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Das qualifizierte Zeugnis

Der Grundsatz der Wahrheitspflicht und der Beurteilungsspielraum

AutorSirko Archut
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2013
Seitenanzahl127 Seiten
ISBN9783656496861
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis29,99 EUR
Masterarbeit aus dem Jahr 2013 im Fachbereich Jura - Zivilrecht / Arbeitsrecht, Note: 1,7, DIPLOMA Private Hochschulgesellschaft mbH (Recht), Veranstaltung: LL.M. Wirtschaftsrecht mit internationalen Aspekten, Sprache: Deutsch, Abstract: Die Geschichte des qualifizierten Zeugnisses ist die Geschichte eines Schriftstücks, welches in den ursprünglichen Anfängen seines Aufkommens schon vor Hunderten von Jahren zunächst Auskunft über die Lauterkeit und geleistete Arbeit eines für eine bestimmte Zeit für einen anderen zur Arbeit Verpflichteten gab beziehungsweise geben sollte. Es kann daher aus heutiger Sicht hinsichtlich seines Ursprungs schon auf eine lang andauernde Tradition verweisen. So gab es nachweislich die ersten Zeugnisse bereits in der frühen Neuzeit, welche ihrerseits vornehmlich im Handwerk und im Gesindewesen ausgestellt wurden. Hintergrund dafür war, dass erstmals so genannte Gesindezeugnisse mit der Gesindeordnung von Hildesheim verlangt und sodann im Jahre 1530 mit der Reichspolizeiordnung sogenannte Atteste für ein ordnungsgerechtes Ausscheiden des Gesindes eingeführt wurden, wobei es den Dienstherren bei Geldstrafe verboten war, Knechte ohne entsprechendes Zeugnis zu beschäftigen. Das sogenannte Gesindedienstbuch, in dem sodann nach Beendigung eines Beschäftigungsverhältnisses von Seiten des Dienstherrn schon vollständig in qualifizierter Weise Zeugnis über die Führung und das Benehmen des Beschäftigten einzutragen war, wurde im Jahre 1846 in Preußen eingeführt. Im Jahre 1869 wurde mit der Gewerbeordnung der Zeugniszwang abgeschafft. Im Gegenzug erhielten die Arbeiter nun erstmals einen Anspruch dahin gehend, ein sogenanntes qualifiziertes Zeugnis verlangen zu können, welches sich auf die Führung und spätestens seit 1891 auf die Leistung erstrecken konnte. Mit dem Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuches am 01.01.1900 im damaligen Deutschen Kaiserreich, welches neben vielen Regelungen des Privatrechts auch Normen mit arbeitsrechtlichem Hintergrund wie Kündigungsfristen oder aber Formvorschriften für arbeitsrechtliche Kündigungen beinhaltete, wurde auch ein Anspruch auf Erstellung eines Zeugnisses gesetzlich geregelt, welcher seinem Sinn und Zweck nach auch Arbeitszeugnisse mit einschließt.[...]

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Leseprobe

VI. Zeugnisanforderungen/Einheitliches Zeugnisrecht


 

Obwohl, wie schon festgestellt, die Paragraphen 630 BGB und 109 GewO unterschiedliche Anwendungsbereiche haben und weiterhin auch in ihrem Wortlaut unterschiedlich sind, wird insgesamt ein einheitliches Zeugnisrecht angenommen[93]. Dabei ist der § 109 GewO n. F. als sprachlich modernere Version der §§ 630 BGB und 113 GewO a. F. zu verstehen[94]. Letztlich soll, da die Zwecke der Normen kongruent sind, aus unbeträchtlichen Divergenzen in deren Formulierungen nicht darauf zu schließen sein, dass diese etwa substanzielle Unterschiede ausmachten[95].

 

1. Materielle Anforderungen


 

a) Das einfache Zeugnis[96]


 

Bei einem einfachen Zeugnis werden gemäß § 630 S. 1 BGB und § 109 I S. 2 GewO ausschließlich die Art und die Dauer der jeweiligen Tätigkeit bestätigt. Dabei muss es eine genaue und vor allem vollständige Tätigkeitsbeschreibung zum Inhalt haben[97]. Dies bezieht sich auf sämtliche Tätigkeiten bzw. Aufgaben, welche ein Urteil über Leistungsfähigkeit respektive Kenntnisse erlauben[98]. Aufzuführen sind die Tätigkeiten nach chronologischem Ablauf[99]. Weiterhin sind etwaige Verantwortung sowie Kompetenzen im Fortgang der Beschäftigung beim Unternehmen so exakt und vollständig darzulegen[100], dass es in der Nachschau einem Dritten möglich ist, sich darüber ein Bild machen zu können[101].

