„Die Postmoderne, wie sie im folgenden dargestellt wird, ist die Ära der Indifferenz.“[6]
Pluralität, Austauschbarkeit, Fragmentierung, Oberflächlichkeit, Ironie – Stichworte, denen man im Zusammenhang mit der Postmoderne häufig begegnet. Aber was genau bezeichnet der Begriff Postmoderne? Eine Epoche? Ein ästhetisches Phänomen? Eine Ideologie? Die inhärente Schwierigkeit der Definition des Begriffes spiegelt die heterogene Struktur der Postmoderne wider. Mal wird sie als ästhetische Reaktion auf politische Mechanismen bestimmt[7], mal als ideologisches Konstrukt[8], für andere mag sie lediglich als Element der narzisstischen Bestätigung von obsolet gewordenen Akademikern als Phantom in die Welt gesetzt worden sein[9]. Kein Definitionsansatz gleicht hier dem anderen; dennoch lassen sich zwei Fixpunkte in der Diskussion um die Postmoderne festmachen: zum einen spiegelt die Unstimmigkeit und radikale Pluralität der akademischen Meinungen das Wesen der Postmoderne als Austragungsort intellektueller, ästhetischer und politischer Debatten wider, das Homogenität und Vorhersehbarkeit leugnet[10]. Zum anderen suggeriert das Wort Post – Moderne, dass dieses Phänomen eine Liaison zur Epoche der Moderne aufweisen könnte.
Die Debatte um die Postmoderne wurde ursprünglich in den späten 1950er Jahren in Amerika in den akademischen Diskurs eingeführt, geprägt wurde der Begriff von den amerikanischen Literaturwissenschaftlern Harry Levin und Irving Howe zur Bezeichnung der Literatur nach dem zweiten Weltkrieg[11]. Die amerikanische Schriftstellerin und Essayistin Susan Sontag griff das Thema Mitte der 60er Jahre in den Intellektuellen – Kreisen New Yorks auf, und rückte die postmoderne Transgression der Grenzen zwischen Hoch– und Populärkultur in den Fokus ihrer Betrachtungen[12]; dieses Element der Postmoderne ist bis heute eine ihrer herausragendsten und am kontroversesten diskutierten Eigenschaften. Mitte der 70er Jahre wird die Postmoderne-Debatte durch den amerikanischen Architekturtheoretiker Charles Jencks nach Europa und auf die bildenden und visuellen Künsten, Architektur und Musik übertragen[13]. In Europa wird Ende der 70er Jahre die akademische Rezeption des Phänomens durch vor allem französische Philosophen wie Jean – François Lyotard, Jacques Derrida und Jean Baudrillard initiiert[14]. In Deutschland ist die Postmoderne – Debatte, die ab den 80ern Einzug erhält und zu diesem Zeitpunkt bereits in den USA längst akademisch etabliert ist, geprägt von einer dezidiert unakademischen Herangehensweise: der Widerstand im deutschen Universitätsumfeld gegen die etablierten akademischen und französischen Konzepte verlagert die Analyse der Postmoderne ins Feuilleton deutscher Tagesblätter und führte durch die überspitzte Darstellung der Massenmedien zu superfiziellen Vorurteilen, die erst in den 90er Jahren im wissenschaftlichen Diskurs abgebaut werden sollen[15]. Mike Sandbothe ordnet die Missverständnisse, die in der frühen deutschen Postmoderne – Debatte aufkamen, vier Analysebereichen zu: dem Epochenmissverständnis, dem Moderne – Missverständnis, dem anything – goes – Missverständnis und dem Kompensationsmissverständnis[16]. Das Epochenmissverständnis und das Modernemissverständnis haben ihren Ursprung in der Etymologie des Wortes Post - Moderne. Entgegen der herkömmlichen Bedeutung des Präfixes post-, das auf etwas Nach- folgendes hinweisen soll, ist die Postmoderne weder als „epochale Überbietung“[17] noch als „radikale Verabschiedung der Tradition“[18] der Moderne zu verstehen. Die Postmoderne ist keine Epoche, die die Moderne ersetzen oder ablösen will – denn gerade dieses teleologische Bestreben würde dem Ethos der Postmoderne, die Metanarrativen leugnen will[19], widersprechen. Gerade die Koexistenz von Gegensätzlichkeiten ist signifikant für die Post- moderne und führt zu einer synchronen und vielfältigen Zeitauffassung, die fernab eines totalisierenden Geschichtsempfindens liegt. Eine treffende Bestimmung des postmodernen Denkens lässt sich bei Jean – François Lyotard, dem bekanntesten Vertreter der philosophischen Postmoderne, finden. Dieser betrachtet die Postmoderne als radikalere moderne Denkweise und eine der Moderne innewohnende kritische Gegenbewegung[20].
