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E-Book

Das Cent-Orakel

Der einfache Weg zur richtigen Entscheidung

AutorIngrid Hack
VerlagRowohlt Verlag GmbH
Erscheinungsjahr2011
Seitenanzahl144 Seiten
ISBN9783644451810
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis3,99 EUR
Wenn die Entscheidung gefallen ist, sind die Sorgen vorbei! (Cicero) Wer kennt nicht die Verzweiflung, die einen manchmal vor Entscheidungen überfällt? Was soll ich nur tun? Diese oder jene Einladung annehmen? Ist die Wohnung auf dem Land die richtige für mich - oder doch die in der Stadt? Jetzt mit meinem Partner zusammenziehen? Mein Geld auf der hohen Kante liegen lassen - oder neu investieren? Oder womöglich etwas ganz anderes damit machen? Brauche ich wirklich ein Auto - und welches? Wer in solchen Situationen die beste Lösung durch Nachdenken finden will, dem stehen schlaflose Nächte voller Zweifel bevor. Das Cent-Orakel hilft nicht nur dabei, entscheidungsschwache Momente zu meistern - es kann auch das Leben von Grund auf verändern. Ingrid Hack zeigt, wie man diese Entscheidungshilfe optimal nutzen kann.

Ingrid Hack, geboren 1947, Diplompsychologin, ausgebildet in Gestalt- und Familientherapie sowie Initiatischer Therapie, war Leiterin und Dozentin in verschiedenen therapeutischen Einrichtungen bzw. im Fachhochschulbereich und ist heute in eigener Praxis in München tätig. Das von ihr entwickelte und erprobte Realighting wird auch in Vorträgen und Seminaren vermittelt und bildet den Schwerpunkt ihrer Arbeit.

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Leseprobe

1

Sich nicht entscheiden können? Eine leichtere Lösung werden Sie nicht finden!


Eine Situation erfordert, dass du dich entweder mit ihr auseinandersetzt oder sie hinnimmst. Warum ein Problem daraus machen?

Eckhart Tolle

 

Neulich saß ich mit Freundinnen bei einem ausgedehnten Frühstück. Barbara, die ich seit Urzeiten kenne, erzählte uns, dass sie gerade dabei sei, ihren Kleiderschrank auszumisten, und jetzt einen Stapel Pullover zu Hause liegen habe, von denen sie nicht wisse, ob sie sich schon von ihnen trennen könne. Sie hatte diese Teile lange nicht mehr getragen, aber irgendwie hing sie noch daran. Und jetzt lag da dieser Stapel. Sie hatte vor, in der nächsten Zeit alle diese Pullover einmal anzuziehen, um auszuprobieren, ob sie sich noch wohl darin fühlte. Und erst danach wollte sie entscheiden, welche Exemplare sie aussortiert. Irgendwie klang es mühsam.

Christine, der ich wenige Wochen zuvor zum ersten Mal bei einer Geburtstagsfeier begegnet war, berichtete, dass ihr Chef sie gebeten hatte, in Kürze eine Woche Resturlaub zu nehmen. Und sie hatte keine Ahnung, was sie mit dieser Woche anfangen sollte oder wollte. Irgendwohin in den Süden fliegen? Und wohin? Italien, Griechenland, Spanien oder noch weiter weg? Oder sollte sie mit dem Auto fahren? Lohnte sich das überhaupt für eine Woche? Und auch noch allein! Vielleicht wäre es besser, einfach zu Hause zu bleiben, es sich gemütlich zu machen und endlich einmal Zeit zu finden für alles, wozu sie sonst nicht kam: Bücher lesen, Briefe schreiben, Fenster putzen, sich mit Freundinnen treffen, kleinere Ausflüge machen … Aber sie hatte die Befürchtung, sie könnte etwas versäumen, diese Woche möglicherweise nur vertrödeln, wenn sie daheim blieb.

Uns fiel vieles ein, was wir gerne in so einer Urlaubswoche täten, aber Christine schüttelte zu allem zweifelnd den Kopf, an allem fand sie etwas auszusetzen. Je länger wir darüber sprachen, desto unklarer und unglücklicher fühlte sie sich.

