht das „Alte Testament“ als Altes Testament verworfen, wie es nach ihm benannte spätere Tendenzen (Markionismus) in der Kirche immer wieder versuchten, denn ein „Altes Testament“ (den ersten Teil einer zweigeteilten Schrift) gab es zu seiner Zeit noch nicht. Es gab die Heilige Schrift des Judentums (Bibel Israels), die auch von Jesus und seinen Jüngern ebenso wie von den ersten Christen als solche anerkannt und benutzt wurde. Daneben gab es seit der zweiten Hälfte des 1. Jahrhunderts Schriften der Christusverkündigung, die aber (noch) nicht als Heilige Schrift betrachtet wurden. Markion ging es auch in erster Linie gar nicht um die Bibel Israels im Christentum, also um das spätere Alte Testament. Aus seinem hellenistisch-gnostischen Verständnis heraus unterschied er dualistisch zwischen zwei verschiedenen Göttern: dem Schöpfergott, der die von ihm geschaffene Welt durch sein Gesetz beherrsche, welches sich in der Bibel Israels niedergeschlagen habe, und dem fremden Gott (da kein anderer Name bekannt), der ausschließlich ein guter Gott sei und sich in seiner erbarmenden Güte in Jesus Christus geoffenbart habe. Von Markions dualistischem Ansatz her ist es dann konsequent und logisch, dass die Bibel Israels für den christlichen Glauben abgelehnt werden muss. Denn sie zeugt vom Schöpfergott und nicht von dem Gott, den Jesus in seiner Verkündigung bezeugt habe.

Ob Markion – wie oft angenommen wird – aus dem Lukasevangelium und zehn Paulusbriefen (Gal, 1/2 Kor, Röm, 1/2 Thess, Eph, Kol, Phil, Phlm) eine „Schrift“ gemacht hat, die er als Alternative zu ihm vorliegenden Sammlungen christlicher (neutestamentlicher) Schriften vorgelegt hat, ist schwer nachzuweisen, und es spricht auch vieles dagegen. Was sich jedoch aus allen greifbaren Notizen herauskristallisieren lässt, ist die Tatsache, dass Markion ausschließlich Schriften der Christusverkündigung als autoritative und normative Grundlage des Christentums anerkennen wollte. Inwiefern und in welchem Umfang er dazu vorhandene Schriften oder Schriftensammlungen redigierte, sei einmal dahingestellt. Hinter der Schriftensammlung, die Markion sozusagen als Heilige Schrift forcierte, steht jedoch nicht die Idee, einen modifizierten Kanon vorzulegen, sondern die Absicht, die verbindliche Offenbarungsurkunde, die vorliegende Heilige Schrift, durch eine andere zu ersetzen.

Das berühmte Diktum des Kirchenhistorikers Hans von Campenhausen trifft in der Sache zu, wenngleich die Formulierung missverständlich ist: „Idee und Wirklichkeit einer christlichen Bibel sind von Markion geschaffen worden, und die Kirche, die sein Werk verwarf, ist ihm hierin nicht vorangegangen, sondern – formal gesehen – seinem Vorbild nachgefolgt“ (H. von Campenhausen, Die Entstehung der christlichen Bibel, Tübingen 1968, 174). Die Idee einer christlichen Bibel, im Sinn einer eigenen Heiligen Schrift für die Christen, mag tatsächlich von Markion stammen, Idee und Wirklichkeit der Bibel an sich aber kommen von der Heiligen Schrift des Judentums und sind folglich dem Christentum vorgegeben. Der kühne Vorstoß Markions, die Bibel Israels, die einzige Heilige Schrift des frühen Christentums, durch eine Sammlung von Schriften zu ersetzen, die die Christusbotschaft beinhalten, hat die Mehrheitskirche dazu gedrängt, ihr eigenes Verhältnis zur Bibel Israels in Verbindung mit der mündlichen und schriftlichen Christusverkündigung zu klären. Die Kirche folgt Markion zwar darin, dass sie die Zeugnisse der Christusbotschaft als Heilige Schrift (NT) anerkennt, gleichwohl ist diese Anerkennung für sie in absoluter Entgegensetzung zu Markion nur in Verbindung mit der Bibel Israels (AT) und nicht losgelöst von ihr denkbar.

Die Kirche unterstreicht somit in der zweigeteilten Heiligen Schrift von Altem und Neuem Testament, die sie als Reaktion auf Markion hervorgebracht hat, dass das Bekenntnis zu Jesus als dem Messias untrennbar und unauflöslich mit dem Glauben an den einen Gott, von dem die Bibel Israels zeugt, verbunden ist.

