3 Körpernavigator – warum 2019?
Tatsächlich weiß kein Mensch, was gesunde Ernährung sein soll. Nichtsdestotrotz sind viele von uns auf der Suche nach einer »gesunden Alternative« zu ihrer persönlichen Essweise, denn ein Abgleich der omnipräsenten Berichterstattung zu gesunder Ernährung mit dem eigenen Konsum suggeriert zumeist: »Sie essen ungesund – ändern Sie etwas, sonst werden Sie fett, krank und sterben früher!« Wer nun diesem Warnruf folgt, der steht prompt einer Phalanx von Ernährungsempfehlungen, -regeln und -ideologien gegenüber, die allesamt Gesundheit versprechen, jedoch jedes wissenschaftlichen Beweises entbehren.
Zehn Jahre nach Erscheinen meines ersten Buchs HUNGER & LUST im Jahr 2009 wird es nun Zeit für die »finale Tabula rasa« – die Zeit ist (über)reif für die endgültige Abrechnung mit einem System, das mehr einer Glaskugel, mehr einem Fake- als einem Faktenlieferanten gleicht. Denn in den 10er Jahren des neuen Jahrhunderts hat sich sukzessive bestätigt und bestärkt, was damals bereits klar im Visier zu sehen war: Der »Großdampfer MS Oecotrophologie« steuert wie seinerzeit die Titanic in »unnahbarem Größenwahn« seinem persönlichen Eisberg entgegen – und wenn kein radikaler Kurswechsel stattfindet, dann schlitzt das scharfe Eis (der fehlenden Evidenz) den Rumpf der »MS O« auf und das Schiff der gesunden Ernährung sinkt … und genau danach sieht es im Moment aus. Denn kein Ernährungskapitän ruft »Hart Backbord!« und reißt das Steuer herum Richtung Neo-Oecotrophologie (das unbekannte Neuland). Doch das soll Sie nicht weiter tangieren, weil Sie auf dem richtigen Weg in Ihre kulinarischen »Goldenen 20er Jahre« sind, denn:
»Dein Körpernavigator zum besten Essen aller Zeiten« ist ein Buch für mündige Essbürger mit eigener Meinung, die die omnipräsente vielstimmige Ernährungspropaganda kritisch hinterfragen. Es ist für all die Menschen geschrieben, die gern und gut essen, bei denen Genuss und guter Geschmack die Essenswahl bestimmen und nicht vermeintlich »gesunde« Regeln – denn davon gibt es viel zu viele, die sich obendrein gegenseitig widersprechen. Und nicht nur das ist wahnwitzig und zeigt die »fantastischen Denkdimensionen«, die hier am Werke sind …
Denn einerseits hat die allgegenwärtige Ernährungspropaganda zu gesundem und ungesundem Essen, zu guten und schlechten Nahrungsmitteln, zu Idealgewicht und perfekten Körpermaßen heutzutage fast ersatzreligiöse Ausmaße angenommen. Und andererseits werden die kritischen Stimmen aus der Wissenschaft (auch aus der Ernährungsforschung selbst!) immer lauter – und diese »Phalanx der Beobachtungskritiker« macht unmissverständlich klar, dass es keine wissenschaftlichen Beweise, keine Kausalevidenzen für gesunde Ernährung gibt; nichts, niente, nada; weil das System der oecotrophologischen Forschung ganz einfach zu stark limitiert ist und es ewig sein wird! Des Weiteren haben zahlreiche neue Studien nicht nur gezeigt, sondern immer wieder aufs Neue bestätigt, wie absurd und diametral die Ergebnisse der Ernährungsbeobachtungsstudien sind. Die öffentliche bewusste Fehlinterpretation der wachsweichen Nichtssagedaten macht darüber hinaus deutlich, wie die Bevölkerung mit Lügenkonstrukten in falschem Glauben dumm gehalten wird – und das nicht nur von Powersellern, die ihren Essgläubigen das Geld aus der Tasche ziehen möchten. Auch seitens staatlicher und medizinischer Institutionen werden Fiktionen konstruiert, dass sich die x-Balken der Statistiken (vor Scham) biegen, nur um Zwangsernährungsmaßnahmen durchzuboxen, mit denen man sich nicht mehr als Macht und Deutungshoheit verschaffen will – und das auf Kosten der kulinarischen Freiheit und eines genussvollen Lebens der Bürger.
Im Prinzip ist es allen objektiv-ideologiefreien »non-lobbyistischen« Wissenschaftlern glasklar, dass »gesunde Ernährung« nicht mehr ist als eine postfaktische Filterblase, die bald platzen wird … Das hindert aber die zahlreichen Verfechter, Prediger und Anhänger der kulinarischen Diaspora nicht daran, sich weiterhin am heiligen Gral gesunder Ernährung in genau ihrem Besser-Esser-Kosmos zu laben – und zwar nur und ausschließlich in ihrem … Aber es existieren ja auch für alle erdenklichen Spezial-Ernährungsformen die passenden Essphilosophien respektive Ersatzreligionen.
Auf der einen Seite agieren die Verfechter von Bio-Kost und die Ernährungsregel-Hörigen, auf der anderen Seite postulieren Vegetarier und Veganer den fleischfreien Verzehr, um mit ihrer Ernährungsideologie auch gleich noch die Welt zu verbessern. Dann gibt es noch diejenigen Hardliner, die über sehr spezielle Ernährungsformen vornehmlich ihre Persönlichkeit definieren, beispielsweise die Rohköstler oder Steinzeit-Esser (viel Fleisch, Fisch, Eier, Gemüse …). Eher harmlos erscheint dagegen die Low-Carb-Fraktion, die glaubt, mit wenig Kohlenhydraten sei der »goldene Weg zum Ernährungsglück« gefunden. Neben all diesen Ernährungsideologien scheint unsere natürliche Ernährungsform in der öffentlich-medialen Wahrnehmung jedoch kaum mehr präsent zu sein: der Mensch, der genussvoll isst, wenn er Hunger hat, und zwar das, worauf er Lust hat, was ihm gut schmeckt und vor allem was er gut verträgt und was ihn satt macht – frei von Ernährungsregeln und -propaganda. Doch es gibt immer noch genug dieser Bürger, die immun sind gegen den ernährungsapostolischen Eifer – und stattdessen beim Essen nur einem vertrauen: ihrem eigenen Körper!
