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Der Preis des Ruhms

Eine Weltgeschichte des Siebenjährigen Krieges

AutorMarian Füssel
VerlagVerlag C.H.Beck
Erscheinungsjahr2019
Seitenanzahl657 Seiten
ISBN9783406740060
FormatePUB/PDF
KopierschutzWasserzeichen/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis28,99 EUR
'Mein Unglück ist, daß ich noch lebe... von einem Heere von 48.000 Mann hab ich jetzt, wo ich dies schreibe, keine 3000.' Als Friedrich der Große dies am 11. August 1759 notiert, liegt die furchtbare Schlacht bei Kunersdorf hinter ihm. Das Grauen dieses einzigen Tages steht emblematisch für einen Weltkrieg des 18. Jahrhunderts, dessen Ereignisse zwischen 1756 und 1763 ganz Europa, aber ebenso die überseeischen Imperien Frankreichs, Großbritanniens und Spaniens oder die Indianerstämme Nordamerikas in Mitleidenschaft zogen.
Marian Füssel, Professor für Geschichte der Frühen Neuzeit an der Georg-August-Universität Göttingen, legt eine große, spannende Darstellung dieses Weltkriegs vor.

Marian Füssel lehrt als Professor für Geschichte der Frühen Neuzeit an der Georg-August-Universität Göttingen.

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Leseprobe

II

Geopolitik zwischen Reich und Empire


Krieg und Globalisierung


Was bedeutet es nun konkret für die Anlage einer Darstellung, den Siebenjährigen Krieg als einen global ausgetragenen Konflikt zu begreifen?[1] Die Globalität des Krieges ist letztlich ein Effekt sich überlappender regionaler Konflikte. Man muss nur entscheiden, welche Kriege man unter einer einzigen Linse betrachten will, damit nicht irgendwann «jeder Schuss», der in den 1750er und 1760er Jahren des 18. Jahrhunderts «irgendwo auf der Welt» fiel, zu einem Teil des Siebenjährigen Krieges wird.[2] Bei näherer Betrachtung ist weder die zeitliche noch die räumliche Dimension dieses Konfliktes unumstritten.[3] Die erste augenfällige globale Dimension liegt in der Konfrontation des britischen und französischen Kolonialreiches und deren Koppelung an den Dritten Schlesischen Krieg. Eine in diesem Sinn primär geopolitische Perspektive nehmen Autoren wie Daniel Baugh ein, und mit ihr gewinnen Akteure wie Thomas Pelham-Holles, Duke of Newcastle (1693–1768), William Pitt (1708–1778), Friedrich II. oder der Duc de Choiseul (1719–1785) an Bedeutung.[4]

In Großbritannien diskutierte man die geopolitische Alternative von «blue water policy» oder «continental commitment».[5] Denn seit 1714 stand England ja mit dem Kurfürstentum Hannover in Personalunion, die Bindung an den Kontinent musste daher im strategischen Kalkül immer mit berechnet werden und sollte sich gerade für den Siebenjährigen Krieg als extrem folgenreich erweisen.[6] In die imperiale Konfrontation wurde durch den «pacte de famille» 1762 auch noch das spanische Kolonialreich miteinbezogen. Eine der einflussreichsten militärischen Akteure an der Grenze des christlichen Europas, das Osmanische Reich, blieb dem Konflikt konsequent fern, obwohl sowohl der preußische König als auch Frankreich immer wieder versuchten, die Sultane Osman III. (1699–1757) und Mustafa III. (1717–1774) zu einem Bündnis zu bewegen.[7] Allein von der räumlichen Ausdehnung ist die Rede vom Weltkrieg also zunächst evident.

