Unsere Körpersprache sagt mehr als tausend Worte. Sie ist ein mächtiges Werkzeug in der Kommunikation. Umso wichtiger ist es zu wissen, wie man es perfekt einsetzt. Das gilt vor allem bei Auftritten vor Publikum.
In diesem Kapitel erfahren Sie u. a.,
Was Körpersprache über unsere Persönlichkeit verrät
In seinem Buch »Der kleine Prinz« schreibt Antoine de Saint-Exu-péry: »Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar.« Dieses Plädoyer gegen die Oberflächlichkeit ist mittlerweile wissenschaftlich widerlegt – zumindest zum Teil. Die US-amerikanische Psychologin Laura Naumann fand heraus, dass es möglich ist, Persönlichkeitsmerkmale von Menschen allein aufgrund ihrer äußeren Erscheinung vorherzusagen. Diese Erkenntnis können Sie sich für Ihren persönlichen Auftritt zunutze machen.
Naumann hatte zusammen mit Kollegen in einer Studie untersucht, wie wir zu einem Urteil über jemanden kommen, den wir zum ersten Mal sehen. In dem »Psychology Today«-Artikel, der 2010 über die Studie berichtete, heißt es: »Menschen schätzen Ihre Persönlichkeit ein, bevor Sie auch nur den Mund aufgemacht haben.« Es geht hier also – wieder einmal – um die Mehrabian’schen 55 %, von denen im letzten Kapitel die Rede war.
Die Forscher um Laura Naumann kamen zum Ergebnis, dass wir ziemlich sicher auf den Grad der Ausprägung von vier Persönlichkeitsmerkmalen schließen können, wenn wir das Ganzkörperfoto eines Menschen betrachten. Diese vier Merkmale sind Extrovertiertheit, Offenheit für neue Erfahrungen, Selbstwertgefühl und Liebenswürdigkeit. Was waren aber die optischen Schlüsselfaktoren, auf die die Probanden bei den Fotos besonders angesprungen sind? Die Forscher identifizierten vier wesentliche Faktoren, die auf positive Persönlichkeitseigenschaften schließen ließen:
- das Lächeln
- ein gepflegtes Äußeres
- ein sicherer Stand
- eine offene Armhaltung
Ein Lächeln öffnet Türen
Der auffälligste Faktor war das Lächeln (Smile). Die Forscher beschreiben es so: »Wer lächelt, erzeugt bei anderen Menschen das Gefühl, ein hohes Maß an Extrovertiertheit und ein hohes Selbstwertgefühl zu haben«. Außerdem halten Betrachter solche Menschen für liebenswürdig und äußerst empathiefähig. Mit einem Lächeln kann man also schon viel bewirken.
Niemand hat es schöner gesagt als der amerikanische Komiker und Pianist Victor Borge: »Ein Lächeln ist die kürzeste Verbindung zwischen zwei Menschen.«
Ein gepflegtes Äußeres
Der nächste Faktor ist ein gepflegtes Äußeres (neat appearance). Wer so eine akkurate Erscheinung hat, wirkt extrovertiert und sozial kontaktfähig. Wer dagegen einen Stil pflegt, der nicht der Norm entspricht, wird erst einmal kritischer gesehen. Das können bunt gefärbte Haare sein oder Kleidung, die aus dem Rahmen fällt. Erinnern wir uns an die Punker-Bewegung in den 1980er-Jahren, die sich ja ganz bewusst gegen die Norm gestellt hat: mit Nieten, Nasenringen und wild aufgebürsteten Haaren. Die Psychologen aus Kalifornien sprechen hier von einer »markanten Erscheinung« (distinctive appearance) und nennen als weiteres Beispiel dafür z. B. Tätowierungen. Wer sich so präsentiert, wirkt auf andere Menschen zwar so, als sei er offen für neue Erfahrungen; allerdings wird er auf den ersten Blick nicht für sonderlich diszipliniert gehalten. Das ist übrigens auch der Grund, warum in vielen Berufen Uniform getragen wird: damit sich niemand anhand der Kleidung ein (negatives) Urteil bildet.
