Einleitung
Seit 15 Jahren kommt es mir so vor, als ob ich – wie einer dieser wilden hawaiianischen Surfer-Jungs – auf einer Welle reiten würde, die, statt zu brechen, immer mehr an Kraft gewinnt. Diese Welle ist die Nahrung-als-Medizin-Bewegung. Dahinter steckt die Idee, dass man durch Ernährung Krankheiten vorbeugen kann, sogar Krebs. Als ich meine beiden ersten Bücher – One Bite at a Time und die amerikanische Ausgabe von Das Kochbuch gegen Krebs – geschrieben habe, waren die Ziele noch bescheiden. Was wir zu dieser Zeit (in den Jahren 2003 bis 2008) wussten, war, dass 80 Prozent der Krebspatienten fehlernährt waren. Den meisten der Leute, die zu einem der Bücher griffen, egal, ob sie beruflich mit Krebs zu tun hatten oder selbst davon betroffen waren, brannten vor allem zwei Fragen zur Ernährung auf der Seele: Macht Essen während einer Krebstherapie überhaupt Spaß? Werde ich überhaupt etwas essen können?
Das waren – und sind immer noch – zwei wichtige Aspekte meiner Arbeit. In diesem Buch geht es vor allem darum, den Appetit während einer Therapie zu steigern. Der Schlüssel dazu ist das, was ich als den »Lecker-Faktor« bezeichne: das Konzept, dass hohe Nährstoffdichte und wunderbarer Geschmack auf dem Teller perfekt harmonieren können. Wie einer meiner Kollegen vor Jahren feststellte: »Wenn Essen nicht gut schmeckt, wird es nicht gegessen, egal, wie gesund es ist.« Im Wesentlichen bin ich eine kulinarische Übersetzerin, die mit Onkologen, Ernährungswissenschaftlern und Pflegeprofis zusammenarbeitet, damit Patienten auch während einer Krebstherapie gut essen. Ich setze ihre Ernährungsempfehlungen in leckere, nahrhafte Gerichte um. Die positive Resonanz, die ich von vielen, vielen Patienten erhalte, ist ermutigend. Menschen, die gar nicht mehr essen wollten, konnten wieder an den Tisch gebracht und mit wertvollen Nährstoffen versorgt werden, und zwar mithilfe dieser drei einfachen Prinzipien:
1. Das Essen muss alle Sinne ansprechen.
2. Das Angebot muss abwechslungsreich sein, um auf das häufig wechselnde Geschmacksempfinden und den schwankenden Appetit reagieren zu können (kleine Gerichte mit hoher Nährstoffdichte, die man gut aufbewahren und aufwärmen kann).
3. Die Gerichte sollen einfach sein – vom Einkauf der Zutaten bis hin zur Vor- und Zubereitung.
Nun, da die Ernährung-als-Medizin-Reise schon fast eine Generation andauert, hat sich herausgestellt, dass hinter dem »Lecker-Faktor« mehr steckt als genießbares Essen. Ich habe beobachtet, wie ernährungswissenschaftliche Erkenntnisse und deren Einfluss auf den Erhalt und die Wiedererlangung der Gesundheit Einzug in wichtige Fachzeitschriften und -journale hielten, wie dem Journal of the American Medical Association und dem New England Journal of Medicine. Ich habe diese Wissensexplosion in drei neueren Kochbüchern zusammengefasst: The Logevity Kitchen, The Healthy Mind Cookbook und Clean Eating Suppen, das auch auf Deutsch erschienen ist. Bei der Arbeit an diesen Büchern habe ich auch gelernt, wie wichtig Kräuter und Gewürze für die Gesundheit sind. Viele Menschen sind erst durch eine Erkrankung motiviert, sich gesund zu ernähren. Ich versuche, Kapital aus dieser Motivation zu schlagen, um Patienten bei der Einsicht zu helfen, dass genau jene Nahrungsmittel, die den Körper dabei unterstützen können, ihn vom Unkraut Krebs zu befreien, eine langfristige Wirkung haben, um eine erneute Erkrankung abzuwenden.
Um mich besser mit der schnell wachsenden Zahl von Ärzten und Wissenschaftlern, die die Wirkung von Nahrung auf den Krebs erforschten, auseinandersetzen zu können, machte ich, die Köchin, noch einen Master in Ernährungslehre. Diesen Input nutzte ich, um leckere krebsbekämpfende Gerichte zu entwickeln. Die Verflechtung von neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen und Kochkunst halten Sie nun in den Händen und ich bin stolz darauf, dass viele Ärzte ihre Patienten auf dieses Buch aufmerksam machen.
Aber es steckt noch mehr dahinter. Eine Krebsdiagnose ist furchtbar. Ich habe es selbst bei meinem Vater erlebt, der an Kehlkopfkrebs erkrankt war, und auch mein Co-Autor Mat musste seine ganz eigenen Erfahrungen machen: Seine Mutter litt an Darmkrebs, seine Lebensgefährtin Deb an Eierstockkrebs. Mit Krebs umzugehen ist eine große psychische Herausforderung. Wenn man durch solch eine Diagnose aus der Bahn geworfen wird, bedeutet Kochen und Essen mehr, als nur satt zu werden. Zu wissen, dass man durch Ernährung kurz- und langfristige Folgen beeinflussen und die Nebenwirkungen einer Krebstherapie lindern kann, leistet einen unglaublichen psychologischen Schub für viele Patienten und Betreuungskräfte. Was auf den Teller kommt, hat wirklich großen Einfluss – auf Körper und Seele.