Zeitlich verschiebt sich mit dem globalen Fokus der Kriegsausbruch von dem in Deutschland gängigen Ausbruchsjahr 1756 mehr und mehr in die Phase der Jahre 1751 bis 1754 und erlaubt, Konflikte in Indien (Arcot) und dem Ohio-Tal als den eigentlichen Beginn auszumachen. Letztlich, so die radikalste Position, gehe der Konflikt bis auf den Frieden von Aachen 1748 zurück, der viele unzufriedene Akteure und ungeklärte Ansprüche hinterlassen hatte.[8] Schon 1899 schrieb Georg Küntzel, dass für «die Austragung der colonialen und schlesischen Frage» der Aachener Friede «nur den Werth eines kurzen Waffenstillstandes» gehabt habe.[9] Auch das Ende franst in der jüngeren Historiographie weiter aus. Nicht mehr die Friedensschlüsse von Paris und Hubertusburg 1763, sondern auch der Pontiac-Krieg (1763–1765) oder die Kämpfe der East India Company gegen den Nawab von Oudh (1764–1765) werden als mögliche Endpunkte gehandelt.[10] Weitet man die Kontexte der Vor- und Nachgeschichte noch deutlicher aus, kann der Siebenjährige Krieg mit Arthur Buffinton auch als Teil eines «Zweiten Hundertjährigen Krieges» zwischen Frankreich und Großbritannien im Zeitraum von 1689 bis 1815 interpretiert werden.[11] Ein Label, das jedoch sowohl eine Homogenität und Zusammengehörigkeit diverser Konflikte suggeriert, die keineswegs alle unmittelbar miteinander verkettet waren, als auch eine erhebliche Einschränkung der wirkmächtigen Akteure bedeuten würde.[12] Die wichtigste Lektion, die von der postkolonialen Forschung von Indien bis nach Nordamerika in diesem Zusammenhang zu lernen ist, ist wahrscheinlich die symmetrische und nichtteleologische Betrachtungsweise imperialer Konflikte.[13] Das heißt erstens ganz konkret: Wir sollten die Ereignisse nicht immer so erzählen, dass der Triumph des britischen Empire ihren logischen Fluchtpunkt bildet. Zweitens heißt es, die lokalen Akteure nicht als Beiwerk zu den Verstrickungen europäischer Mächte zu begreifen, sondern als potentiell handlungsmächtige Akteure. So haben jüngere Arbeiten zur Geschichte der ‹Indianer› Nordamerikas die gängige Perspektive umgekehrt und die Geschichte aus der Perspektive der Native Americans erzählt, eine Geschichte, in der die permanente Bedrohung nun aus dem Osten kommt.[14] Von der Quellenlage ist diese Symmetrie allerdings nicht ohne Weiteres herzustellen, da nicht überall die gleiche Dichte schriftlicher Quellen herrscht. Ein materielles Quellenzeugnis der indianischen Kommunikationskultur sind die sogenannten Wampum-Gürtel aus Perlen von Muscheln und Schneckengehäusen, die zur Bestätigung von Verträgen oder als Zahlungsmittel genutzt wurden.[15] Das Quellenproblem liegt für die Überlieferung zu den einfachen Soldaten des Ancien Régime jedoch in ähnlicher Weise vor, hat aber nicht dazu geführt, die Perspektive einer Militärgeschichte ‹von unten› aufzugeben.[16]

Entscheidender noch als die schiere zeitliche und räumliche Ausdehnung des Konflikts ist die Frage nach den Interdependenzen und lokalen Machtgefügen. Der Krieg begann in Nordamerika und Indien, und erst ein Jahr später führte man in Europa Krieg; andere Regionen wie Afrika oder die Karibik wurden wiederum erst durch europäische Initiative zu Kriegsschauplätzen. Die Verkettung unterschiedlicher Kriegstheater wirft die Frage nach der globalisierenden Wirkung des Krieges auf. Globale Verflechtung findet auf mehreren Ebenen statt, die den Kreis um die geopolitischen Entscheidungsträger noch einmal signifikant erweitern. Globale Interaktion vollzieht sich unter anderem in wirtschaftlichen, religiösen, politischen, militärischen, kommunikativen und kulturellen Bereichen. Global operierende Handelsgesellschaften wie die britische East India Company (EIC) oder die französische Compagnie des Indes (CdI) hatten enormen Einfluss auf den Konflikt.[17] Während die französische Indienkompanie allerdings recht eng an die Krone gebunden war, konnte die britische wesentlich autonomer handeln, wenngleich sie auf militärische Unterstützung angewiesen war und die Krone mit der immer wieder anstehenden Verlängerung ihrer Privilegien ein gewisses Druckmittel in der Hand hielt. Stockfisch von der Küste Neufundlands, Pelze aus Kanada, Zucker und Rum aus der Karibik, Gummi arabicum aus Afrika oder Salpeter aus Indien bildeten nur einige der global zirkulierenden Handelsgüter, die im Siebenjährigen Krieg eine Rolle spielten.[18] Die Handelsgesellschaften agierten als militärische Akteure, wurden zu Territorialherren und bildeten kommunikative Netzwerke aus. Aus Sicht der Herrscher der ehemaligen Provinzen des indischen Mogulreiches bildeten die Kompanien Bündnispartner in Prozessen der Staatsbildung. Nach dem Tod des Großmoguls Aurangzeb (1618–1707) wirkten in Indien Prozesse, die denen im Alten Reich nicht unähnlich waren – freilich mit dem Unterschied, dass sie von der kolonialen Geschichtsschreibung meist als Zerfallsprozess gedeutet wurden.[19] Die einzelnen Provinzen versuchten, ihre «fiskalischen und ökonomischen Ressourcen zur Schaffung eines eigenen Staates zu mobilisieren».[20] Ein Prozess, den Michael Mann auch als «segmentäre Staatsbildung» bezeichnet hat.[21] Für Mann ist es mit Blick auf Südasien die Parallelität von Staatsbildungsprozessen, die den Siebenjährigen Krieg «tatsächlich zu einem ersten Weltkrieg» werden lassen. So wäre es ein «Trugschluss», die globalgeschichtliche Dimension allein in der «interkontinentalen Vernetzung von Ressourcen, Informationen und Menschen» zu sehen.[22] Vielmehr gelte es, die «Bruchzonen» der Globalisierung aufzuzeigen. So stehen am Ende Asymmetrie und Herrschaft und nicht grenzenlose Zirkulation. Die Aufgabe, der Vernetzung von Ressourcen, Informationen und Menschen nachzuspüren, wird damit jedoch nicht obsolet.

