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E-Book

Das Problem der Neurowissenschaften mit dem freien Willen

AutorPatrick Feldmann
Verlagdiplom.de
Erscheinungsjahr2010
Seitenanzahl241 Seiten
ISBN9783842807983
FormatPDF
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis38,00 EUR
Einleitung: Darstellung der Ausgangsproblematik der neueren durch die Neurowissenschaften aufgeworfenen Fragestellung um den freien Willen: Die Problematik einer Diskussion um den freien Willen ist eines der großen Themen der Philosophie des Geistes des christlichen Abendlandes, die wesentlich durch den christlichen Begriff der Person als Ermächtigter und Handelnder in die Philosophie getragen wurde. Es verwundert daher nicht, dass die wesentlichen Positionen bereits früh, theologisch initiiert, verhandelt wurden. Die aktuelle neuere Diskussion wurde im deutschsprachigen Raum durch die Experimente B. Libets aus den 1980-er Jahren angestoßen. Provokant wurden die Ergebnisse von der einen Seite als empirische Widerlegung des freien Willens interpretiert, wohingegen die andere Seite konzeptionelle Mängel im Experimental- Aufbau wie der Fragestellung überhaupt monierte. Die dabei geführte Auseinandersetzung um den freien Willen steht in einer langen Tradition. Diese beginnt im Frühmittelalter und ist bis in die Scholastik vor allem ein theologischer Diskurs. Erst ab der zweiten Aufklärung wird aus diesem Diskurs eine zunehmend weltanschaulich geführte Auseinandersetzung, die dem Prozess der Naturalisierung des Menschen parallel läuft. Durch Libet und die nachfolgenden Experimente wurde dieser Streit neu entfacht. Nach der vorläufig noch in der offiziellen Diskussion vertretenen Position scheinen die rezenten neurowissenschaftlichen Erkenntnisse die Willensfreiheit nicht nur in Frage zu stellen, sondern das Konzept eines Menschen, der sich als Verantwortlicher qua seiner Fähigkeit frei zu handeln erfährt, ad absurdum zu führen. Federführend ist hier vor allem ein in einem monistischen Materialismus gründender Inkompatibilismus, der oft als zwingende ontologische Folgerung aus der eigentlich epistemisch Unternehmung des empirischen Wissenschafts- Konzept dargestellt wird. Diese Problematik exponiert sich zuvorderst im Konflikt um Determination vs. Freiheit, aus der heraus die Positionen des Kompatibilismus oder des Inkompatibilismus vertreten werden. Eigentlich ist das zur Frage Stehende aber weitergreifender, denn mit der Freiheit geht die Subjektposition verloren und der Wert von Bewusstsein wird fraglich. [...]

Patrick Feldmann, geb.1962, wuchs in Griechenland und im Ruhrgebiet/Dortmund auf. 1981-1983 Studium der Architektur und Bildhauerei (TU Braunschweig/ Kunstakademie Stuttgart); 1983-1989 Studium der Humanmedizin, Facharzt in Allgemeinmedizin. 2011 MA Philosophie (FU Hagen). Arbeit als freischaffender Bildhauer und Arzt.

