Das Gebiet der antiken Metropole Ephesus, im griechischen Sprachraum Ety£ooç/Ephesos und im türkischen Efes genannt, liegt rund 75 km südlich von Izmir, oder von Süden kommend, knapp 20 km nordöstlich von Kuçadasi entfernt bei der Stadt Selçuk. Selçuk war bis in osmanische Zeiten die Siedlung Ayasoluk, ein Name, der uns in der Geschichte von Ephesus noch öfters begegnen wird. Unter Atatürk erhielt die Siedlung schließlich ihren heutigen Namen.
Die Kreisstadt Selçuk ist Sitz des Verwaltungszentrums des Landkreises Selçuk und damit zuständig für die Erforschung und den Erhalt der in unmittelbarer Nachbarschaft gelegenen Ausgrabungsstätte von Ephesus. Durch den schon seit drei Jahrzehnten bestehenden Tourismus auf dem Ephesus-Areal erlebte die Stadt einen enormen Aufschwung. Zählte sie Ende der 1990er-Jahre noch 20 000 Einwohner (SCHERRER 1997), so war sie 2008 auf 28 500 Einwohner (TÜRK. AMT F. STATISTIK 2011) angewachsen, die Einwohnerzahl war damit um rund 40 % gestiegen. Selçuk erstreckt sich teilweise über das antike Ephesus, was die archäologische Erforschung auf unbebaute Flächen beschränkt.
Trotz der Einschränkungen konnte durch Ausgrabungen und geologische Untersuchungen ein recht lebhaftes Szenario der antiken Metropole Ephesus entworfen werden.
Die Bedeutung von Ephesus steht der von Troja in nichts nach, weshalb jeder an Archäologie und Kulturgeschichte Interessierte diesen früheren Siedlungsraum auf einer Exkursion erleben sollte. Im einstmals so herausragenden Ephesus hat sich, folgt man den Überlieferungen, eines der sieben Weltwunder der Antike befunden - der Artemis-Tempel.
Dieses versunkene Heiligtum und die zahlreichen archäologischen Funde sind umwoben von einem Hauch nach den Abenteuern eines Heinrich Schliemanns[1] und seiner Grabungstruppe und locken seit Jahren alle Arten von Altertumsinteressenten an.
Das Exkursionsangebot wird ebenfalls stark frequentiert, es kommen regelrechte Massen an Kreuzfahrttouristen, Backpacker, Familien oder Studenten, die Ephesus im Rahmen ihres Studiums erkunden sollen.
Wochentäglich rechnen die Veranstalter und das Führungspersonal heute mit etwa 3 000 Besuchern pro Tag, am Wochenende liegt die Besucherzahl noch höher, und so kommen jährlich, wie schon Ende der 1990er-Jahre von SCHERRER (1997) berichtet, zwischen 1,5 und 2 Mio. Personen in das Ausgrabungsareal. Apropos Ausgrabungsareal: Ephesus ist noch lange nicht erforscht. Archäologen gehen davon aus, dass erst etwa fünf Prozent der Gesamtfläche freigelegt wurden!
Die türkische Ägäis Küste ist ein Gebiet, welches auf Grund seiner klimatischen und landschaftlichen Bedingungen schon früh besiedelt wurde. Auch die geschützte Lage einer Meeresbucht war für die frühen Siedler von großer Bedeutung. Auch Ephesus lag in antiken Zeiten direkt am Meer in einer solchen Bucht.
Kennzeichnend für die Siedlung waren drei Erhebungen, der Bülbül Dag mit bis zu 358 m Höhe, der Panayir Dag mit rund 150 m ü. NN. und der rund 80 m hohe Ayasoluk. An den Hängen des Ayasoluk, die bis ans Meer reichten, setzte die spätere Stadtentwicklung ein. Erste Siedlungsspuren sind bereits für die Jungsteinzeit um 5000 v. Chr. nachgewiesen (vgl. LETZNER 2010: 9f.).
Die strategisch günstige Lage förderte Verkehr, Handel und Zuwanderung, sodass sich Ephesus zu einer wirtschaftlich und kulturell bedeutenden Metropole mit enormer Bedeutung für die Region entwickelte.
Ephesus entwickelte sich allerdings nicht kontinuierlich, sondern wies zunächst unterschiedliche Siedlungskerne mit unterschiedlichen Namen an der Küste und an den Hügeln auf, zudem wurden die Siedlungen mehrfach verlagert. In archaischer Zeit waren hierfür neben den unvermeidlichen politischen Scharmützeln und wirtschaftlichen Erfordernissen auch Erdbeben und Meeresspiegeländerungen mitverantwortlich.
Bei küstennahen Siedlungskernen konnte etwa ab dem ersten Jahrtausend v. Chr. ein Meeresspiegelanstieg von rund einem Meter belegt werden (SCHERRER 1997).
Eine kontinuierlichere Entwicklung erfuhr Ephesus ab dem 6. Jh. v. Chr., als sich die Stadt überwiegend in der Ebene entwickelte. Diesen prosperierenden Zeiten wurde jedoch im Laufe der folgenden Jahrhunderte durch weitere Erdbeben und vor allem durch die zunehmende Verlandung und Versumpfung des Hafens und schließlich der gesamten Bucht ein Ende gemacht. Das zur Großstadt herangewachsene Ephesus verlor nach und nach wieder an wirtschaftlicher und politischer Macht.
