Einleitung
Im September 1978 eröffnete auf der Marienstraße in Hannover mein erstes Restaurant, den „lila Kranz“!
Ich dachte damals nicht im Traume daran, ein berühmter Koch für Promis, Stars und Politiker zu werden.
Stattdessen kündigte ich meine Stelle als Gymnasiallehrer und Lebenszeitbeamter an der Integrierten Gesamtschule Hannover–Garbsen pünktlich zum Ende der großen Ferien.
Nach vergeblichem Bemühen einen Koch zu finden, beschloss ich, in einem Anfall von männlichem Größenwahn und Selbstüberschätzung, mich selbst hinter den Herd zu stellen.
In Crailsheim an der Romantischen Straße circa 30 km von Rothenburg ob der Tauber entfernt geboren, studierte ich in München, Konstanz, Tübingen und Hannover Germanistik, Geschichte und Philosophie.
Nach dem Motto unter den Blinden ist der einäugige König traute ich mir es als Süddeutscher in Hannover zu, den kulinarischen weißen Fleck Deutschlands – wie Wolfram Siebeck, der selbsternannte Gastroexperte der Wochenzeitschrift die „Zeit“ es formulierte, ein wenig dunkler zu machen.
Der damalige Starkritiker für Restaurants, Gastronomie und Esskultur in Deutschland, Wolfram Siebeck, hatte Hannover und Niedersachsen gerade zum weißen Flecken auf der kulinarischen Landkarte Deutschlands erklärt. Das typische Gericht für Niedersachsen, Grünkohl, hielt er nur zum Verzehr für Borstenvieh als geeignet, ein Fehlurteil und grenzenlose Überheblichkeit, die ich schon damals ablehnte.
Es sollte aber mehr als drei Jahre dauern, bis ich als Autodidakt einigermaßen kochen konnte. Geholfen hat vor allem meine Kindheit in Süddeutschland und hier sind besonders die Ferien, die wir Kinder allein fast ausschließlich bei den Großeltern in Elpershofen verbrachten, besonders hervor zu heben. Während meine beiden Brüder draußen spielten, war ich am liebsten bei Großmutter in der Küche.
Elpershofen bestand nur aus fünf Bauernhöfen und einem Wasserkraftwerk, das mein Opa August betreute. Einmal am Tag kam ein Linienbus durch das Dorf, brachte Lebensmittel aus der nächsten Stadt, Gerabronn, das einzige Telefon im Ort besaß mein Großvater. Ich erinnere mich noch an das Fräulein vom Amt, das Ferngespräche vermittelte.
In einer solchen ländlichen Abgeschiedenheit war das Mittagessen und deren Zubereitung das Ereignis des Tages, quasi ein Stück realisierte Kultur, Esskultur. Ohne den täglichen ökonomischen Druck im Vergleich zur bäuerlichen Landarbeit, zelebrierte meine Großmutter, als gelernte Hauswirtschaftslehrerin, in dieser privilegierten Situation das tägliche Mittagsmahl mit stets großem Aufwand. Es gab immer mehrere Salate, mindestens zwei Beilagen, aber nicht jeden Tag Fleisch. Gekocht wurde mit den eigenen Produkten, jahreszeitlich bedingt aus dem Garten, Fleisch aus eigener Schlachtung und frischen Fischen aus der Jagst, direkt vorm Haus. Alles war immer gerade erst geerntet. Es gab ja keinen Kühlschrank, sondern einen separaten Keller für Speisen und Getränke aus eigener Produktion, wie Himbeersaft, Träublessaft und Most vom eigenen Fass.
Alles Bedingungen für eine Art des Kochens, die man heute als absolute Frischküche, rein biologisch und alternativ bezeichnet. Die Basis meiner Küche beruht auf diesen früh kindlichen Erlebnissen und der damaligen Lebens-Wirklichkeit, die sich zu soliden Kenntnissen heute verdichtet haben. Meine Kochfertigkeiten sind also ohne Absicht früh kindlich angelegt worden.
Vielleicht war es dadurch zwingend, jedoch vollkommen ungeplant, dass mein Restaurant nach ungefähr zehn Jahren, zu den hundert besten Lokalen Deutschlands zählte.
Mit zwei Kochmützen im Gault Millau, drei Gabeln im Michelin, diversen Kochmützen und –löffeln im Vartaführer und Schlemmeratlas, hatte ich mehrere Auftritte in den Regionalprogrammen des NDR und Sat I, sowie eine ganzjährige Rundfunksendung bei FFN, morgens um acht: Kochen mit Rainer Feuchter – das einfache, tägliche Menü zum Nachkochen für Jedermann.
Promis und berühmte Menschen gehörten zum alltäglichen Geschäft und waren nicht die Ausnahme.
Sogar mein Gästebuch, in Schweinsleder gebunden, lag nicht mehr aus, weil wir die viele Stars mit Autogrammen und Eintragungen nicht belästigen wollten.