Die Abschaffung einer totalisierenden Metanarrative eröffne einen Raum für die Pluralität der Sprache und ermögliche die Synthese widersprüchlicher Gegebenheiten und einer resultierenden Erweiterung der Wahrnehmung[21]. Weiterhin führt Lyotard an, dass es grundlegend falsch wäre, das Präfix post- als Zeichen einer Periodisierung zu sehen, da eine epochale Einteilung ein modernes oder gar klassisches Konzept wäre, das in der Postmoderne nicht mehr haltbar sei[22]. Die postmoderne Neuzeitkritik an Periodisierung und Totalisierung ergibt sich aus ihrer Leugnung der Aufklärung und des Logozentrismus: nach den Grausamkeiten des zweiten Weltkrieges scheint es unmöglich ein, das Subjekt als ein Wesen anzusehen, das seine Vernunftbegabung nicht zum Nachteil andere nutzen kann und will, somit werden die Errungenschaften der Aufklärung hinfällig und fast schon zynisch in der Postmoderne betrachtet[23]. Es gibt keine monolithische Vernunft, nur verschiedene Vorstellungen von vernünftigem Handeln, gemäß der Pluralität der Postmoderne. Dies stellt jedoch keinen Bruch mit der Logik der Moderne dar, da die Postmoderne immer im Hinblick auf die Moderne gedacht werden muss und „die Moderne […] konstitutiv und andauernd mit ihrer Postmoderne schwanger [geht]“[24]. Die Postmoderne als Intensivierung der Moderne ist jedoch am deutlichsten in der Franz – Fechner – Regel illustriert, die besagt, dass Moderne, Modernismus und Postmoderne zusammen gedeutet werden müssen[25]. Modernismus ist hier als die kritische Betrachtung der modernen Kunst – und Literaturformen zu verstehen, sprich eine der Moderne innewohnende Selbstkritik[26]. Dier Postmoderne kann demnach als die Steigerung des Modernismus gesehen werden, die aber nicht wie die Neuzeitkritik durch Kant, Nietzsche und Rousseau im 18. Und 19. Jahrhundert und die Avantgarde im 20. Jahrhundert existentielle, historische und politische Probleme mit ihrer Kritik erörtern will[27].
Ästhetisch lässt sich die Postmoderne ebenfalls als eine neuen Denkart der Moder- ne betrachten: die Merkmale der Moderne, wie die ästhetische Reflexivität, das Bevorzugen von Montage – und Collagetechniken gegenüber einer einheitlichen Narration, die kritische Hinterfragung der Realität und die Fragmentierung des Subjekts[28] lassen sich auch in den Topoi der Postmoderne wiederfinden: Pluralität der Stile und Lebensformen, die Ungläubigkeit an eine sinnstiftende Metaerzählung, das Auflösen des Subjekts und die Leugnung einer linearen Historizität[29]. Der Unterschied ist hier jedoch, dass der moderne Mensch angesichts der Brüche mit der Tradition, seiner neu empfundenen Abkopplung von der Geschichte und neuen Wahrnehmung in der Orientierungslosigkeit der Großstadt den- noch einen Sinn, einen Anker suchte[30]. Der postmoderne Mensch hat dieses Vorhaben je- doch aufgegeben, da die Welt keinen allgemeingültigen Sinn bieten kann; stattdessen feiert der postmoderne Mensch zynisch das, was der moderne Mensch noch lamentierte[31].
Das anything – goes – Missverständnis, das Sandbothe als nächstes anführt, ist ein Resultat aus der Synthese des Epochen - und Modernemissverständnisses: da die einzigen Anliegen der Postmoderne in der Überbietung und dem Missverstehen der Moderne als reine Epoche der Totalisierung liegen, muss die Postmoderne ein Phänomen der Beliebigkeit, Anarchie und Orientierungslosigkeit sein[32]. Dass dies nicht zutrifft, zeigen die bereits genannten Stilmerkmale der postmodernen Ästhetik. So wurde fälschlicherweise die post- moderne Pluralität von Meinungen und Stilen und Leugnung von Totalisierungen pejorativ als Beliebigkeit gewertet, und nicht als eine wahrheitsgetreuere Wahrnehmung der Realität: denn die Wirklichkeit ist chaotisch und komplex anstatt linear und fordert eine immer-währende Flexibilität des Denkens und Handelns, die im postmodernen Denken sensibilisiert werden soll[33].
Durch die Tatsache, dass die Postmoderne als beliebiges, frivoles Freizeitvergnügen ohne Substanz...