Ursache dieses Verlandungsprozesses waren die enormen Sedimenteinträge des Küçük Menderes, des kleinen Mäanders, und einiger aus dem Süden in die Bucht mündenden Flüsse. Bereits in der Antike führten die Ton- und Sandmassen des damals Kaystros genannten Küçük Menderes zu erheblicher Beeinträchtigung der Schifffahrt.
Der Fluss wurde unter Kaiser Hadrian im 2. Jh. n. Chr. durch einen Kanal begradigt, dessen Linie vom Küçük Menderes noch heute nachgezeichnet wird. Allerdings konnten alle Maßnahmen den Verlandungsprozess nicht verhinderten und die Küstenlinie verschob sich immer weiter nach Westen, sodass die direkte Anbindung der Stadt an einen Seehafen verloren ging. Begünstigt wurde die Verlandung durch Meeresströmungen, die zur Ausbildung von Nehrungen führten und ein Sedimentbecken schufen, das sich langsam aber sicher auffüllte und für die Schifffahrt ein zusätzliches Risiko durch Untiefen barg (vgl. LETZNER 2010: 9).
Ephesus liegt heute etwa 10 Kilometer landeinwärts. Zu besichtigen sind ein kleiner Teil der ausgegrabenen Ruinen, die bezeugen, welch glanzvolle Epoche die Stadt einst erlebte. Die untergegangene Metropole ist eine der touristischen Hauptattraktionen der Türkei, weshalb große Anstrengungen zur Sicherung und zum Erhalt des Kulturerbes unternommen werden, um die archäologischen Schätze einem internationalen Publikum weiterhin in geeigneter Form präsentieren zu können.
Bei erschwinglichen Eintrittspreisen ist es vorteilhaft einen ganzen Tag für Besichtigungen einzuplanen, damit eventuell noch ein Abstecher in das archäologische Museum in Selçuk gemacht werden kann, und sich einen Führer für das Ausgrabungsgelände zu nehmen.
Womit müssen Sie rechnen? Mit sehr großen Besucherströmen aller Nationen, einem bunten Vielvölkergewirr mit zahllosen aufgespannten Regenschirmen, die die Menschen vor der starken Sonneneinstrahlung schützen sollen. Merken Sie sich also gut, welches „Kennzeichen“ Ihr Führer hat. Wie man auf dem Ausgrabungsgelände sehen und auf Fragmenten von lateinischen Inschriften lesen kann, entstanden in römischer Zeit neben Wohnhäusern zahlreiche öffentliche Bauten und Tempel etwa zur Kaiserverehrung, die von der Stadt und reichen Bürgern finanziert wurden. Die Mehrzahl aller freigelegten Gebäude und Areale geben daher vor allem Aufschluss über das Leben zur Zeit der römischen Kaiser.
Im Rahmen dieses Buches können in Kapitel 4.2 mithin nur die wichtigsten, teilweise eindrucksvoll rekonstruierten Bauten der bislang freigelegten Anlagen bzw. erforschen Gebäude thematisiert werden, da die Ergebnisse der archäologischen Forschung in Ephesus mittlerweile ganze Bibliotheken füllen. Kapitel 4.3 nimmt abschließend noch Bezug auf den Beginn der Ausgrabungen Mitte des 19. Jahrhunderts und die Fortführung der Forschungstätigkeit unter Leitung des Österreichischen Archäologischen Instituts in Wien.
Hier und in jeder großen deutschen Bibliothek sind zahlreiche wissenschaftliche Arbeiten ausleihbar, der Vertiefung in die Geschichte von Ephesus sind also keine Grenzen gesetzt.
Die frühesten Siedlungsspuren reichen in das 5. Jtsd. v. Chr. zurück und zeugen von einer einheimischen Bevölkerung mit eigener Sprache und Kultur (LETZNER 2010: 10). Im Süden der einstmaligen Bucht, heute in der Nähe der Straße von Selçuk nach Aydin, wurde ein jungsteinzeitlicher Siedlungsplatz (Chalkolithikum) freigelegt.
Ein weiterer Siedlungsplatz aus der Bronzezeit Kleinasiens, zwischen 2800 - 800 v. Chr., fand sich am Ayasoluk. Funde, die in die zweite Hälfte des 2. Jahrtausends v. Chr. datieren, zeugen von einem in dieser Epoche hethitisch und mykenisch geprägten Kulturraum.
Mitte des 14. Jahrhunderts v. Chr. erwähnt ein Kriegsbericht des Hethiterkönigs Mursili II. die Einnahme der Stadt Apasa, Hauptstadt des Reiches Arzawa im Westen des Hethiter Gebietes. Es wird angenommen, dass der Ortsname Apasa eine Vorform von Ephesos ist (vgl. SCHERRER 1997).
Ebenfalls aus dem 14. Jh. v. Chr. stammt ein am Ayasoluk freigelegtes Grab mit zahlreichen Keramikbeigaben. Es ist das älteste der bislang entdeckten Gräber. Weitere Grabstätten der archaisch-klassischen Zeit fanden sich nahe Selçuk. Archäologen gehen...