Zu meinen Gästen zählten, ausschnittsweise und bestimmt nicht vollständig:
Rolling Stones, Pink Floyd, Roger Moore, Bill Gates, Reina Sofia , Peter Scholl-Latour, Mario Adorf, die Scorpions, Reinhard May, Bundeskanzler Helmut Kohl und Gerhard Schröder, Helmut Harrer, der frühe Freund des Dalai Lama, Ernst August von Hannover, Maria Furtwängler, Gewerkschaftsvorsitzender Peters, Bundespräsident Christian Wulff, Joachim Vogel, Prof. Dr. Dr. Leonhardt, Prof. Dr. Gebel, Prof. Dr. Goehrmann, der Chef der Hannover Messe AG, Frank Elstner, Marianne Helwig, Jürgen von der Lippe, Horge la Guardia um nur einige wichtige zu nennen.
Im Überschwang pflegte ich zu sagen: „ Es fehlen nur noch die Queen und der Papst!“
Das nun hier vorliegende „ Etwas andere Gästebuch“ behandelt nicht die seichten Belanglosigkeiten bezüglich Kleidung und Auftreten von VIPs wie in bestimmten Gazetten oder Fernsehsendungen, sondern, es sind die besonderen Geschichten und tatsächlichen Hintergründe, bis hin zu Peinlichkeiten, die ich hier erzählen möchte.
Betriebe ich noch den lila Kranz in Hannover, wäre es mir niemals eingefallen, diese oft skurrilen und befremdlichen Auftritte in einem Buch zu schildern. Man plaudert doch nichts aus, wenn man die Restaurants noch betreibt. Aber den lila Kranz gibt es nicht mehr. Ich habe in einfach inclusive Weinkeller und Inventar unter dem Namen „El Patio de Lajares“ nach Fuerteventura verlegt. Mit sechs luxuriösen Zimmern ist das mein umtriebiger Alterssitz.
Übrigens, auch hier kommen Promis! Nicht mehr so zahlreich wie früher und vor allem Spanier. Auch im Spanischen und kanarischen Fernsehen war der „el Patio“ schon mehrfach zu sehen.
Den lila Kranz, Enrico Leone und Das Vegetarische Restaurant Hiller habe ich verkauft. Ich kann daher befreit diese Anekdoten veröffentlichen.
Mit über fünfundsechzig bin ich auch zu alt, um falsche Rücksichten zu pflegen. Diese Geschichten sind auch Teil meines Lebens, quasi ein Geschenk, das ich nur noch zu realisieren brauche.
Noch ein Wort zu den beigefügten Rezepten:
Mengenangaben in einem Rezept widersprechen nach meiner Meinung der Grundstruktur des Kochens überhaupt.
Ein Eßlöffel Zucker besagt für die Menge wenig, da es von der Größe des Löffels und seinem Design abhängt. Alte Eßlöffel sind meist viel größer als moderne Löffel. Eier haben bekanntlich verschiedene Größen. Nehmen sie lieber ein Ei mehr, dann sind sie auf der sicheren Seite.
Die Mehrzahl der Rezepte werden bekanntlich stets für vier Personen „berechnet“. Das hat mit der Realität doch sehr wenig gemein. Eine Person wäre dagegen die bessere Einheit, man kann dann leichter multiplizieren, aber natürlich funktioniert ein Rezept für eine Person äußerst selten. Spätestens hier merkt man die Einschränkung der sozialen Vereinzelung. Es gilt also immer 1 mal x Personen, wobei man einen einzigen Pfannkuchen schlecht herstellen kann, man muss mindestens Teig für zwei anrühren.
Der Umfang einer Portion ist selbstverständlich von Person zu Person verschieden. In aller Regel mache ich im el Patio die Fleischportionen für Männer größer als für Frauen. Insgesamt darf man Rezepte nur als Gedächtnisstütze und Anregung betrachten. Funktionieren sollten sie aber schon. Das negative Beispiel schlechthin sind die Kochbücher Alfred Bioleks. Hier gibt es eine nicht unerhebliche Anzahl von falschen Rezepten. Diese Kochbücher sollte man besser als Geschenkidee für ungeliebte Freunde betrachten. Da erfüllen sie bestens ihren Zweck.
Summa summarum versuche ich auf Mengenangaben in meinen Rezepten zu verzichten. Viel wichtiger ist aber, dass diese Rezepte auf die Jahrzehnte lange Praxis in meinen Restaurants basieren. Das ist der ausschlaggebende Faktor. Die Anzahl der Klicks in dubiosen Rezeptdarstellungen im Internet sagen nichts über ihre tatsächliche Qualität aus. So ist das meist angeklickte Gänserezept im Internet zum Beispiel einfach falsch!
Dort wird nämlich die Gans zwei bis drei Stunde mit hinreichendem Wasser auf der Brustseite gegart, bevor sie dann umgedreht wird. Es ist aber gar nicht möglich eine Gans auf die Brustseite zu legen, sondern nur immer auf eine einzige Brust, die andere steht ab, wegen des Brustbeins. Eine Gans oder Ente brät man immer und ausschließlich auf dem Rücken, da befindet sich nämlich kein Fleisch und der Vogel kann nicht auf eine oder die andere Seite kippen und bitteniemals wenden! Das ist unnütze Arbeit und gefährlich zugleich. Man verbrennt sich leicht, oder entzündet durch das Fett gleich den ganzen Herd. (Die Autorin empfiehlt deshalb auch...