 

Hierbei kann zwar auf eine Beschreibung der Stelle zurückgegriffen werden[102]. Eine Bezeichnung der allgemeinen Funktion als beispielsweise Sekretärin oder Sachbearbeiter und weiterhin die alleinige Angabe der Entgeltgruppe reichen jedoch nicht aus[103].

 

aa) Aufzunehmender Inhalt im Einzelnen

 

In einem Arbeitszeugnis in Gestalt eines einfachen ausgestellten Zeugnisses werden lediglich nur reine Fakten dokumentiert[104]. Die Folge davon ist, dass bei dieser Art von Zeugnissen kaum Platz für Bewertungen besteht und daher aufgrund des begrenzten Beurteilungsspielraums das einfache Zeugnis über Art und Dauer der Beschäftigung hinaus keinen bewertenden Charakter hat[105]. Der aufzunehmende Inhalt beschränkt sich auf die Angabe des Namens, die Art der Dienstleistung und Dauer, womit die zeitliche Dauer gemeint ist[106]. Dabei richtet sich die anzugebende Dauer grundsätzlich nach dem jeweilig rechtlichen Bestand eines Arbeitsverhältnisses, wobei auch Zeiten zum Beispiel einer erzwungenen Weiterbeschäftigung mit einzubeziehen sind[107]. Weiterhin können in einem Arbeitszeugnis lediglich solche Tätigkeiten unerwähnt bleiben, welchen im Hinblick auf spätere Bewerbungen des jeweiligen Arbeitnehmers keinerlei Bedeutung zukommt[108]. Andererseits genügen nur allgemein gehaltene Angaben nicht, sofern der Beschäftigte auch mit Sonderaufgaben betraut wurde[109]. So sind neben den Beschreibungen der ausgeführten Tätigkeiten sowie des Arbeitsplatzes auch etwaige Leitungsbefugnisse bzw. Vertretungsbefugnisse wie etwa eine erteilte Prokura zu erwähnen[110]. Ferner sind, soweit der Arbeitnehmer im jeweiligen Betrieb in mehreren Bereichen tätig gewesen ist, jede einzelne dieser Tätigkeiten in einem einheitlichen Arbeitszeugnis zusammenzufassen[111]. Auch Eingruppierungen in die jeweiligen Tarifgruppen können erwähnt werden, da diese Auskunft über Wertigkeit der jeweiligen Tätigkeit gibt[112]. Längere Unterbrechungen jedoch, wie sie bei Erziehungsurlaub oder sehr langer Krankheit vorkommen, sollen hinsichtlich des Grundsatzes der Zeugniswahrheit angegeben werden[113]. Dies gilt ebenso für die Elternzeit, insoweit es bei der jeweiligen Tätigkeit auf aktuell-technische Kenntnisse oder gar besonderes Erfahrungswissen ankäme[114]. Darüber hinaus sind Teilnahmen an Fortbildungen in einem Zeugnis nur dann aufzunehmen, soweit diese für die etwaige berufliche Entwicklung des Beschäftigten bedeutend waren und ferner sich die mit ihrem Besuch erreichte Qualifikation weiterhin nicht schon in der jeweiligen Tätigkeitsbeschreibung niederschlagen würde. Dies wäre zum Beispiel dann der Fall, wenn die Fortbildung unmittelbar kurz vor Ausscheiden des Beschäftigten aus dem jeweiligen Betrieb erfolgte[115].

 

bb) Nicht aufzunehmender Inhalt im Einzelnen

 

