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E-Book

Das Lied des Jadedrachen

Akupunkturrezepte aus dem alten China

AutorJanka Regenfelder
VerlagBooks on Demand
Erscheinungsjahr2017
Seitenanzahl148 Seiten
ISBN9783744852869
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis9,49 EUR
Das Lied des Jadedrachen ist ein alter chinesischer Text über die Kunst der Akupunktur. Praktiker der Chinesischen Medizin finden hier eine Vielzahl von Behandlungstipps, insbesondere für die Akupunktur. Die Übersetzung des klassischen Textes wird ergänzt durch Verknüpfungen mit modernen Texten zur TCM und ein Verzeichnis der beschriebenen Krankheitsbilder und Akupunkturpunkte.

Janka Regenfelder ist Heilpraktikerin und Sinologin. Zusammen mit ihrem Mann betreibt sie eine Naturheilpraxis in der Nähe von Salzburg.

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Leseprobe

Historische und andere Hintergründe


Yu Long Ge (das Lied des Jadedrachen) wurde im Jahre 1329 zusammen mit Yu Long Fu (die Ode des Jadedrachen) und Yu Long Jing (der Klassiker des Jadedrachen) von dem Autor Wang Guorui fertig gestellt. Dies bedeutet, dass alle drei Werke zur Zeit der Yuan-Dynastie entstanden, d.h. in einer Periode der Vorherrschaft mongolischer Herrscher über die Han-Chinesen.

Die Yuan-Dynastie wurde durch die Einnahme Beijings von Kublai Khan begründet, einem Nachfahre Dschingis Khans. Sie währte von ca. 1271 bis 1368, das Lied des Jadedrachens entstand also zu einer Zeit, als die verhältnismäßig kurze Yuan-Dynastie in ihrer Blüte stand.

Wie der Autor Wang Guorui schreibt, geht das Lied des Jadedrachens auf eine Überlieferung der Yang-Familie aus der Song-Dynastie zurück. Das Lied, ebenso der Klassiker und die Ode sind also Versuche, hanchinesisches Kulturgut zu bewahren und bislang nur mündlich überliefertes altes Wissen aufzuschreiben. Der Grund, warum gerade in der Yuan-Dynastie die chinesische Medizin eine neue Blüte erlebte, besteht auch in der kulturellen Unterdrückung der chinesischstämmigen Bevölkerung durch die mongolische Herrscherklasse.

Das neue Klassensystem konnte den Gebildeten chinesischer Abstammung durchaus das Gefühl geben, dass ihre Kultur bedroht war. Es bestand aus vier Klassen:

  • Erste Klasse: bestand nur aus Angehörigen des mongolischen Volkes
  • Zweite Klasse: bestand aus Semuren (Angehörige zentral- oder vorderasiatischer Völker (Araber, Tibeter, Uiguren, Türken u.a.))
  • Dritte Klasse: bestand aus „Chinesen“ (nur Nordchinesen und andere mit den Mongolen verwandte Völker)
  • Vierte Klasse: bestand aus den „Südbarbaren“ (Manzi), das war die Mehrheit der Chinesen aus dem südlichen Song-Reich

Die ersten beiden Klassen hatten alleinigen Zugang zu den höheren Ämtern und zu Regierungstätigkeiten. Sie waren von Steuern befreit. Die dritte und vierte Klasse trug die gesamte Steuerlast, hatte keinen Zugang zu höheren Ämtern und war politisch machtlos. Die früheren Standesunterschiede unter ihnen wurden in dem neuen Klassensystem nicht berücksichtigt.

Dies war das Reich, das Marco Polo kennenlernte, als er nach China kam, und das ganz Europa in Staunen und Begeisterung versetzte. Was er nicht sah war, dass die chinesische Kultur in der Yuan-Dynastie einen Verfall erlebte, auch wenn unter Kublai Khan Städte und Verkehrswege, der Kaiserkanal und Handelsbeziehungen ausgebaut wurden.

