Einführung
1. Viele Autoren haben es angesichts des Erziehungsnotstandes, den manche schon vor Jahrzehnten als Erziehungskatastrophe prophezeiten, unternommen, sich dem Thema Erziehung zu widmen. Dabei geht es im Allgemeinen um die Kindererziehung in der Familie mit einer klaren Absage an die antiautoritäre Erziehung. Allein in der Schulerziehung aus christlicher Sicht lässt sich nur auf Werke alter Schulmänner aus früheren Jahrhunderten zurückgreifen, die wegen des Versagens der emanzipatorischen Pädagogik zum Teil wieder aktuell sind. Leider ist ihr Erziehungskonzept nicht so ohne Weiteres in unsere Zeit übertragbar, weil ihm andere Voraussetzungen zugrunde lagen. Zwar ist eine an der Bibel orientierte Erziehung, wie die großen christlichen Pädagogen sie mit Erfolg praktiziert haben, grundsätzlich immer gültig, aber sie muss auch die gegenwärtigen Umstände und Bedürfnisse berücksichtigen. Diesem Erfordernis möchte die vorliegende Arbeit entgegenkommen.
2. »Der große Erziehungsauftrag« ist nicht deshalb »groß«, dass man ihn mit dem Kleinen oder Großen Brockhaus vergleichen könnte. Es ist ein hoher Auftrag Gottes, eine große Aufgabe für die Erzieher. In der vorliegenden Darlegung umfasst der große Auftrag die Erziehung in der Familie und in der Schule. An diesem Auftrag sind nicht nur die Eltern beteiligt, sondern auch die Kirche und der Staat. Es geht hierbei um eine ernste Sache, die von allen Beteiligten eine ehrliche Prüfung und gemeinsame Wiederaufbauarbeit erfordert, an der auch die Kinder mitwirken müssen, wenn das Werk gelingen soll. Es geht um das Wohl und Heil der Jugend in unserem Volk und der gesamten Menschheit, die an einem entscheidenden Wendepunkt steht.
3. Die gesunde Erziehungslehre basiert auf dem christlichen Menschenbild, wie es in der Bibel, die im Geiste des Evangeliums zu verstehen ist, dargestellt wird. Gott möchte in unser aller Herzen den neuen Bund (Neues Testament) einschreiben, damit in Herz und Haus wieder Frieden und Liebe und in den Schulen weniger Unruhe, Unordnung und Frust herrschen. Die erfolgreiche Erziehung ist nicht eine Erziehung zur Kritik, wie sie durch die emanzipatorische Pädagogik betrieben wurde, sondern die Erziehung zum Glauben und Vertrauen; Kritik sollte vielmehr an der dem Evangelium widerstrebenden Moderne geübt werden. Selbst die natürliche Erziehung, also die nicht unbedingt vom Glauben an Gott, sondern von der Vernunft bestimmte Erziehung, die jedem Elternpaar mitgegeben ist, ist den modernen Erziehungsmethoden überlegen. Doch Satan, die alte Schlange, und die Sünde haben alles durcheinandergebracht, er hat die Geister der Frankfurter Schule (Adorno, Habermas und Konsorten) aus dem Abgrund hervorkommen lassen und eine Kulturzerstörung ohnegleichen in der Menschheitsgeschichte in Gang gesetzt. Die Auswirkungen sind verheerend. Seit dem Griechentum ist keine so umwälzende Veränderung der Gesellschaft bekannt. Durch ihr Programm, insbesondere der Emanzipationspädagogik und der sexuellen Enthemmung, sind die natürlichsten Abläufe gestört und verunreinigt, was besonders die jungen Menschen in Mitleidenschaft zieht. Eine Rückbesinnung auf die Werte christlicher Erziehung ist daher ein Gebot der Stunde. Wir dürfen dabei mit Gottes Verheißungen rechnen, der alle Dinge, die der Mensch in seiner Torheit und Bosheit zerstört und verdorben hat, wiederherstellen kann, wie viele Beispiele in alttestamentlicher Geschichte zeigen.
4. Die Erziehungsmethode Gottes gibt uns den Anschauungsunterricht, wie wir unseren Erziehungsauftrag als Eltern selbst und die von uns beauftragten Lehrer ihn ausführen sollen. Die wahre Erziehungslehre ist auf drei untrüglichen Pfeilern gegründet: erstens auf das wahrhaftige und zuverlässige Wort Gottes, zweitens auf das Buch der Natur und drittens auf das Buch der Erfahrung, durch welche die Lehre ihre Bestätigung findet. Wer aus diesen drei Büchern gelernt hat, ist gut belehrt und kann Kinder erziehen und lehren und sie tüchtig machen für das zeitliche und ewige Leben. Seine Hausaufgaben (HA) muss jeder selber machen, nicht nur die Eltern, auch der Staat und die Kirche. HA aber gibt man sich nicht selbst auf, auch nicht eine Mehrheit. Diese bestimmt allein der Lehrer aller Lehrer, denn nur Er weiß, was wir zu üben haben.
5. Um dieser hohen Ziele willen bitte ich den Leser, sein Urteil so lange zurückzuhalten, bis er das Ganze gründlich studiert und sich mit der Sache auseinandergesetzt hat. Ich verkünde keine neue Heilslehre, sondern lege nur das dar, was wahr, gesund und bewährt ist. Wenn ich mich anschicke, die biblisch fundierte Erziehungslehre auf den Leuchter zu stellen und dabei Kritik an der von manchen noch immer verherrlichten, aber gescheiterten Emanzipationserziehung übe, dann stelle ich mich auch selber jeder sachlichen Kritik. Wenn jemand bessere Einsicht hat, so findet er bei mir durchaus ein offenes Ohr. »Bei der Ratgeber Menge ist Heil«, sagt der weise Salomo (Spr. 24,6).