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Leseprobe
Textprobe: Kapitel II.B.2, ROTH: Wir sind determiniert, die Hirnforschung befreit von Illusionen: Nachdem einerseits Singer nun doch recht ausführlich befragt wurde und auf manches, was dort besprochen wurde, hier zurückgegriffen werden kann, sowie andererseits Roths Positionierung auch im Zusammenhang der naturalistischen Willenstheorie von Pauen- Roth problematisiert wird, soll Roth in diesem Kapitel möglichst pointiert erfasst werden. Hierbei soll die Überschrift einer Arbeit Roths als Leitmotiv dienen. Demnach wird (a) der Gedanke der Determination verfolgt und (b) der Befreiungsanspruch Roths thematisiert werden. In einem dritten Schritt (c) soll das Rothsche Resultat, ein Wille ohne Freiheit, und zuletzt (d) die von Roth daraus postulierten Konsequenzen im Zusammenhang mit einer gestrafften Gesamtkritik erörtert werden. II.B.2.a, Wir sind determiniert: Roth setzt die Determination der Freiheit entgegen als Wirklichkeitskategorien auf gleicher Ebene und postuliert eine empirische Überprüfbarkeit der Freiheit als wirksame Kraft. So kann Freiheit nur Unbestimmtheit, bzw. Zufall sein. Zufall aber wiederum könne keine Bestimmung von Handeln sein, das man sich als Handelnder zuschreiben könne. Roth konstruiert dazu zwei Behauptungsquellen: (a) eine ‘traditionelle’ Auffassung der Willensfreiheit, die er einerseits mit Kant identifiziert, der er aber andererseits vorwirft, dass sie sich zu sehr auf das ‘Gefühl’ der Selbstverursachung stütze (Kant aber wendet sich gerade von empirischen Dingen wie den Gefühlen als Bestimmungsgrund des Sollens und damit als Begründung der Freiheit ab!), diese Position identifiziert er zudem mit dem cartesischen, also ontologischen, Dualismus (auch diese Position entspricht nicht Kant, den man besser als Aspekte- Dualist auffasst. Wäre er ontologischer Dualist, er wäre bei der vierten Antinomie stehengeblieben!) (b) Als zweite Quelle stellt Roth die empirische Hirnforschung in den Zeugenstand. Diese weise mit ihren empirischen Methoden nach, dass alle Prozesse vom atomaren Bereich bis zu denen in neuronalen Netzstrukturen deterministisch ablaufen und sich keine indeterministische Lücke aufweisen lasse. Dies müsse aber, so Roth, der Fall sein, wenn ein dem Determinismus entgegengesetztes Prinzip (nota bene!) wie die Freiheit eingreife. Da die Freiheit aber empirisch nicht nachweisbar sei, gebe es keine Freiheit des Willens, sondern sie sei ein neuronales Konstrukt im projektiven Abgleich der Handlungsplanung mit den Real-Verhältnissen. Wirklich entscheidend sei das emotionale Handlungsgedächtnis des limbischen Systems, das durch eine Freischaltung der Basalganglien die motorische Aktion ermögliche. Wenn jemand davon spricht, dass wir determiniert sind, so ist es natürlich von erheblicher Konsequenz, ob damit eine epistemologisch methodische Determination gemeint ist, die die Bestimmtheit des Geschehens nur als Grundlegung seiner Erkennbarkeit versteht, oder ob darüber hinaus eine ontologische Determination zum Ausdruck kommen soll. Wo also lässt sich Roth verorten? Ganz eindeutig zu beantworten ist dies nicht, denn bspw. gegen den Vorwurf Habermas`, dass er, Roth, einen Reduktionismus vertrete, wehrt er sich vehement. II.B.2.a.1, Meint Roth eine methodische oder eine ontologische Determination? Wenn Roth sagt, "Wir sind determiniert" und nicht wir erscheinen uns als determiniert, so ist das ein deutlicher Hinweis auf eine ontologische Intention der Aussage. An anderer Stelle konkretisiert er dies als universalen Zusammenhang, indem er so etwas wie einen Kausaldeterminismus des Weltgeschehens argumentiert und damit in die Nähe eines Laplaceschen Determinismus rückt. Der dieser These immanente infinite Regress, sichtbar in der Frage nach der ersten Ursache und der letzten Wirkung wird von Roth dabei allerdings nicht problematisiert, denn er verwiese ja damit auf eine metaphysische Grundproblematik dieses vermeintlich metaphysikfreien Ansatzes. Anders als Laplace weiß er aber den Begriff des Determinismus vom Begriff der Vorhersagbarkeit zu trennen und entrinnt damit dem Dilemma um den Laplaceschen Dämon. Über die Problematik der Konfundation der prinzipiell verschiedenen Modelle von Determination und Kausalzusammenhang, die im Begriff der Kausaldetermination evoziert wird, wurde schon unter I.C.1.a.1 gesprochen. II.B.2.a.2, Von der ontologischen Determination zum ontologischen Reduktionismus: Der Modus einer ontologischen Determination im Kontext einer empirischen Naturwissenschaft basiert zwangsläufig auf einem materialistischen Monismus. Wenn man aber diesen materialistischen Monismus als unausgesprochene Grundlage des Rothschen Denkens annimmt, wie soll dieser dann ohne einen ontologischen Reduktionismus auskommen? Genau den Vorwurf eines Reduktionismus (in Bezug auf Gründe- Ursachen, Geist- Körper), den Habermas gegenüber Roth in der Debatte um die Willensfreiheit diagnostiziert, weist Roth aber vehement zurück. Außerdem problematisiert er selbst die Frage, ob wir Maschinen seien, wenn denn alles determiniert sei. Und er verneint. Roth argumentiert, dass zwar ‘in unserem Gehirn’ alles ‘deterministisch’ ablaufe und kein Wille als Verstoß gegen diesen Determinismus vorliege, aber es gebe eine ‘Fähigkeit zur Selbstbewertung’, zur erfahrungsgeleiteten Selbststeuerung’. Kurz, es sei die ‘Autonomie’, die uns unterscheide von Maschinen. Roth führt hier zwei unterschiedliche Prinzipien als Unterscheidung zwischen Mensch und Maschine ins Feld: (a) die Lernfähigkeit und die Fähigkeit zur Selbst-Steuerung, (b) das normative Prinzip der Selbst-Bewertung. Lernfähige, selbstregulierende Maschinen sind ein heute häufig schon gelöstes kybernetisches Problem und daher kein Unterscheidungskriterium zwischen Mensch und Maschine mehr. Die Fähigkeit des Normativen stellt in der Tat aber eine physikalisch nicht intrinsische Fähigkeit dar, die sich allerdings in der Argumentation Roths nicht für, sondern gegen ihn stellt. Denn indem er alles Geschehen als ontologisch determiniert kennzeichnet, physikalisiert er es und macht das empirisch- Faktische zum einzigen Existenzprinzip. Die Erklärung aber, wie er aber aus diesem Empirischen ein Normatives herleiten will, bleibt er nicht ohne Grund schuldig, denn das ist ja eben das Normativitätsproblem eines ontologischen Naturalismus. Roth dürfte, um in seiner eigenen Argumentation zu bleiben, eben nicht auf Normativität rekurrieren! Dann aber, und das gilt es festzuhalten, ist der Mensch im Rothschen Argumentationskontext eben nicht(!) von der Maschine trennbar. Und wenn hierdurch eines Kraft gewinnt, so ist es eben der Reduktionismusvorwurf Roth gegenüber!
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