In einem Zeugnis nicht aufzunehmender Inhalt sind beispielsweise kürzere Unterbrechungen wie Urlaub oder Krankheit. Darüber hinaus sind auch Streiktage in einem Arbeitszeugnis nicht zu berücksichtigen[116]. Weiterhin ist eine Freistellung durch Personalrats- oder Betriebsratstätigkeit nur mit dem Willen des jeweiligen Arbeitnehmers anzugeben[117]. Dies gilt ferner für die Mitgliedschaft in anderen Arbeitnehmervertretungen einschließlich der Mitwirkung im Aufsichtsrat. Auch darf eine ehrenamtliche Betätigung in der Regel nicht erwähnt werden[118]. Dies gilt auch für eine etwaige Gewerkschaftszugehörigkeit im Sinne des Art. 9 III GG. Allerdings kann bei längerer Freistellung zum Zwecke der Betriebsratstätigkeit eine Erwähnung der Freistellung im Hinblick auf die Wahrheitspflicht unvermeidlich und zulässig sein. Dies jedenfalls dann, wenn sie wiederum, wie oben erwähnt, zu einer zumindest längeren Unterbrechung der jeweiligen Tätigkeit führte und der Beschäftigte entsprechend den durchschnittlichen Anforderungen seines Berufs nicht mehr in der Lage wäre, seine Leistung ohne Weiteres zu erbringen[119]. Denn aus dem Zeugnis darf nicht der falsche Eindruck einer kontinuierlichen Arbeitsleistung und entsprechenden Berufserfahrung vermittelt werden, wenn diese gleich aus welchem Grund längere Zeit unterbrochen war[120]. Würde andernfalls für die Dauer einer Freistellung im Arbeitszeugnis keine Angabe eines rechtfertigenden Grundes aufgeführt, so läge dies, aller Wahrscheinlichkeit nach, wohl in keinem Interesse eines jedweden Arbeitnehmers[121]. Gründe für die Beendigung des jeweiligen Beschäftigungsverhältnisses[122], sofern keine fristlose arbeitgeberseitige Kündigung bezüglich schwerwiegender Vertragsverletzungen vorliegt[123], und darüber hinaus die Höhe des Verdienstes, sind ebenfalls nicht anzugeben[124]. Anders sähe es jedoch aus, sofern der Arbeitnehmer eine diesbezügliche Angabe verlangen würde[125]. Dies könnte beispielsweise der Fall sein, wenn wegen der Ungewöhnlichkeit des jeweiligen Beendigungszeitpunktes der Verdacht des Vorliegens einer fristlosen Entlassung aufkommen könnte[126], obgleich ein Aufhebungsvertrag vorläge[127]. Soweit im Zusammenhang mit einer Auflösung eines Vertrages mit einem Beschäftigten Veränderungen einseitig oder aber einvernehmlich vorgenommen wurden, so sind solche nicht in einem Zeugnis aufzuführen[128]. Überdies darf in einem Zeugnis zu keinem der folgenden Punkte etwas ausgeführt werden[129]:

 

Abmahnungen

 

Alkoholabhängigkeit

 

Drogenmissbrauch

 

Parteizugehörigkeit

 

Religiöses Engagement

 

Nebentätigkeiten

 

Vorstrafen

 

Mutterschutz, Schwangerschaft

 

Privatangelegenheiten (Sexuelle Ausrichtung usw.)

 

Allerdings gelten unter bestimmten Voraussetzungen zu den Punkten Alkoholabhängigkeit[130], Drogenmissbrauch[131] und Vorstrafen[132] auch Ausnahmen.

 

b) Das qualifizierte Zeugnis[133] (Theoretische Grundsätze)


 

Inhaltlich gelten für das Zeugnis in Gestalt des qualifizierten Arbeitszeugnisses zunächst dieselben Kriterien, welche oben zu den Punkten 1.aa) und 1.bb) ausgeführt wurden[134]. Überdies ist hinsichtlich des qualifizierten Zeugnisses, auf Verlangen des Dienstverpflichteten bzw. Arbeitnehmers, das Zeugnis über Angaben von Namen und Art der Dienstleistung sowie deren Dauer nach § 630 S. 2 BGB auf Führung und Leistung und nach § 109 I S.3 GewO für den Arbeitnehmer auf das Verhalten und die Leistung im jeweiligen Arbeits- bzw. Beschäftigtenverhältnis zu erstrecken[135].

 

Zu beachten gilt, dass der Begriff Führung lediglich die veraltete und noch verwendete Bezeichnung im Sinne des § 630 BGB für den Terminus Verhalten des § 109 GewO ist. Beide Begriffe sind bedeutungsgleich[136]. Ferner muss das qualifizierte Arbeitszeugnis jedoch noch weiteren Anforderungen entsprechen. Dabei sind als allgemeine Grundsätze die Einheitlichkeit des Arbeitszeugnisses, dessen Vollständigkeit sowie die Wahrheit anerkannt[137].

 

aa)...

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