Für die kommunikativen Kanäle ebenso wie die öffentlich wirksamen Faktoren hatten auch religiöse Akteure eine enorme Bedeutung, sei es in der Korrespondenz von Missionaren oder konfessioneller und interreligiöser Propaganda. Für Nordamerika und Indien sind etwa die Relationen der Jesuiten aufschlussreich, für Südindien die der Dänisch-Halleschen Mission in Tranquebar.[23] Selbst der Vatikan wurde zum Akteur im Zeichen eines Abschieds vom Religionskrieg.[24] Neben den offiziellen Kirchen...

Blick ins Buch
Inhaltsverzeichnis
Cover1
Titel3
Impressum4
Inhalt5
I. Prolog: Ein globaler Konflikt aus der Nähe9
Weltgeschichte aus der Nähe9
Getrennte Wege der Forschung14
Zeugen und Zeugnisse19
Strukturen und Ereignisse28
II. Geopolitik zwischen Reich und Empire32
Krieg und Globalisierung32
Ziele und Interessen36
Armeen und Ressourcen40
Soldat werden: Motive und Passagen52
Die gute Policey des Krieges? Praktiken der Kriegführung58
«für einige Acker voller Schnee»oder Die Welt in Flammen66
III. Ein Feuer wird entfacht72
Jumonvilles Tod72
Braddocks Niederlage am Monongahela78
Krieg in denWäldern: «Americanische» Gewaltpraktiken84
Die Konvention von Westminster und die diplomatische Revolution92
Die Eroberung Menorcas und der Tod des Admirals96
Das Schwarze Loch der Propaganda: Kalkutta Juni 175698
IV. Kriegstheater ohne Fronten: Das Reich als Kriegsschauplatz110
Vorzeichen des Krieges110
Einmarsch in Sachsen112
Lobositz: Die Erfahrung der Schlacht116
Wessen Sieg?122
Die Schlacht lesen125
Pirna: Die Kapitulation der sächsischen Armee128
Auf dem Reichstag: Die Politik des Verfahrens130
V. 1757 – Das Jahr der Schlachten136
«Immer nur bataillieren»136
Von Prag nach Kolin140
Zittau: Ein Stadtbrand mit Folgen148
Russischer Vormarsch: Groß-Jägersdorf151
Von Hastenbeck bis Kloster Zeven158
Ein Husarenstück in Berlin160
Roßbach: Eine merkwürdige Bataille163
«Soubisiaden»: Reaktionen auf Roßbach167
Frischer Wind im Westen169
Leuthen: Der Sieg der Erfahrung175
Fort William Henry: Ein umstrittenes«Massaker»181
Plassey: Clive of India186
VI. Wahrnehmungen und Erfahrungen des Kriegsalltags189
(K)ein Religionskrieg? Ein geweihter Degen und viel Papier190
Hitze und Kälte205
Hunger und Durst208
An den Grenzen von Sprache und Verständigung211
VII. 1758 – Ausweitung der Kampfzone?215
Ein Bündnis mit den Osmanen?215
Der Pommersche Krieg216
«Wir sind auf der frantzosen Jagd» Herzog Ferdinands Feldzug 1758219
Gefährliche «Abstiege»: Britische Raids an der französischenKüste226
Tief im Westen233
Von Löwen und Ananas: Ticonderoga und Louisbourg 1758234
Zorndorf oder Die Entgrenzung der Gewalt241
Die Medienschlacht und ihr Publikum245
Hochkirch: Ein nächtlicher Überfall249
Unterwegs in Pommern253
An der Küste Afrikas: St. Louis und Gorée256
Brennender Zucker und Tropenkrankheiten: Der Kampf um die Karibik258
