KAPITEL 1
Auf geht’s …
Willkommen
Erfolgreiche Innovationen sind selten das Resultat von Aha-Momenten oder die plötzliche Erleuchtung eines einsamen Genies. Viel eher sind Innovationen das Resultat von harter Arbeit, bei der es etliche Hindernisse zu überwinden gilt.
Wenn man sich also aufmacht, ein innovatives Produkt entwickeln zu wollen – sei es etwas Anfassbares oder ein neuer digitaler Service –, ist das ein spannender, aber auch harter Weg …
Dieses Handbuch bietet Unterstützung bei der Anwendung von Design Thinking. Design Thinking ist eine vorwiegend im Silicon Valley entwickelte Methode, die hilft, wie ein Designer zu denken, wenn es darum geht, in einer komplexen und ungewissen Umgebung innovative Lösungen für ein Produkt zu finden, in einer Umgebung also, in der es keine offensichtlichen und vorgefertigten Lösungen für Probleme gibt.
Dieses Buch ist für Menschen gedacht, die schon mit Design Thinking in Berührung gekommen sind (siehe auch Abschnitt 1.1). Sei es als Teilnehmer eines Workshops in einem Unternehmen oder als Absolvent eines der vielen Trainings, die heute zum Thema angeboten werden. Man kann es jedoch auch einfach als Methodensammlung verwenden und sich damit ohne weitere Vorkenntnisse durch den Prozess hangeln. Die im Buch beschriebenen Vorgehensweisen stellen den Kern der in unserer langjährigen Erfahrung als Trainer, Coaches und Berater eingesetzten Methoden dar und sollten situativ adaptiert werden.
Bild: go3consulting nach Tim Brown: »Change by Design: How Design Thinking Transforms Organizations and Inspires Innovation« (2009)
Frei nach Tim Brown, CEO der Designagentur IDEO, kann Design Thinking als Disziplin beschrieben werden, die die Sensibilität und Methoden von Designern dafür nutzt, die Bedürfnisse von Menschen mit dem technisch Machbaren und dem wirtschaftlich Sinnvollen in Einklang zu bringen und diese Schnittmenge in Nutzen für den Kunden und eine wirtschaftliche Chance zu verwandeln.
Dieses Buch befasst sich bewusst nicht mit der Historie, dem Warum oder großartigen Fallbeispielen – von denen wir im Laufe unserer Projektarbeit und Lehrtätigkeit in den vergangenen Jahren einige gesehen haben.
In diesem Handbuch geht es vielmehr darum, Ihnen wesentliche Tools und Tipps für die praktische Umsetzung mitzugeben.
Allerdings werden Sie dazu viel mehr als nur dieses Buch benötigen:
Fantasie und Kreativität, Hartnäckigkeit und die Unterstützung von Menschen – Partnern, Kollegen, Freunden, Verwandten – und am besten gleich ein ganzes Team davon. Darüber hinaus eine Reihe von Dingen, von denen Sie jetzt noch nicht ahnen, dass Sie sie brauchen werden.
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Ein letzter Gedanke – bevor es nun wirklich losgeht: Die meisten erfolgreichen Innovationen sind das Ergebnis von Teamarbeit. Wie bereits erwähnt, ist es ratsam und hilfreich, bei einem Design-Thinking-Projekt im Team zu arbeiten. Und für solch ein Team gilt: Je diverser – in Hinsicht auf den beruflichen, aber auch kulturellen Hintergrund – die Zusammensetzung des Teams ist, desto besser für das Projekt.
Zu guter Letzt ist es aber natürlich immer Ihr Projekt und Ihre Entscheidung. Viel Erfolg!
1.1Für wen eignet sich dieses Handbuch?
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Dieses Handbuch eignet sich für jeden, der ein grundlegendes Verständnis von Design Thinking hat und eine einfache und sehr praxisnahe Einführung in Methoden und Tools sucht – beispielsweise, um im Rahmen eines Start-ups oder auch in einem etablierten Unternehmen innovative Lösungen für komplexe Probleme zu finden. Wir, die Autoren, haben Erfahrungen mit Innovationsprojekten in vielen Unternehmen unterschiedlicher Größe gemacht – in Start-ups, im Mittelstand und in Konzernen – lange vor der Etablierung von Design Thinking als Innovationsmethode. Zurückblickend können wir mit Gewissheit sagen, dass wir mit Design Thinking in vielen Situationen zu besseren Lösungen hätten kommen können als mit den heute in vielen Unternehmen noch immer üblichen technologiegetriebenen Innovationsprozessen oder gar Top-down-Entscheidungen von der Art »der Chef hat eine neue Idee«.
