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Der große Raubzug

Wie im Windschatten der Weltfinanzkrise die Staatskassen geplündert werden

AutorAlexander Dill
VerlagFinanzBuch Verlag
Erscheinungsjahr2009
Seitenanzahl240 Seiten
ISBN9783862485406
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis15,99 EUR
Wer ist eigentlich für die deutschen Verluste in der sogenannten Weltfinanzkrise verantwortlich? Und wer sind die Gewinner? Mit kriminalistischem Spürsinn geht Alexander Dill diesen Fragen nach. Er stößt auf verschwiegene Zirkel von Politikern und Bankern, die bereits seit Jahren die Sanierung des deutschen Staatshaushaltes verhindern und stattdessen immer tiefer in die Staatskasse greifen. Als »Marktfreie«, so Dill, können sie dies unbeschwert tun, da sie keinerlei persönliche Risiken für die Milliardenverluste tragen. Am Ende sind die Geldempfänger jene, die seit 1999 verlangt haben, dass sich staatliche Banken als internationale Spekulanten das Geld verdienen sollen, das eigentlich zur Förderung des deutschen Mittelstandes vorgesehen war.

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Leseprobe

480 Milliarden in fünf Tagen – das größte Geldwunder der deutschen Geschichte


Wie das Finanzmarktstabilisierungsgesetz unter Umgehung von Haushaltsordnung und Grundgesetz verabschiedet wurde

Haben Sie oder Ihnen bekannte Unternehmer schon einmal Kredite, Fördermittel oder Bürgschaften bei einer der Landesbanken oder bei der Staatsbank Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) beantragt?

Oder bei einer normalen Geschäftsbank? In der Regel werden dafür umfangreiche Unterlagen verlangt, insbesondere ein Geschäftsplan für die nächsten drei bis fünf Jahre, aus dem hervorgeht, wie man gedenkt, das Geld zurückzuzahlen. Die Bearbeitung dieser Unterlagen bis zur Auszahlung dauert mindestens sechs Monate. Die Förderbeamten der KfW mit ihrem Programm »Unternehmerkapital«1 gehen sogar von einem Jahr aus, wenn man die wertvollste Kapitalform, nämlich Eigenkapital bekommen möchte, für das der Kapitalgeber haftet.

Nur mit Eigenkapital lassen sich weitere Kredite beantragen oder Anleihen und Aktien ausgeben, die weiteres Geld ins Unternehmen bringen.

Eigenkapital wird in der Bilanz ausgewiesen und ist der wichtigste Faktor bei der Bewertung eines Unternehmens.

In den Trainings für angehende Selbstständige steht deshalb das Aufstellen eines kaufmännisch qualifizierten Geschäfts- oder Businessplans im Mittelpunkt.

Selbst die kleinsten Selbstständigen werden pädagogisch betreut und sollen einfache Grundfragen beantworten wie:

Wozu brauche ich das Geld eigentlich?
(Geschäftskonzept)

Brauche ich überhaupt das ganze Geld?
(Ausgabenplan)

Wann brauche ich das Geld?
(verschiedene Szenarien)

Wann und wie zahle ich das Geld zurück?
(Einnahmeplan und Tilgung)

Wer nun diesen Satz »Ein Haushalts- oder Wirtschaftsplan wird nicht aufgestellt« liest2, wird sich fragen, ob es so günstig ist, mit dieser Maxime gleich 480 Milliarden Euro zu beantragen. Überraschung: Es geht nicht nur, sondern der Satz ist Absatz 3 in § 11 des Finanzmarktstabilisierungsgesetzes vom 17. Oktober 2008. Dieser Satz steht nicht etwa im Brief eines autonomen Kulturhauses an einen Kultursenator, sondern im Bundesgesetzblatt!

Und das Gesetz wurde nicht von hausbesetzenden Anarchisten unterschrieben, die sich 50.000 Euro für die Renovierung ihres besetzten Hauses wünschen, nicht von einem Hartz-IV-Empfänger, der für die Anschaffung einer Waschmaschine nachweisen muss, dass er diese auch außerhalb des Ladens gebraucht für 100 Euro bekommt und dafür einen schriftlichen Voranschlag einreichen muss, sondern von Justizministerin Zypries, Bundeskanzlerin Merkel, Finanzminister Steinbrück und dem wohl gestandensten und seriösesten Banker, den Deutschland aufzuweisen hat: Horst Köhler, ehemals Präsident des Deutschen Sparkassenverbandes, ehemals Präsident des Internationalen Währungsfonds, heute Bundespräsident.

Wie konnte es so weit kommen?

Wie kann eine Regierung, die für Kleinstbeträge Polizei und Zoll, Gerichtsvollzieher und Vollstreckungsstellen auf die Jagd schickt, bei der Vergabe von 480 Milliarden Euro ein solches Gesetz verabschieden? Und wie kann sie dabei alle Regeln kaufmännischen oder gar treuhänderischen Wirtschaftens – das Geld, das die Regierung hier vergibt, gehört ja den deutschen Steuerzahlern beziehungsweise deren Kindern, die es zurückzahlen müssen! – außer Kraft setzen?