Indien 1758–1759264
VIII. 1759 – Annus Mirabilis270
Der Wind dreht sich270
Kanonen und Rosen: Die Schlacht bei Minden272
Candide auf dem Schlachtfeld279
Kunersdorf: Das Mirakel des Hauses Brandenburg281
Québec: Der Fall der Nouvelle-France287
Ungleiche Seeschlachten: Vom Stettiner Haff bis Quiberon302
Der «Finckenfang» von Maxen309
Endlich Frieden? Die vertane Chance von Augsburg312
IX. Mit Degen und Feder: Ein Medienkrieg315
Ein neues Karthago?315
Der«König der Pressen» im «Zeitungskrieg»320
Der Krieg der Dichter322
Der Krieg der Bilder328
Den Krieg konsumieren und erinnern331
Die Nachricht als Ware337
Welt-Wissen? Der globale Krieg als Medienereignis343
X. Städtische Lebenswelten im Ausnahmezustand346
Okkupation zwischen Korruption und Kooperation346
1760:Die Räume werden enger348
Dresden in Flammen350
Überraschung in Berlin354
Kämpfein Nordwestdeutschland362
Montréal kapituliert365
Zwischen Aufschwung und Depression: Boston, New York, Philadelphia369
Unter Geiern: Das Fischer Korps zwischen Niederrhein und Ostfriesland371
Zu Gast bei Feinden: Kriegsgefangenschaft375
Mars unter den Musen: Universitäten im Krieg382
XI. 1761 – Vertane Chancen und neue Allianzen389
Umkämpftes Hinterpommern: Die drei Belagerungen Kolbergs395
Entlang der Peene: Das Ende des Pommerschen Krieges397
Martinique und die Kontrolle über die Karibik400
Wandiwash und Pondicherry: Auf dem Weg zur britischen Vorherrschaft401
Der Schlaf des Königs: Kein Frieden für die Indianer405
Der Phantastische Krieg: Spanien vs. Portugal407
XII. Zwischen Moskitos und Monsun:Der Griff nach Spaniens Kolonien413
Kampf um den «Schlüssel zur Neuen Welt»:Havanna 1762413
Plündern im Dienst des Empire: Manila 1762427
Lateinamerika als Kriegsschauplatz438
XIII. Das zweite Mirakel440
Der Tod der Zarin440
Die beständige Fata Morgana eines Bündnisses am Bosporus443
Letzte Gefechte445
XIV. 1763 – Endlich Frieden450
Der Weg zum Frieden: Fontainebleau450
Der Frieden von Paris452
Der Frieden von Hubertusburg455
Europa feiert den Frieden457
Prekäre Versprechen465
XV. Folgen eines Krieges470
Das Empire zu Hause: Soziale und kulturelle Rückwirkungen auf Europa470
Gewinner und Verlierer: Verluste, Reparationen und Profite473
Ökonomien des Krieges476
Helden-Maschinen481
Kriegsgerichtsprozesse486
Kriegsheimkehrer488
Reformen und Revolutionen: Politische und kulturelle Folgen494
XVI. Epilog: Entscheidungen – Signaturen – Wahrnehmungen498
Das Mirakel des Kriegsverlaufs501
Sicherheit als Motor der Politik505
Krankheit und Gewalt507
Verflechtung und Entflechtung513
Schreibweisen des Krieges517
Der Krieg der Sinne520
Dank523
Anmerkungen524
Siglenverzeichnis639
Literaturverzeichnis640
Bildnachweis646
Personenregister647
Zum Buch657
Über den Autor657

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