 

Wer kennt sie nicht, die Verzweiflung, die uns manchmal – und vor allem in schwierigen Lebenslagen – überfällt? Was soll ich tun? Welchen der vielen möglichen Wege schlage ich ein? Womit werde ich Erfolg haben? Welcher Partner ist der richtige fürs Leben? Welches Hauptfach soll ich studieren? Soll ich meinen Job kündigen oder lieber warten, bis ich etwas Neues in Aussicht habe? Weiter mitten in der Stadt leben – oder doch draußen auf dem Land die neue Wohnung suchen? Eine dringende Anschaffung steht an – aber woher das Geld nehmen und nicht stehlen: Sparbuch auflösen, Lebensversicherung kündigen oder Lotto spielen?

Manchmal ist der Grund für die Ungewissheit ganz banal, quält uns aber trotzdem:

Ist jetzt der richtige Zeitpunkt, jemanden anzurufen, um eine bestimmte Sache zu klären?

Wohin will ich mit meinem Partner am Abend ausgehen? Er hat die Auswahl an mich delegiert – übrigens auch eine Möglichkeit für Entscheidungsschwache! Vor allem kann er dann leicht meckern, wenn’s ihm nicht gefällt.

Mittags, wenn der Magen knurrt: Selbst etwas kochen oder doch den Pizzadienst anrufen? Beides geht ungefähr gleich schnell 

In Zeitnot in der Umkleidekabine: Welche von den zwei oder drei netten Klamotten nehme ich nun?

Vorm Fernseher beim Zappen durch die Programme – welche Sendung will ich zu Ende anschauen? Oder ist es besser, die Kiste gleich auszuschalten?

Sie haben jedenfalls in irgendeiner Angelegenheit Schwierigkeiten, sich festzulegen und eine klare Wahl zu treffen. Denn wie auch immer Sie sich entscheiden, Sie wissen jetzt schon, dass es Ihnen hinterher wahrscheinlich leidtun wird, weil Ihnen die andere, verpasste Möglichkeit nicht aus dem Sinn geht. Sicher fallen Ihnen genügend eigene Beispiele ein, die sich von klitzekleinen Zweifeln bis hin zu Fragen über Leben und Tod erstrecken mögen.

 

Die Probleme meiner beiden Freundinnen bei diesem Frühstück erinnerten mich an eine Episode aus meiner eigenen Vergangenheit. Es ist einige Jahre her, da hatte ich für eine gewisse Zeit eine Vereinbarung mit mir selbst getroffen: Ich wollte jedes Mal, wenn ich mich in einer Angelegenheit nicht klar entscheiden konnte, einen Pfennig (damals waren es noch «Pfennige») werfen – und dann wirklich tun, was die Münze mir sagte: ja oder nein!

Ich begann, den Freundinnen von den vielen, auch wundersamen Erlebnissen zu erzählen, die ich während dieser Zeit hatte und die ich nicht missen möchte:

Ich hatte «klein» angefangen, zum Beispiel, ob ich jetzt jemanden anrufe oder nicht. Ob ich die Einladung am Abend annehme. Und wenn nicht, ob dann Kino dran ist (welcher Film?) – oder vielleicht ein Fernseh- oder Leseabend daheim. Ob ich beim Spazierengehen den linken oder den rechten Weg einschlage. Ob ich in dieses Lokal zum Essen gehe oder in jenes. Und welches der vielen leckeren Gerichte auf der Karte soll ich bestellen?

 

Einmal war ich mit einer Freundin zu einem Seminar in der Nähe von München unterwegs. Renate saß am Steuer und wusste auf einmal nicht mehr, ob sie jetzt schon von der Schnellstraße abbiegen oder geradeaus weiterfahren sollte. Im letzten Moment warf ich einen Cent, und der bestimmte, dass wir rechts abbiegen sollten. In diesem Augenblick überholte uns ein Wagen, und wir mussten bremsen, als er sich plötzlich direkt vor uns auf der Abbiegespur einordnete. Doch genau an der Stelle, an der sich die Spuren trennten, gab der Fahrer wieder Gas und sauste zurück in die linke Geradeausspur – und Renate stand seinetwegen schon wieder auf der Bremse. Doch statt sich aufzuregen, konnte sie vor Lachen kaum weiterfahren. Ich sah sie fragend an, und sie prustete: «Ob der wohl auch eine Münze geworfen hat?» – und schon haben wir beide schallend gelacht.