Vor diesem Hintergrund erscheinen die Begründer der chinesischen Medizin–Schulen als Bewahrer ihrer Traditionen. Es sind vor allem vier Schulen, die heute noch in der chinesischen Medizin eine große Rolle spielen:

Liu Wansu begründete die „Schule der Kühlung“. Diese bezieht sich auf Kräutermedizin.

Zhang Congzheng begründete die „Schule der Purgierung“, die auf Ausleitung von Pathogenen abzielt.

Li Dongyuan begründete die „Schule der Mitte-Stärkung“, die wie ihr Name sagt, davon ausgeht, dass Krankheiten durch Stärkung der Wandlungsphase Erde geheilt werden können.

Zhu Danxi begründete die Schule der Yin-Nährung.

Das Lied des Jadedrachens ist meiner Ansicht nach keiner dieser Schulen zuzurechnen, vielmehr könnte man es als eine Mischung von Erde-Tonisierung, Yin-Stärkung und Purgierung bezeichnen. Es scheint sich hauptsächlich auf Krankheiten des einfachen Volkes zu beziehen, denn nur dieses war starken äußeren Pathogenen bei der Feldarbeit ausgesetzt. Das Lied des Jadedrachen beschreibt viele Stauungssyndrome der Leitbahnen durch eingedrungene Pathogene, die nur durch lang anhaltendes Arbeiten auf dem Feld oder ähnlichem entstehen können. Insbesondere zeigt die Beschreibung von „Grasschuh-Wind“ (ein Wind-Pathogen, das durch einfachste Sandalen eindringt), dass hier Krankheiten der Landbevölkerung beschrieben werden.

Andererseits gibt es natürlich innere Störungen; Shen-Geist-Störungen, Organ-Muster, die bei allen Menschen vorkommen und keinen Rückschluss auf eine bestimmte Gesellschafsschicht zulassen. Auch diese werden von Jadedrachen beschrieben.

Am Anfang des Liedes schreibt der Verfasser, Bian Que habe ihm dieses Lied gegeben. Dieses Verfahren ist bis heute in chinesischen Texten üblich: niemals hat man selbst etwas entdeckt, immer ist es eine anerkannte Persönlichkeit aus der (fernen) Vergangenheit, der alle Erkenntnisse zugeschrieben werden. Bian Que ist derselbe Arzt, dem auch die Urheberschaft des „Nanjing“ zugeschrieben wird. Ob er tatsächlich gelebt hat, ist ungewiss, vielleicht ist er auch aus verschiedenen Persönlichkeiten zusammengesetzt worden. Über ihn kursieren zahlreiche Geschichten.

Einmal kam Bian Que in das Königreich Qi als reisender Arzt. Als er vor den König trat, sah Bian Que dessen Gesichtsfarbe Er sagte zum König: „Ihr habt eine Krankheit. Sie ist auf der Ebene der Haut.“ Der König aber wollte davon nichts wissen. Als Bian Que den König wieder sah, sagte er zu ihm: „Eure Krankheit ist nun auf der Ebene des Blutes. Wenn sie nicht behandelt wird, wird sie schlimmer werden.“ Der König aber wollte wieder nichts davon hören. Als Bian Que den König das nächste Mal sah, sprach er kein einziges Wort, er ging einfach weg. Der König, dem das merkwürdig vorkam, hielt Bian Que zurück: „Warum gehst du?“ Da erklärte Bian Que: „Wenn eine Krankheit auf der Ebene der Haut ist, kann sie mit heißen Kompressen kuriert werden. Wenn eine Krankheit in Blut und Leitbahnen eingedrungen ist, kann sie mit Akupunktur und Moxibustion kuriert werden. Wenn eine Krankheit in Magen und Milz eingedrungen ist, kann sie durch Tee aus Heilkräutern kuriert werden. Doch König; Eure Krankheit ist bereits bis ins Knochenmark abgesunken, sie kann nicht mehr kuriert werden.“

Nach einigen Tagen wurde der König tatsächlich krank. Jemand wurde ausgeschickt, um nach Bian Que zu rufen, doch der hatte bereits das Königreich verlassen. Kurz danach starb der König.

