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Der Jakobsweg in Geschichte und Gegenwart

AutorVictoria Theis
VerlagStudylab
Erscheinungsjahr2017
Seitenanzahl98 Seiten
ISBN9783668413702
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis34,99 EUR
Pilgern liegt im Trend. Besonders in den Heiligen Jahren wandern heute wieder viele Pilger auf dem Jakobsweg nach Santiago de Compostela. Sie stehen damit in einer Tradition, die bis ins 9. Jahrhundert zurückgeht, jedoch im 17. Jahrhundert einen Einbruch erlebte. Eine wirkliche Erklärung für die neue Popularität des Jakobswegs gibt es bisher nicht, es liegen nur wenige Ergebnisse von wissenschaftlichen Untersuchungen vor. Das Ziel dieser Untersuchung ist es, strukturelle Unterschiede der mittelalterlichen zur heutigen Pilgerfahrt aufzuzeigen sowie die Motivationen, mit denen sich die Pilger damals und heute auf ihre Reise begaben. Dominieren in unserer modernen Gesellschaft noch religiöse Beweggründe, die eine Pilgerreise begründen? Oder liegen die Motivationen der Reisenden vielmehr in dem Wunsch begründet, aus dem Alltag auszubrechen und alle Verpflichtungen hinter sich zu lassen? Der Jakobsweg als Europäische Kulturstraße fand bisher nur selten Eingang in die Fachliteratur der Gegenwart. Aus diesem Grund widmet sich die Autorin den Erfahrungsberichten der Pilger und gewinnt daraus Erkenntnisse über den heutigen Jakobsweg. Die aussagekräftige Literatur von Klaus Herbers und Robert Plötz beeinflusste die bisherigen Forschungsergebnisse, sodass die genannten Autoren auch im vorliegenden Buch, insbesondere bei den strukturellen Veränderungen der Gesellschaft des Mittelalters, herangezogen werden. Aus dem Inhalt: -Legende des Jakobus; -Pilgerwesen; -Jakobsweg im Mittelalter; -Jakobsweg in der Gegenwart

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Leseprobe

4 Der Jakobsweg im Mittelalter


 

Zunächst wird erläutert, welche Umstände die Pilgerreise nach Santiago de Compostela aufblühen ließen. Um eine vertieftes Verständnis davon zu erhalten, weshalb sich das Grab des Heiligen Jakobus zu einem solch enormen Anziehungspunkt entwickelte, anschließend wird auf die veränderte gesellschaftliche Struktur eingegangen.

 

4.1 Die Politik als Ursache der Pilgerfahrt


 

Sind wir in den vorhergehenden Kapiteln davon ausgegangen, dass der anfängliche Beweggrund der Santiago- Pilger ein religiös motivierter war, so legt Engels[94] in seiner Theorie eine kirchenpolitische Entwicklung nah.[95] Die Anfänge des Jakobswegs bewegen sich demnach in einer politischen Dimension.

 

Es existieren etliche Theorien über eine mögliche Überführung der sterblichen Überreste des Heiligen Jakobus nach Santiago de Compostela. Diese sind in der wissenschaftlichen Diskussion jedoch teilweise mehr als umstritten. Plötz[96] liefert dagegen eine Zusammenfassung der bisherigen Forschungsergebnisse, aktueller Diskussionen und wichtiger Theorien.[97]

 

Als eine besonders wichtige Hypothese wird jene von J. Perez de Urbel[98] genannt. Er bezieht sich auf einen Schriftzug eines Gedenksteins in einer Marienkirche Méridas. Die Reliquien seien, so die Hypothese Urbels[99], über den Seeweg in die Stadt Mérida gekommen. Waren sie zur Weihe der Marienkirche noch im Altar aufbewahrt, so mussten sie dann aufgrund der Maureneinfälle zurück nach Santiago de Compostela transportiert werden.[100]

 

Louis Duchesne sieht in seiner Hypothese eine Verbindung zwischen der wachsenden Berühmtheit des Jakobuskults und dem spanischen Häretiker Priscillianus in Galicien.[101] Im Jahre 385 richtete man Priscillianus mit sechs seiner Gefährten in Trier hin. Anschließend wurde sein toter Körper nach Spanien gebracht, wo seine Lehren von seinen Anhängern nachweislich bis ins 6. Jahrhundert verehrt wurden. Hier fällt vor allem der Umstand ins Auge, dass die Verehrung der Lehren des Priscillianus genau dort praktiziert wurde, wo mit großer Wahrscheinlichkeit auch seine sterblichen Überreste begraben liegen. Dies wurde schließlich mit Jakobus in Verbindung gebracht.