Das Bekenntnis zum einen und einzigen Gott

Die christliche Bibel aus Altem und Neuem Testament legt also zuerst einmal ein theologisches Bekenntnis ab: Es ist ein und derselbe Gott, der Israel erwählt und sich Israel offenbart hat und der sich sodann in Jesus, dem Messias/Christus, offenbart hat.

Die Antwort auf Markion, wie sie die frühe Kirche in der einen Schrift aus zwei Teilen vorgelegt hat, hat eine Konsequenz. Markion gilt seither der Kirche als „Häretiker“. Das zugrunde liegende griechische Wort bedeutet „auswählen, bevorzugen“. Erst durch den spezifisch christlichen Gebrauch bekommt das Wort einen negativen Unterton im Sinne von „leugnen“. Im Fall Markion ist der Bedeutungswandel und das damit begründete Verständnis von Häresie noch gut greifbar. Markion wählt aus. Er bevorzugt lediglich einen Teil der für das Christentum konstitutiven Überlieferung. Da man sich in der frühen Kirche noch bewusst war, dass die Botschaft von Jesus dem Christus nur aus dem Ganzen der Offenbarung Gottes heraus verkündigt und verstanden werden kann, hat man auch gesehen, dass eine Auswahl und eine Bevorzugung innerhalb dieses Ganzen zur Leugnung des tragenden Fundamentes führen muss. Das Häresieproblem ist am Anfang ein Problem der Halbwahrheit, dies wird bei Markion ganz deutlich; und die halbe Wahrheit, so ein jüdisches Sprichwort, ist die gefährlichste Lüge, weil sie nicht auf etwas Falschem der Aussage beruht, sondern sich die Wahrheit selbst, als verkürzte und reduzierte, zu Diensten macht und weil man sie deshalb nicht entlarven kann, indem man sie ihrer Falschheit überführt, also durch eine Richtigstellung, sondern nur durch Ergänzungen, Auffüllungen und Vervollständigung zur ganzen Wahrheit. Gegenüber jeder bewussten Falschaussage ist die Reduktion der Wahrheit, das Verschweigen des Ganzen, juristisch und moralisch kaum oder nur schwer zu greifen.

Die Kirche hat zwar Markions Vorstoß abgelehnt und hat, indem sie sein Ansinnen einer christlichen Bibel ohne die Bibel Israels als Häresie verworfen hat, die Notwendigkeit der Verbindung zwischen Christentum und Judentum festgehalten. Aber sie hat es unterlassen, positiv ein Verständnis der Besonderheit ihrer zweigeteilten Einheit der Heiligen Schrift Alten und Neuen Testaments in ihrer (Glaubens-)Lehre zu formulieren. Deshalb konnte es im Laufe der Kirchengeschichte immer wieder zu Tendenzen kommen, die als Markionismus bezeichnet wurden, die aber anders als Markion selbst den dann schon als Altes Testament bekannten ersten Schriftteil der christlichen Bibel ablehnten bzw. mit unterschiedlichen Argumenten zu entwerten oder zu verwerfen suchten.

2.2Die Bibel Israels als TaNaK oder Altes Testament


Kann man von Markion her nachvollziehen und verstehen, warum die Kirche die Schriften der Christusverkündigung zur ihr vorliegenden Heiligen Schrift, der Bibel Israels, hinzufügt, so stellt sich nun für das Verständnis dieser „neuen“ Bibelausgabe die Frage, warum die Christen die Bibel Israels nicht einfach um diese Schriften erweiterten, um so eine neue christliche Bibel hervorzubringen, sondern die komplexe und komplizierte Konzeption einer zweigeteilten Einheit wählten. Die Antwort auf diese Frage findet man im Rückblick auf die Entstehung bzw. Konstituierung des biblischen Kanons, d. h. der Schriftensammlung der Bibel Israels. Es wurde schon beschrieben, wie die Bibel Israels über die Teilsammlungen von Tora, Propheten und Schriften gewachsen ist.

Die Gegenüberstellung der dreigliedrigen TaNaK-Struktur der Hebräischen Bibel und des Alten Testaments (siehe die Übersicht auf S. 18 f.) lässt noch erkennen, dass im christlichen Alten Testament nicht, wie oft gemutmaßt, die Propheten ans Ende – und damit näher ans Neue Testament – gerückt worden sind, sondern dass an Stelle eines dritten...

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