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E-Book

Der Kult des Organischen: Psychedelische Kunst und Jugendstil im Bildvergleich

AutorNorman Conrad
VerlagBachelor + Master Publishing
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl31 Seiten
ISBN9783863419486
FormatPDF
KopierschutzWasserzeichen/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis14,99 EUR
Die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert ist durch tiefgreifende Veränderungen geprägt. Neue Denkweisen in moralischen, sozialen, religiösen und naturwissenschaftlichen Fragen erschüttern den Menschen. Die Seele des Menschen, Ängste, Sehnsüchte, Phantasien und das Irrationale geraten zunehmend in den Mittelpunkt. Diese Erscheinungsformen finden vor allem Ausdruck in der Kunst. Künstler des Jugendstils wollten neue Wege in der Kunst gehen und der Nachahmung vergangener Stile einen Riegel vorschieben. Kaum eine Epoche verinnerlichte die Einheit von Mensch und Umwelt so sehr wie die Jugendstilkünstler und deren Anbetung der vegetabilen und organischen Formen. Intellektuelle Vorbilder waren etwa die Taoisten oder die Buddhisten. Künstlerisches Vorbild und Orientierung boten japanische Künstler, welche die symmetrische Bildgestaltung ablehnten, da sie leblos sei und in der organischen Welt nicht vorkäme. Das Unvollkommene ist hingegen die Triebfeder der Phantasie. In den sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts feierte der Jugendstil in der Psychedelischen Kunst seine Reinkarnation. Auch die Künstler der Psychedelischen Kunst ließen sich vom Zen-Buddhismus beeinflussen, himmelten die organische Farben- und Formenwelt an und rebellierten gegen die vorherrschende bürgerliche Moral. Zwischen Sex, Drugs and Rock´n´Roll versuchten diese ihre psychedelischen Erlebnisse und die Erlebnisintensität in das Zentrum ihrer Kunst zu stellen. Drogen wie LSD sollten die visuelle Wahrnehmung steigern und das Bewusstsein erweitern. Beide anti-akademischen Strömungen, sowohl der Jugendstil als auch die Psychedelische Kunst, ernteten Spott und Verachtung. Nicht zuletzt wird einer ihres charakteristischsten Merkmale, die geschwungene Linie, als Ausdruck von Genuss und Leidenschaft in der heutigen Konsumwelt eingesetzt. Das vorliegende Buch widmet sich anhand eines Bildvergleiches zwischen einem Jugendstilkünstler und einem Vertreter der psychedelischen Kunst beiden Phänomenen.

Norman Conrad wurde 1984 in Potsdam geboren, studierte nach einer Ausbildung zum Produktdesign-Assistenten an der TU Berlin Kultur und Technik mit der Fachrichtung Kunstwissenschaft. In seiner Freizeit beschäftigt er sich neben Kalligraphie mit Collagen