Viele gängige Nahrungsmittel – von Brokkoli bis zu Tomaten – enthalten diverse antikarzinogene sekundäre Pflanzenstoffe und Nährstoffe. Zum Teil sind sie in der Lage, die Versorgung der Tumorzellen zu beeinflussen. Dazu gehört die Regulierung des Blutzuckerspiegels und der Insulinproduktion sowie die Reduzierung von systemischen Entzündungen. Bekannte Kräuter und Gewürze wie Ingwer, Zimt und Kurkuma schmecken nicht nur, sondern sind echte Antikrebs-Kraftwerke. Mehr darüber erfahren Sie in der kulinarischen Apotheke ab Seite 40. Hier sind die positiven Eigenschaften all der Zutaten beschrieben, die in den Rezepten verwendet werden.
Ich bin fest davon überzeugt, dass man sich auch unter widrigsten Umständen gesund ernähren kann. Dieses Buch soll Sie in jedem Stadium Ihrer Krankheit begleiten. Ob Ihr Appetit gut ist oder zu wünschen übrig lässt: Alle Rezepte enthalten ein Maximum an Nährstoffen und Geschmack. Das Kochbuch gegen Krebs folgt dem Prinzip der Vollwertkost. Die Zutaten sind naturbelassen, kommen erntefrisch auf den Tisch, damit möglichst alle Nährstoffe erhalten bleiben, und sind keine industriell verarbeiteten Produkte wie Weißmehl und Industriezucker, die ernährungsphysiologisch unvorteilhaft sind und nur leere Kalorien darstellen.
Neben einem möglichst hohen Nährstoffgehalt verfolgt dieser Vollwertansatz ein weiteres Ziel. Oft werde ich gefragt: »Wenn die Wissenschaft spezielle Lebensmittel mit krebsbekämpfenden Wirkstoffen kennt, warum isst man dann nicht nur die?« Leider funktioniert es so (noch) nicht. Eine ausgewogene, abwechslungsreiche Kost ist Ihre Rundumversicherung, da jeder Mensch Nährstoffe anders absorbiert (das hat das neue Forschungsgebiet der Nutrigenomik aufgedeckt). Da wir aber noch nicht wissen, welche Nahrungsmittel bei jedem Einzelnen am besten wirken, ist eine abwechslungsreiche Kost die Garantie dafür, alle notwendigen Nährstoffe zu erhalten.
Jetzt habe ich Ihnen eine ganze Menge aufgetischt und ich weiß, dass die Essenszubereitung für einen Krebspatienten (ob Sie selbst oder jemand anderes) nicht immer einfach ist. Ich versuche trotzdem, das schwierige Thema mit Freude und Spaß anzugehen. Und ich bin mir sicher, dass Ihre Motivation schnell steigt, wenn Sie die Ergebnisse auf dem Teller sehen und die wohltuende Wirkung auf den Körper erleben.
Wie dieses Buch zu gebrauchen ist
Vor allem sollen Sie Spaß an diesem Buch haben und sich zu jeder Nahrungsaufnahme beglückwünschen, ob die Portion nun groß oder klein ist. Wahrscheinlich wird es Tage geben, an denen selbst ein paar Schlucke Brühe eine Leistung sind. Aber auch darüber sollten Sie sich freuen. Schimpfen Sie nicht mit sich selbst, wenn Sie Mahlzeiten auslassen. Wenn Sie sich aufs Positive konzentrieren, bleibt Ihr gesundes Verhältnis zum Essen auch während einer Therapie erhalten bzw. baut sich von selbst wieder auf.
Stellen Sie sich dieses Buch als Werkzeugkiste voller toller Ideen vor, die Sie mit einem Minimum an Küchenaufwand zum Essen motiviert. Die Werkzeuge eröffnen Ihnen Wege, mit Problemen umzugehen, die häufig während eines Therapiezyklus oder in der Regenerationsphase auftreten können.
Kapitel 1: Die Toolbox gegen Krebs gibt eine Übersicht über fantastische Lebensmittel, tolle Rezepte, clevere Mahlzeitenplanung und Küchentechniken. Die Gerichte bzw. die darin enthaltenen Vitalstoffe können Nebenwirkungen lindern, den Appetit anregen, die Abwehrkräfte steigern und den Geschmackssinn aufgrund gestörter Geschmacksrezeptoren, eine häufige Folge von Krebstherapien, korrigieren (beachten Sie dazu besonders das von mir als »FASS« bezeichnete Werkzeug auf Seite 30; es umfasst vier gängige Zutaten aus dem Vorratsschrank, mit denen sich Gerichte geschmacklich korrigieren bzw. intensivieren lassen).
In der Toolbox finden Sie außerdem Vorschläge dazu, was Sie vor, während und nach einer Chemotherapie essen können, ebenso wie Methoden, wie Sie auch an Tagen, an denen Sie überhaupt keinen Appetit haben, zu einem Maximum an Nährstoffen kommen. Daneben gibt es einen einfachen Fragebogen, mit dem sich kulinarische Vorlieben herausfinden lassen. Krebstherapien...