6. Wenn der Leser mich nach meiner Bildung und Erziehung fragt, so muss ich ihm bekennen, dass ich nicht viel gelernt habe außer zwei Dingen: Liebe zu den Eltern und Gottesfurcht. Diese beiden Schätze haben mich vor vielem Bösen und in mancherlei Versuchungen und Torheiten bewahrt. Meine Schulzeit ist in die Kriegs- und Nachkriegszeit gefallen, sodass meine Bildung lückenhaft ist. Umso mehr darf ich mich rühmen, die beste Erziehung, die es gibt, im Elternhaus genossen zu haben, wenn auch nur ein Teil davon gefruchtet hat, jedoch genug, um wenigstens gesunde Ansichten über Erziehung zu vertreten, wenn auch bei meinen eigenen Kindern nur schwach und fehlerhaft in die Tat umgesetzt. Die Güte und Besonnenheit meines gottesfürchtigen Vaters, seine würdige Autorität und strenge, aber gerechte Zucht, flößten uns Kindern gleichermaßen Furcht und Vertrauen ein; dazu die Liebe und Fürsorge einer treuen Mutter, die ihrem Manne um des HERRn willen »unterwürfig« war (Eph. 5,22) und dennoch Herrin in ihrem Hause sein konnte, machten unser Heim zu einer friedevollen Stätte. Mit der Belehrung aus der Heiligen Schrift wurde nicht nur die natürliche Liebe und Ehrfurcht gegenüber den Eltern gepflegt, sondern wuchsen auch die tieferen geistlichen Bande. Die ältere Generation weiß noch, was gute Erziehung im christlichen Hause ist. Und sogar dort, wo die Rute nicht fehlte, sind die Kinder geraten, ohne einen Schaden davonzutragen. Wo aber keine Gottesfurcht herrschte und die Liebe fehlte, wie das in ungläubigen Häusern oft der Fall war, da klagte man mit Recht über eine »strenge« Erziehung.
7.Das geistliche Erbe meiner Väter im Glauben ist mir mehr wert gewesen als berufliche Karriere und materielle Güter. Gott lenkte meinen Sinn schon früh auf das Reich Gottes und seine Gerechtigkeit. Wie es praktisch damit in der Kirche aussah, sollte ich erst später erfahren. Der sittliche und geistliche Tiefstand in der Christenheit, das Überhandnehmen der Gesetzlosigkeit im Lande der Reformation, die Zustände in den Familien, die Orientierungslosigkeit der Jugend und die Entchristlichung der Schule erfüllten mich mit Sorge und Schmerz. Nach einer kritischen Selbstprüfung suchte ich eifrig im Worte Gottes nach einer Antwort auf die Erscheinungen und Nöte unserer Zeit. Da ich von Kind auf mit der Heiligen Schrift bekannt bin, sie eifrig studiert habe und täglich darin lese, bin ich darin zu Hause wie ein Verkäufer in seinem Laden oder wie ein Arzt in der Medizin. Viele Jahre verbrachte ich in der Stille, um mich ausschließlich mit dem Worte Gottes, besonders mit dem Propheten Daniel und der Offenbarung zu beschäftigen, die auch in unsere Tage und Umstände hell hineinleuchten. Dieses Studium ließ mich den Hintergrund der neuzeitlichen gesellschaftlichen Entwicklung erkennen. Denn hinter der öffentlichen Szene stehen gewaltige Verführungsmächte, die es ganz besonders auf die arglosen Kinder und Jugendlichen abgesehen haben. In diesem Licht erscheint auch die Emanzipationspädagogik als eine modehafte »Torheit der Welt« (1. Kor. 1,20), als Irrtum von heute. Die Weisheit und Gnade Gottes haben eine bessere Befreiung als die Selbstbefreiung von vermeintlichen Zwängen für die Jugend vorgesehen. Um sittlich reife, rücksichtsvolle, opferwillige und verantwortungsbewusste Menschen hervorzubringen, muss man das Evangelium zurate ziehen, das »Gottes Kraft ist, zum Heil jedem Glaubenden« (Röm. 1,16). Christus macht aus einem zerstörten Leben eine neue Kreatur (2. Kor. 5,17).
8. Das vorliegende Buch ist keine wissenschaftliche Arbeit. Ich muss gestehen, dass ich nicht vielen Quellen nachgegangen bin, um gleichsam das Beste aus allen zu sammeln und in einem neuen Aufguss dem Leser vorzusetzen. Vielmehr möchte ich ihn zu der Quelle führen, die im Paradies Gottes ist und der alles Leben, Weben und Sein entspringt. Diese Quelle ist Jesus Christus, der Sohn Gottes; Er ist das fleischgewordene Wort Gottes, »das Leben und das Licht der Menschen« (Joh. 1,4.5). Das Verlassen dieser wahren Lebensquelle hat uns nur Unglück beschert, die Rückbesinnung bringt Frieden und Glückseligkeit.
Manche nützliche Anregung und Hilfe habe ich der »Großen Didaktik« von Johann Amos Comenius entnommen, der aus derselben göttlichen Quelle schöpft. Dank gebührt den Mitarbeitern in der Philadelphia-Schule, vor allem den Lehrern Wolfgang von Lucke, Rolf-Heiko Buyny und Klaus Winter. Andere Beiträge sind als solche ausgezeichnet. Form und Stil der einzelnen Teile sind verschieden und spiegeln damit die Verschiedenartigkeit der Verfasser wider.
9. So halte ich es auch mit Comenius, dass die...