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E-Book

Das hohe Ziel der Erkenntnis

AutorOmar al-Raschid Bey
VerlagJazzybee Verlag
Erscheinungsjahr2012
Seitenanzahl166 Seiten
ISBN9783849604431
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis1,99 EUR
Friedrich Arnd (Omar al Raschid Bey) war ein deutscher Publizist, der zum Islam konvertierte. Seine größtes Werk ist 'Das hohe Ziel der Erkenntnis' - Aranada Upanishad - in dem es um die Grenzen menschlichen Verstehens und das Begreifen der Welt um uns geht.

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Leseprobe

 

Zu dem, was ich dir ferner zu sagen gedenke, o Teurer! behalte vor Augen:

 

Es geschieht wohl, daß von den dickkopfigen Ameisen eine mitten-von-einander bricht; alsbald kehren sich die getrennten Teile feindlich gegen einander: der Kopf greift mit den Kiefer an, der Leib wehrt sich mit dem Stachel.

 

Eben noch einheitlicher Bestand, Ein Ich mit Einem Bewußtsein, Einer Empfindung, Einem Willen, von gleicher Sorgfalt für alle Teile seines Körpers erfüllt – zerfällt es vor deinen Augen in zwei Bewußtsein, zwei Empfindungen, zwei Willen, zwei Seelen; jedes der beiden Teile fühlt sich selbständig, ein »Ich«, und seine erste Tat ist Kampf gegen das, was es nicht mehr als sein Ich erkennt.

 

Zwiespalt körperlich-seelisch; Gedanke dieser im Zwiespalt atmenden Welt; Ausdruck des ur-Sprungs: Kâma, Verlangen.

 

Durch ur-Sprung: ur-TeilIch und gegen-TeilIch. Durch solche Teilung Verlangen in Ich und Ich; – das Außer-einander von Ich und Ich ist Verlangen:

 

– KAMA –

 

*

 

Also ist die Unterweisung:

 

Ich knüpfe an Gesagtes an, o Teurer!

 

Der Erreger, savitar, die Sonne, weckt die Geschöpfe – alsbald beseelt diese der Gedanke des Lebens: Kâma, Verlangen, und es folgt Jagd und Kampf.

 

Brennend vor Begier wirft sich der Eine auf den Anderen: »du bist meine Nahrung« – und der Sieger frohlockt: »ich töte dich: es ist mein Recht.«

 

Vom Unterliegenden jedoch schallt voller Widerspruch zurück: »ich will nicht sterben, du darfst mich nicht töten, es ist unrecht und böse!«

 

Du erwägst zuvörderst den Gegensatz im atmenden Verlangen im ›Raum‹ erscheinend.

 

Jeder der Beiden, hier wie dort, der Sieger sowohl wie der Unterliegende, will dasselbe: will leben, nicht sterben; will töten und fressen, will nicht getötet und gefressen werden.

 

Hier wie dort Ein Gedanke, dasselbe Verlangen, dennoch Widerspruch, Zwiespalt, Gegensatz.

 

*

 

Du schaust den Gedanken unbewegt, einheitlich, ungeteilt: Kâma, Verlangen, Fraß; Fraß ist sinnfälliger Ausdruck des Verlangens.

 

Es ist kein Zwiespalt, kein Gegensatz im Gedanken, im Wollen und Tun an sich; Zwiespalt, Gegensatz ist durch Ich und Ich.

 

Zwiespalt, Teilung erscheint mit be-Teil-igung des Ich am Gedanken. Der Gegensatz entsteht durch zwiefachen Standort des Ich; im Ich, das hier will, und im gegenüber stehenden, entgegen stehenden, widerstehenden Ich, das dort wieder will – zwei gegen-ständliche Standorte des Ich – das ist Raumerscheinung:

 

 

 

I. Ich – hier:
»ich will dich fressen.«

 

 

 

II. Ich – dort:
»ich will dich fressen.«

 

*

 

Ich auf beidem Standort spricht den einheitlichen Gedanken, das einheitliche Verlangen: ›Fraß‹ zwiefach aus, bejahend – verneinend. Ich auf beidem Standort bejaht den Satz und verneint damit den Gegensatz. Ich will – und will nicht das Gegenteil des Gewollten; Wille zur Tat, Unwille zur Duldung der Tat. Ich hier wie Ich dort: »ich will leben – nicht sterben, ich will fressen – nicht gefressen werden.«

 

Es ist Ein Gedanke, Ein Verlangen, Ein Vorgang: ›Fraß‹; ›fressen – nicht gefressen werden‹ ist nur Lautverschiedenheit, nur sprachlich doppelter Ausdruck, dem Sinne nach dasselbe; nur Gewolltes bejahende, nicht-Gewolltes verneinende Redewendung, doppelte Bezeichnung für Eines. Ich spricht in zwiefachen, Eines bedeutenden Worten einheitliches Wollen, den Einen ungespaltenen Gedanken aus; Gegensatz erscheint im raum-gespaltenen, im ent-zwei-ten Ich; im Ich, das hier will, und im Ich, das dort will, dort wieder will, das heißt – wider will:

 

 

 

[Ich:]
I. Ich, angreifend und siegend will die Tat, bejaht, die Tat, spricht den bejahenden tätigen Sprachausdruck des Verlangens – in Lust aufflammend:
»ich will dich fressen.«

 

 

 

[Ich im räumlichen ›Gegen‹stand:]
II. Ich, angegriffen und unterliegend, will die Tat nicht, verneint was ihm Leid antut, spricht den verneinenden, leidenden Sprachausdruck des Verlangens – in Leid aufflammend:
»ich will mich nicht fressen lassen.«

 

 

 

Kein Gegensatz im Verlangen, kein Zwiespalt, keine Teilung – gleichviel, ob sich der Gedanke in Einem Ich in zwiefacher Redewendung – bejahend – verneinend – ausspricht, oder ob sich der Gedanke in zwiefacher Redewendung als Wille und Unwille auf zwei Ich verteilt – zweiheitlicher Ausdruck des einheitlichen Gedankens: Verlangen.

 

Kein Gegensatz in Gedanken – gleichviel, ob sich der Gedanke im tuenden Ich in Tat ausdrückender Redeform ausspricht, oder ob sich der Gedanke im leidenden Ich in Leid ausdrückender Redewendung widerspricht; gleichviel, ob der Gedanke im Ich, fressend, sich bejaht, im Ich, gefressen, sich verneint: – einheitliches Verlangen.

 

Unberührt bleibt der Gedanke, ungeteilt – Unterscheidung, Teilung, Entzweiung, Zwiespalt und Gegensatz ist durch Ich und Ich

 

Dies ist kâma, Verlangen, in gegen-Teile ent-zweit, als Wille und wider-Wille erscheinend; im zu-Stand-Ich und im gegen-Stand-Ich; Ich räumlich auf zwei Standorten. Ich-ent-Zwei-ung.

 

*

 

Nunmehr der Gegensatz im atmenden Verlangen in der Zeit erscheinend.

 

Nichts weset ohne ein Zweites, kein Ding ohne seinen Gegensatz, kein Willen ohne gegen-Willen – kein Leben ohne Atem des Willens, wie kein Atem ohne Einhauch und Aushauch.

 

Es geschieht, daß in den Beiden, die sich bekämpfen, eine Wendung im Verlangen eintritt:

 

Im Sieger nach geschehener Tat: die Gier ist befriedigt, die Lust verraucht. Wie am bewegten Schöpfrad der Eimer gefüllt emporsteigt und entleert wieder herabsinkt, so füllt sich das Verlangen, übersteigt den Höhepunkt und fällt. Bisher zurückgedrängte Gedanken drängen vor. Der Sieger versetzt sich in die Lage des Opfers; das Mitleid erwacht, der Umschlag erfolgt; man sagt wohl: er ist nicht mehr derselbe, er ist ein anderer geworden: »ich will nicht töten, es ist Unrecht. Lieber Unrecht leiden als Unrecht tun, lieber selber den Tod erdulden, als andere töten.«

 

Sodann im Unterliegenden: »mein Widerstand ist vergeblich; ich unterliege.« Bisher zurückgedrängte Gedanken drängen vor. Erinnerung an eigene Untat wird wach, der Umschlag erfolgt: »es geschieht mir Recht, ich verdiene den Tod; ich will mein Unrecht büßen, will meine Sünde sühnen: töte mich, ich sterbe freudig.«

 

Der Kampf ist aufgegeben, Frieden ist gewonnen; Aufopferung hat Raubgier abgelöst. Verraucht ist das Verlangen, aller Sittlichkeit höchstgepriesenes Ziel erreicht – erstanden das Wunder: Selbstlosigkeit.

 

*

 

Du erwägst zuvörderst den zeitlich erscheinenden Gegensatz im Willen des angreifenden Ich – Wechsel von Tat zu nicht-Tat.

 

Der Gegensatz erscheint als geänderter Wille im Ich. Das Verlangen atmet, lebt, bewegt sich, wandelt, wechselt im lch. Ich verläßt seinen Stand, ver-stellt sich, nimmt andere Stellung zum Gedanken:

 

»Ich wollte leben, wollte nicht sterben; wollte die Tat tun, wollte die Tat nicht dulden, wollte töten und fressen, wollte nicht getötet und gefressen werden« –

 

»jetzt will ich sterben, will nicht leben; will nicht töten, nicht fressen, will getötet und gefressen werden.«

 

Im Willen des Ich ist Wandlung eingetreten – Gegensatz im wechselnden Willen in der Zeit erscheinend.

 

*

 

Du schaust den Gedanken unbewegt, einheitlich: kâma, Verlangen. Tat und Fraß ist sinnfälliger Ausdruck des Verlangens, Ausdruck des Wirkens dieser Welt.

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