Wie sich danach herausstellte, war der Weg, den wir im letzten Moment eingeschlagen hatten, natürlich der beste, weil kürzeste!

Ganz besonders intensiv erinnere ich eine Situation, in der ich mich mit einem Exfreund zum Besuch einer Ausstellung von August Macke in Stuttgart verabredet hatte. Ich kam aus München, er aus Heidelberg. Wir trafen uns auf dem Parkplatz – und da standen wir dann auch nach der Besichtigung wieder. Sollten wir uns noch zu einem Kaffee zusammensetzen? Oder etwas essen? Ich war unsicher und warf eine Münze: Sollen wir jetzt noch etwas zusammen unternehmen? Nein! Wir verabschiedeten uns mit einem lachenden und einem weinenden Auge, und ich winkte ihm nach, als er davonfuhr. Dann stand ich allein auf dem Parkplatz und wusste nicht, was ich tun sollte.

Wieder warf ich den Cent: Soll ich jetzt nach Hause fahren? Nein.

Soll ich meine Freundin Paula besuchen, die in der Nähe von Stuttgart wohnt und die ich schon lange nicht gesehen habe? Nein.

Soll ich noch mal allein in die Ausstellung gehen? Nein.

Soll ich mich noch ein bisschen in Stuttgart umsehen? Nein.

Soll ich allein zum Essen gehen, schließlich war späte Mittagszeit? Nein.

Soll ich noch hier auf dem Parkplatz bleiben? Nein. Was sollte ich nur tun? Allmählich fielen mir keine Frage-Alternativen mehr ein. Und ich stand immer noch auf dem Parkplatz und kam mir allmählich bescheuert vor. Besonders, wenn andere Besucher an mir vorbei zu ihren Autos gingen.

Schließlich fiel mir nur noch eine Frage ein: Soll ich jetzt doch nach Hause fahren, aber nicht über die Autobahn, sondern über Land?

Und siehe da, nach so vielen Neins kam endlich ein Ja!

Ich holte den Autoatlas aus dem Kofferraum und sah mir die Strecke an. Da lag Blaubeuren auf dem Weg – und ich hatte doch schon immer mal den Blautopf sehen wollen! Das ist eine der Donauquellen in der Schwäbischen Alb, ein «zauberhafter» Ort, der Eduard Mörike zu seinem Märchen von der schönen Lau inspiriert hatte. Die Geschichte handelt von einer Nixe, die in diesen Quelltopf verbannt wurde, bis sie das Lachen wieder lernte und nach Hause zurückkehren durfte. Ja, nach dieser noch immer nicht ganz verdauten Trennung von meinem Freund wollte auch ich das Lachen nur zu gern wieder lernen!

Ich fuhr also guten Mutes über die Landstraße Richtung Blautopf und München.

Es lag eine eigenartige Stimmung über dem Land. Der Himmel war tiefschwarz, wie kurz vor einem Unwetter. Dabei schien aber immer noch die Sonne. Die reifen Getreidefelder rechts und links der Straße leuchteten bei diesem Kontrast in strahlendem Goldgelb. Ich war tief berührt von dieser Schönheit und geradezu überwältigt, als ich endlich am Rande des Blautopfs stand und dieses unglaublich tiefe Blau und Türkis mich in ihren Bann zogen.

Es war nicht leicht, mich davon loszureißen. Doch es gelang mir, genau in der Sekunde wieder sicher im Auto zu sitzen, als das drohende Gewitter losbrach.

Zurück in München, war mir so, als ob dieses Naturerlebnis der eigentliche Grund für meine Fahrt nach Stuttgart gewesen sei. Die Bilder von Macke waren mir sehr nahegegangen, doch das Gelb der Weizenfelder und das Blau des Quelltopfes erfüllten mich wie reine Glückseligkeit.

Als ich merkte, dass die Cent-Entscheidungen immer zufriedenstellend ausfielen, dass es sich sogar gut anfühlte, wenn die Münze scheinbar falschlag und «sagte», ich solle jetzt irgendwo anrufen, und dann niemand da war (denn dabei wurde mir zum Beispiel klarer, was ich von diesem Menschen in Wirklichkeit wollte), da beschloss ich, auch größere Entscheidungen dem vermeintlichen «Zufall» («Zufall ist vielleicht das Pseudonym Gottes, wenn er nicht unterschreiben will», sagt Anatole France) oder...

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