So tragen z. B. die Flugbegleiter bei der Lufthansa Uniform, die sie auch nicht durch markante Schmuckstücke verzieren dürfen. Tätowierungen und Piercings müssen abgedeckt werden, weil sie für die Passagiere nicht sichtbar sein dürfen. |
Ein sicherer Stand
Weiter geht es mit dem Stand: Hier wird zwischen »dynamischem Stand« (energetic stance) und dem »verkrampften Stand« (tence stance) unterschieden. Beim dynamischen Stand sind beide Beine fest auf dem Boden, wobei ein Bein das Hauptgewicht trägt und das andere beweglich bleibt. In der Präsentationstechnik nennt man diese Position »Standbein/ Spielbein«. Sie wird von anderen außerordentlich positiv wahrgenommen und mit den Persönlichkeitsmerkmalen Liebenswürdigkeit und hohes Selbstwertgefühl in Verbindung gebracht. Der verkrampfte Stand dagegen – hier sind die Beine quasi ineinander verknotet – deutet auf Unfreundlichkeit, Introvertiertheit und gar Neurotizismus hin. In Auftritts-Seminaren sind es oft junge Damen, die eine solche Position einnehmen und damit zeigen, dass ihnen die Situation vor Publikum äußerst unangenehm ist. Die Botschaft: »Ich will hier raus, ich mache mich klein. Bitte lasst im Boden eine Luke aufgehen, in der ich verschwinden kann.«
Die Arme
Als letzten Schlüsselfaktor, der auf eine bestimmte Ausprägung der Persönlichkeitsmerkmale schließen lässt, führen die Forscher die »verschränkten Arme« (folded arms) an. Laut Studie ist das eine geschlossene Position, die auf einen introvertierten Menschen hinweist. Menschen, die ihre Arme verschränken, kennen wir alle aus dem Alltag. Es kann sich dabei tatsächlich um eine Abwehrhaltung handeln. Aber Vorsicht: Die verschränkten Arme können auch eine Bequemlichkeitshaltung sein – oder vielleicht ist dem anderen gerade nur kalt. Es kommt immer auf den Zusammenhang an.
Einige Körpersprache-Trainer sind der Meinung, bestimmte Gesten – wie die verschränkten Arme – seien absolut verboten. Davon halte ich überhaupt nichts. Verbote sind sogar gefährlich: Wenn man sich ständig selber beobachtet und darauf überprüft, welche Gesten und Haltungen man gerade einnimmt, wirkt der gesamte Auftritt nicht mehr natürlich und authentisch, sondern hölzern und aufgesetzt.
Der Blickkontakt
Ein weiterer wichtiger Faktor, der in der Studie der Psychologin Naumann zwar keine Rolle spielte, jedoch auch darüber entscheidet, wie man auf andere wirkt, ist der Blickkontakt. Andere wissenschaftliche Untersuchungen haben gezeigt, dass ein Blick das Selbstwertgefühl erhöht – und zwar sowohl bei demjenigen, der guckt, als auch bei dem, der angesehen wird. Es geht schlicht um Wahrnehmung. Ein Blick suggeriert anderen: Ich nehme dich wahr, ich sehe dich.
Magische Blicke: Von einem Zauberkünstler lernen
In seinem Buch »Win the Crowd« nennt der amerikanische Zauberkünstler Steve Cohen ein paar wichtige Tipps zum Thema Blickkontakt. Cohen gibt regelmäßig Zaubervorstellungen in einer Suite im Waldorf Astoria in New York – eine intime Show im Stile alter Salonmagie. Abgesehen davon, dass er als Magier ein absoluter Könner ist, zeigt er dort, dass er die Tipps aus seinem Buch allesamt auch selbst auf der Bühne lebt. Er schreibt, man gewinne auf der Bühne an Präsenz, wenn man den Raum mit seinem Bick abfächelt (»fanning the room«). Abfächeln heißt, seinen Blick durch das Publikum schweifen zu lassen und dabei einzelne Zuschauer auch mal länger anzuschauen. Der Blick sollte dabei jedoch nicht länger als 5 bis 10 Sekunden gehalten werden. Alles, was länger dauert, wird als Anstarren interpretiert und wirkt negativ oder gar unheimlich.
Bei größeren Auftritten wird es allerdings schwierig, sich einzelne Zuschauer mit dem Blick vorzunehmen. In solchen Fällen empfiehlt Cohen, den Zuschauerraum in vier Quadranten zu unterteilen und sich in jedem Quadranten »Key People« zu suchen. Der Blick wandert dann zwischen den Menschen, die man sich in jedem Block gesucht hat. Die Zuschauer neben den Schlüsselpersonen werden sich automatisch mit angesprochen fühlen.
Wenn Sie auf der Bühne präsentieren, suchen Sie also den Blickkontakt zu Ihrem Publikum. Und halten Sie ihn für eine Weile. So fühlen sich die Zuschauer auch wirklich angesprochen. Ein schnelles, unruhiges Hin- und Herschauen wirkt dagegen verhuscht und nimmt dem Vortragenden Präsenz.
Die Haltung und die Gestik
Wie Sie bereits erfahren haben, ist die Haltung ein ganz entscheidender Faktor dafür, welchen Eindruck wir bei anderen hinterlassen. Hier kommen wir daher zur Frage, wie man auf der Bühne am besten steht und wo man die Hände lässt.
Alles beginnt mit einem festen Stand. Entweder Sie entscheiden sich für die Variante Standbein/Spielbein,...