 

Engels geht sogar so weit, die Entdeckung des Apostelgrabes anzuzweifeln.[102] Erst im Jahre 1077 finden sich erste Hinweise für die Auffindung des Grabes. Diese stehen jedoch in Zusammenhang mit der Bestätigung des Jakobusgrabes und der Stadt Santiago de Compostela als Bischofssitz.[103]

 

Im 11.Jahrhundert musste dann die alte hierarchische Ordnung im Zuge des Reformpapsttums wiederhergestellt werden. Das bedeutete, die römische und gotische Rangfolge aufzubauen und dabei auch die einst untergegangenen Bischofssitze zu erneuern. Der Inhalt der Konzilsakten von Toledo gab Aufschluss darüber, welche Bischofssitze unter dieses Reglement fielen. Die einstige Verlegung des Bischofsitzes von Iria Flavia nach Santiago de Compostela könnte einen solchen Vermerk in den Akten unauffindbar gemacht haben. Papst Urban II. gab im Jahr 1095 die Verlegung des Bischofsitzes von Iria nach Compostela bekannt und bestätigte damit auch das Apostelgrab.[104]

 

Engels ist jedoch der Auffassung, dass es nicht die Auffindung des Grabes selbst war, die eine Pilgerflut auslöste, sondern vielmehr die Umsiedelung des Bischofssitzes von Iria nach Santiago. Diese Entwicklung des Grabkultes ist deshalb eine kirchenpolitische.[105]

 

4.2 Die mittelalterliche Gesellschaft im Umbruch


 

Ab dem 11. Jahrhundert ist der europäische Raum grundlegenden Veränderungen unterworfen. Dieser Wandel betraf vor allem die religiöse Einstellung der Menschen und damit zusammenhängend auch die Pilgerreise nach Compostela.[106]

 

Die Bevölkerung wuchs zwischen dem 11. und 13. Jahrhundert enorm. Diese Tatsache wird besonders im Bereich der Landwirtschaft deutlich: vielfach ausgestellte Ansiedlerverträge zwischen einem Grundherrn und dem Bauern sowie der Novalzehnt, der auf durch Rodung nutzbar gemachte Flächen fällig war, wurden als indirekter Hinweis auf einen Anstieg der Bevölkerungszahlen angesehen. Auch die Bereiche Textilherstellung, Bauwesen und die Gründung neuer Städte deuten auf einen Bevölkerungszuwachs hin. Waren es im Jahr 1050 ungefähr 46 Millionen Menschen, so waren es um 1300 bereits ca. 73 Millionen.[107]

 

Mit immer neuen Entwicklungen in der Landwirtschaft, der Dreifelderwirtschaft und dem Gebrauch neuer Werkzeuge konnten die Ernteerträge beträchtlich gesteigert werden. Diese wurden auf Märkten weiterverkauft, woraufhin bedeutsame Handelsstraßen entstanden. Plötz bemerkt zu dem Bevölkerungszuwachs, dass er „die Freistellung von Arbeitskräften, die vorher für den Herrenhof, das Kloster, die Stadt oder auf dem Feld tätig waren [bewirkte]“.[108] Für die Menschen bedeutete dies eine gesteigerte Mobilität und half besonders gläubigen Christen, sich auf eine Pilgerreise zu begeben. Jedoch wurden auch etliche Menschen unfreiwillig dazu bewegt, ihr Zuhause zu verlassen, wenn nämlich der Bevölkerungszuwachs solch große Armut hervorrief, dass ein Aufbruch unumstößlich war. [109]

 

4.3 Status der Pilger


 