Auch in deutschen Leitmedien regt sich zunehmend Widerstand gegen den »Terror auf dem Teller« – viele Redakteure haben es satt, dass Ignoranten, Ideologen, Asketen und die Ernährungsindustrie den Ton bei der schönsten Hauptsache der Welt angeben wollen. So ließ ein Journalist der Wirtschaftswoche in seinem Artikel »Gesunde Ernährung? Ich pfeife drauf!« ordentlich Dampf ab: »Wer sagt, dies oder jenes sei ungesund – ich höre nicht mehr zu. Was gestern galt, ist heute keinen Pfifferling wert. Ich habe es satt. Aber das will ich: Freuen aufs Essen. Jeden Tag, bei so vielen Mahlzeiten, wie es geht.« Und das Feuilleton der Frankfurter Allgemeinen Zeitung forderte: »Feiert Orgien mit Messer und Gabel! Werden wir doch endlich ein Volk von Genießern. Essen macht Spaß. Und sehr gutes Essen macht sehr viel Spaß. Wir müssen viel öfter auf den Verzicht verzichten und uns stattdessen der Wollust am Tisch hingeben und manchmal sogar der Völlerei. Dann werden wir verstehen, dass Essen kein Unglück, sondern unsere größte, alltäglichste, wunderbarste Quelle des Glücks ist.«
Und DIE ZEIT mahnte eindringlich: »Kristallzucker ist Crystal Meth für Kinder, vor ihm wird mittlerweile gewarnt wie vor einer Droge. Schulen schließen mit Eltern Verträge gegen Zucker … Der Kampf gegen Zucker wird zu einer Ersatzreligion in einer nichtspirituellen Zeit … Was ist eigentlich los? Woher kommt die Verspannung beim Thema Ernährung? Es handelt sich ja hier nicht um eine einzelne Schule oder Kita, sondern ein Phänomen, das sich in vielen, zugegebenermaßen eher urbanen Gegenden zeigt. Ernährung wird in den Augen vieler Eltern immer mehr zum Problem und zur Gefahr ... Schluss damit!«
Wenn sogar die konservative FAZ zur kulinarischen Wollust aufruft und die linksliberale ZEIT ein Ende des pseudoreligiösen Zucker-Bashings fordert, ja dann scheint es nun wirklich höchste Zeit zu sein, die Ernährungspäpste und Perfektionsratgeber vom Hof zu jagen!
Denn die Dauerbeschäftigung mit vermeintlich gesunder Ernährung braucht niemand. Die kritische Analyse von mehr als 5.000 aktuellen Studienergebnissen der Jahre 2007 bis 2019 zeigt unmissverständlich: Es gibt keinen wissenschaftlichen Beleg, dass irgendeine Ernährungsform oder gar ein Lebensmittel krank, gesund, schlank oder dick macht. Genauso wenig lassen sich aus den schwachen Daten der Ernährungsforschung allgemeingültige Ernährungsregeln ableiten. Gesunde Ernährung für alle, die gibt es nicht. Kein klar denkender, der Evidenz verpflichteter Wissenschaftler würde seine Hand dafür ins Feuer legen, dass irgendeine Ernährungsform einen Menschen länger gesund leben lässt. Denn niemand weiß, welche Ernährung die Gesundheit erhält oder fördert. Aber Sie als Leser dieses Buchs wissen nach der Lektüre, warum das so ist: Ernährungsforschung ist Stochern im Nebel, ein Rätselraten auf wissenschaftlich niedrigem Niveau. Und dieses Wissen um das Nichtwissen der Ernährungsforscher ist essenziell, um den Kopf richtig frei zu machen für das Wesentliche: für Ihre ganz persönliche beste Ernährung aller Zeiten. Denn die »funktioniert« nur, wenn Sie das schlechte Gewissen »Ist das jetzt wirklich gesund?« abstellen und den kleinen dauernervigen Ernährungsgnom aus Ihrem Hinterkopf gekickt haben.
Dieses Buch ist besonders für die Menschen interessant und lesenswert, die beim Essen einerseits zwar auf ihren Körper vertrauen, andererseits aber aufgrund der Diskrepanz zwischen eigenem Essverhalten und allgemeingültiger »gesunder« Ernährung immer wieder mit Gewissensbissen zu kämpfen haben: Kann ich wirklich nachts um zehn Uhr noch einen Teller Spaghetti essen, ohne dick zu werden und ohne dass die bösen »Kohlenhydrate am Abend« mich krank machen? Bekomme ich Krebs, weil ich jeden Tag Fleisch esse? Vertrocknen meine Organe, weil ich es nicht schaffe, jeden Tag zwei Liter Wasser zu trinken? Bin ich süchtig nach Süßigkeiten? Vielleicht sollte ich doch besser das »gesunde« Vollkornbrot oder Müsli essen statt Weißbrötchen mit Nutella oder Cornflakes? Habe ich heute auch schon genug Ballaststoffe gegessen (obgleich ich weiß, dass der unverdauliche Ballast fiese Fürze verursacht – aber »da muss ich ja...