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Leseprobe
Textprobe: Kapitel 2.2, Richard Alden (Rick) Griffin: Aoxomoxoa und ein interpiktoraler Vergleich zum Werk Chocolat Idéal von Mucha: Aoxomoxoa ist die 3. LP aus dem Jahre 1969 der legendären Musikgruppe Grateful Dead ('Die dankbaren Toten'). Das Album besteht aus 18 verschiedenen Konzerten und Studioaufnahmen, die mit elektronischen Klängen zu bizarren Klangcollagen montiert wurden, die den Fluss der Musik ausgesprochen einschränkten. Die Musikzeitschrift Rolling Stone wählte zudem das Album Aoxomoxoa in der Novemberausgabe des Jahres 1991 unter den 100 größten Albumcovern auf Platz 8. Das von Rick Griffin, mit bürgerlichem Namen Richard Alden Griffin (1944 -1991), gestaltete Frontcover des Albums Aoxomoxoa (Abb.2). ist in einen vorderen, kolorierten Bildbereich und einen hinteren, schwarzen unterteilt. Der Blick des Betrachters wird im Vordergrund auf die im oberen Bilddrittel dargestellte Sonne gelenkt. Diesen Effekt erzielt Griffin durch starke Kontraste. Das weiß dargestellte Zentrum der Sonne, ist der hellste Punkt des Bildes und macht im Verhältnis zum Bildganzen den stärksten Kontrast aus. Griffin verwendet bei der Gestaltung der Sonne Farbabstufungen von Weiß über Gelb bis Rot. Dadurch erscheint die Sonne in ihrem Kolorit wie ein Leuchtkegel und eine lebensspendende Kraft, die das organische Leben beeinflusst. Der organische Bezug ist auch bei den Sonnenstrahlen ersichtlich. Diese werden in Form von winzigen Spermatozoiden dargestellt. Es entsteht dadurch der Eindruck, dass die Sonne einer Eizelle gleicht, die befruchtet wird. Der sexuell-erotische Zusammenhang ist bereits im Jugendstil verankert. Um die Wende vom 19. zum 20.Jahrhundert setzte man sich, spätestens seit Sigmund Freud, mit Sexualität in psychischer sowie physischer Hinsicht auseinander. Sexuelle Provokationen und Freizügigkeit sind typische Merkmale der Hippiekultur der Sechziger. Griffins Sonne könnte unter diesem Aspekt als eine Anspielung darauf verstanden werden. In Muchas Chocolat Idéal sind sexuelle Anspielungen nicht so offensichtlich erkennbar wie in Aoxomoxoa. Bei Mucha ist es eher Sinnlichkeit, die durch die junge, grazile und hübsche Frau vermittelt wird. Vor der Sonne verweist der gekrümmte und kaum lesbare Schriftzug Grateful Dead auf den Bandnamen. Die Platzierung des Grateful Dead Schriftzuges ist nahezu identisch mit dem in Chocolat Idéal. Beide sind zudem über die ganze Bildhälfte ausbalanciert. Die welligen Buchstabenkonturen des sehr individuell gestalteten Grateful Dead Schriftzuges machen ihn im Gegensatz zu Muchas kaum lesbar. Muchas Buchstabenkonturen haben ebenfalls eine Tendenz zum Runden und Geschwungenen , sind aber deutlicher zu erkennen. Muchas Schriftzug kommt ohne zusätzliche gestalterische Mittel aus und wirkt wie an den Untergrund befestigt. Griffin verwendet bei dem Grateful Dead Schriftzug hingegen eine farbige Binnenkontur und verleiht ihm dadurch eine dreidimensionale Tiefenwirkung. Die Buchstaben erwecken den Anschein, als würden sie in der Luft schweben. Griffins Buchstaben sind verspielter, lebendiger und wirken auf den Betrachter psychedelischer. Der gestalterischen Dimension der Schrift beider Arbeiten liegt auch ein funktionaler Unterschied zugrunde. Muchas Chocolat Ideál Schriftzug ist im Wesentlichen leserlicher als Griffins Grateful Dead Schriftzug, weil die Grafik, die für Schokolade wirbt, von einer großen Masse an Menschen verstanden werden muss. Muchas Grafik unterliegt, unabhängig von der eigenen freien künstlerischen Gestaltung, den Zwängen der Industrie und des Auftraggeber, die sich die Beliebtheit des Jugendstils zu Nutze gemacht haben, um für ihre Produkte zu werben. Eine extrem individuelle Verfremdung des Schriftzuges bei Mucha hätte zur Folge, dass der Produktname möglicherweise nicht zu entziffern wäre, auch wenn im Allgemeinen ersichtlich ist, dass es sich um Werbung für Schokolade handelt. Daraus kann der Rückschluss gezogen werden, dass Werbung bereits damals gewissen Werbegrundsätzen folgte. Griffin gehörte zu jenen Künstlern, die sich weitgehend nicht in ihrer Lebensweise von den Musikern unterschieden und die herkömmlichen Werbegrundsätze nicht beachteten. Die Rockposter aus San Francisco waren nicht in erster Linie darauf ausgerichtet, klar und direkt zu kommunizieren und für etwas Kommerzielles zu werben. An der Ostküste verfolgten im Gegensatz zu den Künstlern aus San Francisco die vom Jugendstil beeinflussten Poster eher kommerzielle Absichten. Bis zum Jahre 1965, als die ersten Konzerte in San Francisco angekündigt wurden, erfüllte das Plakat den Zweck klar und eindeutig zu kommunizieren. Die Textverfremdung des Grateful Dead Schriftzuges von Griffin kann als eine Haltung gegen die auferlegten Werbegrundsätze der damaligen Zeit gesehen werden und ist ein Beispiel für die nonkonforme Haltung vieler Künstler der Sechziger.
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