Die bisherigen Antworten auf diese Frage waren folgende:

  1. Die Regierung musste so handeln, um einen Zusammenbruch des deutschen Bankensystems zu verhindern.
  2. Der Zusammenbruch drohte, weil Fehlspekulationen mit Hypothekendarlehen Verluste verursachten, die die Banken in die Insolvenz getrieben hätten.

Man könnte nun sagen: Toll, die Regierung handelt in einer sogenannten Finanzkrise genauso unbürokratisch und schnell wie hoffentlich bei einer Flutkatastrophe oder bei einem Erdbeben. Peer Steinbrück steht sozusagen in der Flut maroder Finanztitel wie weiland Helmut Schmidt 1962 an der Außenalster, als die Hansestadt überflutet war.

Die »Weltfinanzkrise« als Naturkatastrophe? So zumindest wird sie von Politikern und Wirtschaftsführern, aber auch von Medien gerne bezeichnet.

Da gibt es dann darwinistische Interpretationen, wie »Der Markt wird durch die Krise bereinigt« und geht daraus »gestärkt« hervor. Dann gibt es die zyklische Betrachtung, die Krise sei ein Tsunami, der dann eben vorbeigehe. Es habe schon immer Krisen gegeben, 1929 zum Beispiel. Oder, so die allerklügsten Kommentatoren, die Krise zeige nur, dass wir bessere Gesetze, mehr Aufsicht und neue Behörden brauchen, die neue Finanzgesetze verabschieden und überwachen. So wird die Finanzkrise zur Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für etwa 50.000 deutsche Finanzbeamte im Bundesfinanzministerium, in der Bundesbank und in den Landesbanken sowie für die Mitglieder des gerne als »Fünf Wirtschaftsweise« bezeichneten Sachverständigenrates zur Begutachtung der Gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, die offensichtlich seit 1971 alle geschlafen haben.

In diesem Jahr nämlich wurde mit dem sogenannten BrettonWoods-Abkommen die Goldparität des Dollars abgeschafft.

Ob dies, wie einige Fachleute sagen, zur Finanzierung des Vietnamkriegs geschah, oder – was eigentlich gleichbedeutend ist – als Freibrief für das Gelddrucken in New York dienen sollte, sei dahingestellt.

Die Bundesrepublik Deutschland begann erst im Jahr 1960, die Grundsätze kameralistischer Haushaltsführung zu verlassen und – wenn auch im bescheidenen Ausmaß – Schulden aufzunehmen. Die »harte D-Mark« war bis zu ihrer Abschaffung im Jahr 2002 selbst dann noch ein Symbol für eine gesunde Währung, als die deutsche Staatsschuld bereits die magische Marke von 1 Billion Mark überschritten hatte.

Aber keine der Schuldenaufnahmen bewegte sich außerhalb des Haushaltsplans des Bundes, und selbst die Mindereinnahmen aus Steuervergünstigungen seit 1964 werden vom Bundesfinanzministerium in einem 163 Seiten langen Bericht auf den Euro genau aufgelistet.3 Zwar lässt sich aus diesen Vergünstigungen nur ein kleiner Teil der Bundesschuld ableiten (worauf wir später noch kommen werden), aber zumindest gibt es noch einen Zusammenhang zwischen Bundeshaushalt und Bundesschuld.

Was aber, wenn die sogenannte Finanzkrise keine unvorhersehbare Naturkatastrophe war? Wenn Beamte und Wirtschaftsforscher systematisch Falschinformationen über das Wirtschafts- und Finanzsystem verbreitet haben, wenn in Jahrzehnten in Zusammenspiel von Regierung und Finanzwelt ein System von Korruption geschaffen wurde, das sich gerade in dieser Krise am besten bewährt und dem die Finanzkrise höchst gelegen kommt?

Oder, ganz anders gefragt: Qui bono? An wen gehen eigentlich die 480 Milliarden?

Wie mir Susanne Mehldorn, die aus der Bundesbank abgestellte Beamtin und Pressesprecherin des SoFFin (Sonderfonds Finanzmarktstabilisierung) mitteilte, wurden die 80 Milliarden, die der SoFFin noch für »Risikoübernahme durch Erwerb von Problemaktiva«4 in petto hat, bisher nicht beantragt (Stand 12.02.2008).

Den Antragstellern erscheint es begreiflicherweise viel interessanter, zunächst die Garantien für das Eigenkapital zu bekommen, als unter hohem Verlust einen Problemkreditnehmer an den deutschen Steuerzahler zu schicken.

Der SoFFin hat ein fast unwiderstehliches Angebot gemacht, sodass selbst gesunde Geschäftsbanken – wie etwa die Deutsche Bank – unter dem Druck der eigenen Aktionäre stehen, es anzunehmen.

»Her mit der Staatsknete!«, rufen nun all jene, die über Jahrzehnte die Privatisierung aller staatlichen Unternehmen und die Deregulierung der Finanzmärkte forderten, die über die hohe Steuerbelastung klagten, verursacht durch einen gierigen und verschwenderischen Staat. Nun stehen sie alle in der ersten Reihe bei »Hartz V«, wo jeder Empfänger – wie erwähnt ohne Wirtschafts- oder Haushaltsplan – gleich mehr als eine Milliarde abrufen kann.

Noch nie hat ein Staat einigen Bürgern ein derartiges Angebot gemacht und über jede demokratische Kontrolle hinweg in einem...

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