Jedoch hat nicht einmal Bian Que selbst die Methoden des Liedes entwickelt, sondern die legendäre Gestalt Jadedrachen tat dies. Wie Bian Que ist auch „Jadedrachen“ eine sagenhafte Gestalt, auch über ihn gibt es viele Volksmythen, jedoch ist er im Unterschied zu Bian Que mit Sicherheit kein Mensch.

Vielleicht ist Jadedrachen eine der Gestalten, die den göttlichen Ursprung des Wissens über chinesische Medizin nahe legen. Denn genau weiß man nicht, wie das Wissen über Medizin (und andere Techniken wie z.B. Wasserregulierung) vor vielen tausend Jahren zu den Chinesen kam, und in der chinesischen Geschichte sind die ersten Kaiser sagenhafte Gestalten mit einem Mandat des Himmels. Sie sind Gottkaiser.

Die folgende Geschichte zeigt Jadedrachen als Befreier und Märthyrer. Darin liegt eine andere mögliche Bedeutung des Jadedrachen. Der Autor Wang Guorui könnte mit einer bekannten Figur, die als Befreier von grausamer Unterdrückung gilt, auf die politische Unterdrückung seiner Klasse anspielen.

Am wahrscheinlichsten ist es, dass - wie auch heute noch in der chinesischen Kultur üblich - ein ganzes Feld von Anspielungen und alten Geschichten zu Jadedrachen existiert, dass dann von einem Autor zu einem bestimmten historischen Zeitpunkt bewusst eingesetzt wird, um seine Haltung deutlich zu machen.

Vor vielen tausend Jahren litt das chinesische Volk unter einer himmlischen Strafe für seine Ungehorsamkeit. Der himmlische Herrscher verfügte, dass es für viele Monate keinen Regen geben solle. Das Getreide verdorrte, die Menschen litten Hunger, aber der Himmlische Herrscher kannte keine Gnade.

Jadedrachen war der Hüter der Milchstraße. Er konnte nicht mit ansehen, wie die Menschen litten und so nahm er das himmlische Wasser der Milchstraße und verteilte es als Regen auf die Erde. Als der himmlische Herrscher von Jadedrachens Tun erfuhr, sperrte er ihn in das Innere eines großen Berges. Dabei sprach er: „Er wird nicht in den Himmel zurückkehren bis die goldenen Bohnen blühen.“

Die Menschen versuchten alles, um Jadedrachen zu befreien, aber sie konnten es nicht. Die Jahre vergingen, aber die Menschen vergaßen nicht Jadedrachen, der im Inneren des Berges eingesperrt leben musste, weil er versucht hatte, ihnen zu helfen. Eines Tages bemerkten einige Bauern, dass die Sojabohnen in der Sonnen glitzerten. Eine Idee verbreitete sich nun in Windeseile von Hof zu Hof und Dorf zu Dorf: Jede Familie röstete ihre Ernte von Sojabohnen.

Bald darauf bemerkte der himmlische Herrscher, dass das Land mit golden glitzernden Bohnen bedeckt war. Er dachte, die Bohnen hätten angefangen zu blühen und befreite Jadedrachen aus dem Berg.

Jadedrachen aber vergaß niemals, dass die Menschen ihm geholfen hatten und ließ es wieder von der Milchstraße herabregnen. Dies trug sich im Frühling zu, wenn der Regen wertvoller als Gold für die Bauern ist.

Seit dieser Zeit rösten die Menschen zur Zeit des zweiten Tages im zweiten Mondmonat jeden Jahres...

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