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Der Krieg als autopoietisches System

Die Kriege der Gegenwart und Niklas Luhmanns Systemtheorie

AutorKrzysztof Matuszek
VerlagDUV Deutscher Universitäts-Verlag
Erscheinungsjahr2007
Seitenanzahl144 Seiten
ISBN9783835054677
FormatPDF
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis44,99 EUR
Anhand der Systemtheorie von Niklas Luhmann untersucht der Autor, wie eine durch Krieg zerrüttete Gesellschaft soziologisch erfasst werden kann und trägt somit zu einem besseren Verständnis des aktuellen Kriegsgeschehens und der kritischen Fortentwicklung der Systemtheorie bei.

Dr. Krzysztof C. Matuszek promovierte an der Humboldt-Universität Berlin und der Jagiellonen-Universität Krakau. Er ist wissenschaftlicher Assistent am Institut für Politikwissenschaft der Philosophisch-Pädagogischen Hochschule Ignatianum in Krakau und am Lehrstuhl für Internationale Beziehungen der Kardinal-Stefan-Wyszynski-Universität Warschau.

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Leseprobe
1. Die Kriege der Gegenwart als Kriegssysteme (S. 25)

1.1 Ausdifferenzierung

Die klassischen Staatenkriege des europäischen Völkerrechts, wie sie von der Mitte des 17. bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts ausgetragen wurden, unterlagen verschiedenen Regeln und Beschränkungen. Da sie von souveränen, sich gegenseitig als Gleiche anerkennenden Staaten geführt wurden, folgten sie politischen Zielen, waren durch das Völkerrecht geregelt, und von gewissen ethischen Vorstellungen geprägt.

Staatenkriege haben zwar auch eine Tendenz zur Missachtung jeglicher Regeln, worauf bereits Clausewitz hingewiesen hat, aber die Logik der Politik entfaltet eine moderierende Wirkung und garantiert eine Einschränkung des Krieges. Clausewitz beschreibt verstärkende Wechselwirkungen von Gewalt, feindlichen Absichten und Anstrengung der Kräfte, die ohne externe Gegenwirkung zu einem absoluten Krieg führen würden. Die mäßigenden Faktoren ergeben sich zunächst aus dem Krieg selbst – nicht alle vorhandenen Ressourcen können gleichzeitig eingesetzt werden und die momentane Entscheidung ist niemals eine endgültige – dann aber vor allem aus dem politischen Zweck, dem der Krieg untergeordnet ist.

Der sich selbst verstärkende Mechanismus, bei dem der Kräfteaufwand und Gewalteinsatz der einen Seite die andere zu einer noch größeren Anstrengung zwingt, wird also durch politische Interessen in Schranken gehalten. Dagegen haben viele bewaffnete Konflikte der letzten Jahrzehnte eine Form angenommen, die systemtheoretisch als ausdifferenzierter Krieg bezeichnet werden kann. In diesen Kriegen, die hauptsächlich in den Ländern der Dritten Welt geführt werden, kommt es zu einer Auflösung der politischen, rechtlichen und ethischen Beschränkungen.

Die Kriege werden in den meisten Fällen nicht mehr von Staaten, sondern von parastaatlichen und privaten Akteuren ausgefochten, wie Guerilla-Verbände, lokale Milizen, marodierende Einheiten der regulären Streitkräfte, paramilitärische Gruppen oder Anhänger eines Warlords. Diese Akteure unterliegen nicht den Zwängen einer zwischenstaatlichen Politik, respektieren nicht das humanitäre Kriegsvölkerrecht und missachten tendenziell auch das Ethos des Berufssoldaten.

Auch staatliche Akteure, die sich an diesen Konflikten beteiligen, unterliegen oft der Logik der Ausdifferenzierung. Die Einteilung in Staaten ist eine Binnendifferenzierung des weltweiten politischen Systems. Die Anerkennung dessen, ob eine Regierung demokratisch genug ist, die Menschenrechte respektiert und vor allem das Gewaltmonopol auf einem bestimmten Gebiet innehat, beruht letztlich auf der Stellungnahme anderer Staaten bzw. der „internationalen Gemeinschaft".

Für das politische System gilt: Staat ist, wer von anderen Staaten als solcher anerkannt wird. Hier zeigt sich auch die Autonomie der politischen Sphäre gegenüber anderen sozialen Bereichen. Die Abkopplung des Krieges vom Politiksystem erfolgt daher, indem die in ihn verwickelten Akteure von der Staatenwelt nicht anerkannt werden, bzw. ihr gewaltsames Vorgehen verurteilt wird. Hat ein Regime auf die internationale Anerkennung verzichtet, kann es nicht mehr politisch kontrolliert werden.

Eine konsequente Analyse der bewaffneten Konflikte zeigt, dass in vielen von ihnen nicht nur die politische und rechtliche Fernsteuerung abgeschafft wurde, sondern dass sämtliche äußeren Faktoren wie etwa religiöse Autoritäten oder die Macht der Clanstruktur neutralisiert und intern verfügbar gemacht wurden. Damit erst vollzieht sich die Ausdifferenzierung der Kriege hinzu autopoietischen Systemen.

In den traditionalen Gesellschaften wurden Kriege oft durch religiöse Normen konditioniert und in Schranken gehalten. Stephen Ellis beschreibt die Tradition der Beschränkung von Konflikten unter liberianischen Stämmen:

"Wars were common, and were often carried out primarily for enrichment, but their duration could be controlled by the religious influence of secret societies, not least to prevent them from destabilising whole communities.
Blick ins Buch
Inhaltsverzeichnis
Inhalt8
Geleitwort10
Preface14
Vorwort22
1. Die Kriege der Gegenwart als Kriegssysteme26
1.1 Ausdifferenzierung26
1.2 Strukturaufbau und Selbstbegründung32
1.3 Der amorphe Krieg44
1.4 Autopoietische Mechanismen50
1.5 Das Kriegssystem und seine Umwelt53
2. Naturzustand und Komplexität64
3. Die Funktion des Krieges und soziale Evolution78
3.1 Hat der Krieg eine Funktion?80
3.2 Soziale Evolution und funktionale Analyse91
4. Die Kriege der Weltgesellschaft? Kriegssysteme im globalen strukturgeschichtlichen Kontext116
Zusammenfassung136
Literaturverzeichnis140

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