1.2Für welche Fälle eignet sich dieses Handbuch?
Design Thinking ist besonders sinnvoll, wenn man es mit einem komplexen Problem, mit vielen unbekannten Aspekten zu tun hat, bei dem die von vorhergehenden Problemen bekannten Lösungswege nicht wirklich weiterhelfen. Es eignet sich als Innovationsmethode besonders dann, wenn es darum geht, menschenorientierte Lösungen zu entwickeln, insbesondere wenn dazu ein tiefes – auch emotionales – Verständnis von Menschen, Kunden oder Nutzern und ihren Herausforderungen im Anwendungskontext erforderlich ist – und wo es die Umstände erlauben, dieses Verständnis zu entwickeln.
Design Thinking ist nicht sinnvoll anzuwenden, wenn das Problem eigentlich schon verstanden ist und die Lösung offensichtlich vorliegt, sich also etwa nur Zahlen oder Materialien ändern. Auch hilft Design Thinking nicht wirklich weiter, wenn es um rein technische Probleme geht oder um Probleme, bei denen Menschen keine große Rolle spielen.
1.3Was wird das Ergebnis der beschriebenen Vorgehensweise sein?
Dieses Handbuch gibt Ihnen eine Reihe von Techniken und Methoden an die Hand, die Ihnen helfen, zunächst eine Idee zu entwickeln, die die vorher identifizierten Probleme tatsächlich löst und die dann anhand von Kundenfeedback weiter optimiert werden kann. Im Prinzip ist das Ergebnis also eine von Ihren Kunden oder Nutzern validierte Lösungsidee, meist in Form eines getesteten und bereits mehrfach verbesserten Prototyps.
Darüber hinaus stellen wir Ihnen in Kapitel 9 »Jenseits von Design Thinking« weitere Werkzeuge und Ideen vor, wie diese validierte Lösung in ein Produkt (oder einen Service) weiterentwickelt werden kann, mit dem man nicht nur Kundenwünsche erfüllen, sondern auch Geld verdienen kann.
Wenn Sie bereits eine Einführung in Design Thinking hatten – sei es in einem Seminar oder durch das Lesen eines der inzwischen vielen Bücher zum Thema –, kann es sein, dass Ihnen ein anderes Prozessmodell begegnet ist als das diesem Buch zugrunde liegende oder dass die Prozessphasen zumindest anders benannt wurden.
Im Grundsatz sind sich alle diese Modelle jedoch ähnlich: Ausgehend von einer im Team geteilten oder von einem »Business Owner« als Auftrag formulierten Fragestellung werden systematisch Daten rund um diese Ausgangsfrage gesammelt und betroffene Menschen beobachtet, interviewt usw. Aus den gesammelten Erkenntnissen wird dann die eigentliche Problemstellung destilliert, die oft überraschend von der Ausgangsfrage abweicht. Für das nun gefundene »wirkliche« Problem sucht das Team kreative Lösungen. Die vielversprechendsten von ihnen werden als Prototypen betroffenen Benutzern vorgestellt und auf der Basis der dabei gewonnenen Erkenntnisse kombiniert und weiter verfeinert, bis die Benutzer die entstandene Lösung zufriedenstellend finden.
Dabei sind Iterationen oder systematische Rückschritte im Prozess eher die Regel als die Ausnahme.
Design Thinking ist kein wirklich im Detail festgelegter Prozess und wird von verschiedenen Autoren, Unternehmen und Schulen unterschiedlich interpretiert. Wir orientieren uns in diesem Buch weitgehend am vom Hasso-Plattner-Institut in Potsdam und dem Softwareunternehmen SAP angewandten Modell (siehe folgende Seite).
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Dieses Handbuch begleitet Sie daher durch einen Design-Thinking-Prozess mit sechs Phasen:
1. Scope | Zu einem gemeinsamen und klaren Verständnis des Problems kommen |
2. 360° Research | Umfassend Informationen, Daten, Erkenntnisse zu Ihrem Problem sammeln; die Sicht des Kunden verstehen |
3. Synthesize | Die richtigen Schlussfolgerungen aus Ihren Daten ziehen |
4. Ideate | Lösungsansätze und Ideen entwickeln |
5. Prototype | Prototypen basierend auf Ihren Ideen bauen |
6. Validate | Ihren Prototypen mit der Hilfe von Kundenfeedback testen und verbessern |
Dabei geht es nicht darum,...