Um den Menschen aufgrund wirtschaftlichen Fortschritts und religiöser Entwicklung ein großes Maß an Sicherheit gewährleisten zu können, wurden nicht nur Priester, Mönche, Kleriker oder Lasttiere unter den „Treuga Dei“, den Gottesfrieden[110] gestellt, sondern nun auch Händler und Pilger. Für Pilgerreisende verbesserten sich damit die Rahmenbedingungen durch einen umfassenden Rechtschutz, den „habitus peregrinorum“[111]. Dieser ging jedoch nur zum geringen Teil von kirchlichem Recht aus.[112] Zusammenfassend lassen sich folgende Privilegien für Pilger nennen (sie galten besonders auch für straffällig gewordene Menschen, die sich auf eine Pilgerreise begaben): Während sich die Pilger auf ihrer Reise befanden, wurden Gerichtsprozesse aufgeschoben, sie durften sich in Pilgerkleidung hüllen, sich mit Exkommunizierten umgeben, Messen der Priester anhören und noch während sie von gottesdienstlichen Handlungen ausgeschlossen waren, die Beichte ablegen.[113] Ergänzend werden von Plötz noch die Wahlfreiheit der Beherbergung, das Verfassen eines Testaments und die Sicherung des Besitzes im Fall des Todes aufgezählt.[114]

 

Die weltlichen Herrscher Spaniens waren besondere Befürworter der Jakobspilger. An Pilgerstraßen wurden Brücken errichtet und die Reisenden waren vor Raubrittern und Wegelagerern geschützt. Zum Schutz der Jakobspilger wurde deshalb im Jahre 1161 der spanische Ritterorden des hl. Jakob etabliert.[115]

 

Der Anstieg der Bevölkerung und die Aussicht auf gewisse Privilegien ließen die Zahl der Pilgerreisenden auf dem Weg nach Santiago de Compostela ansteigen. Aus dieser Entwicklung heraus entsteht laut Schmugge ein Wandel des „peregrinus“- Begriffs.[116] Die ursprüngliche Bedeutung eines „Reisenden“ oder „Fremdlings“ wird ab dem 11. Jahrhundert, so Plötz, um einen religiösen Aspekt erweitert.[117] Seiner Meinung nach darf jedoch „Peregrinus= Pilger“ nicht unreflektiert übersetzt werden. Es existiert keine Eindeutigkeit in Bezug auf die Verwendung des Wortes in historischen Quellen und eine derartige Übersetzung erscheint für Plötz unverantwortlich.[118] Er bekräftigt die Wirkung der Pilgermassen auf den Zeitgeist des Mittelalters:

 

„Die frommen Reisen zu heiligen Stätten haben im Hochmittelalter offensichtlich so sehr die Erscheinungsform der peregrinatio und des peregrinus bestimmt, dass sowohl die ursprüngliche Bedeutung (Fremder) wie auch die ziellose Pilgerschaft (peregrinatio als asketisches Prinzip der Heimatlosigkeit) in den Hintergrund traten.“[119]

 

4.4 Der Pilgerführer im Mittelalter


 

Der steigende Bekanntheitsgrad des Jakobswegs lässt sich am deutlichsten an Anleitungen für eine korrekte Beschreitung des Pilgerwegs, Hinweisen zu Unterkünften und den Nahrungsmitteln im Ausland erkennen. Die mittelalterliche Pilgerreise nach Santiago de Compostela wird im Jakobsbuch besonders deutlich.

 

Das unter dem in der Forschung bekannten Werk „Liber Sancti Jacobi“[120] besteht aus fünf Büchern mit insgesamt 225 Seiten. Im ersten Buch werden Predigten und liturgische Texte thematisiert. Insgesamt werden 22 vom Verfasser selbst ausgewählte Wundergeschichten des Jakobus niedergeschrieben, wobei im Vorwort mit Nachdruck erwähnt wird, nur die authentischsten Geschichten des Heiligen ausgewählt zu haben. Im dritten Buch wird von der Verlegung der sterblichen Überreste des Jakobus nach Santiago de Compostela berichtet. Der Verfasser des vierten Buches, des Pseudo-Turpin[121]- Buches, ist in...

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