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Der Selbstversorger: Mein Gartenwissen

Der Bestseller in überarbeiteter und aktualisierter Neuauflage

AutorWolf-Dieter Storl
VerlagGRÄFE UND UNZER
Erscheinungsjahr2017
ReiheGU Selbstversorgung 
Seitenanzahl192 Seiten
ISBN9783833860881
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis18,99 EUR
Viele träumen davon, Selbstversorger zu werden und sich von dem zu ernähren, was im eigenen Garten wächst oder in freier Natur gesammelt werden kann. Der bekannte Ethnobotaniker Wolf-Dieter Storl tut dies seit Jahrzehnten. In diesem ebenso spannenden wie hoch informativen Buch erzählt er seine eigene Selbstversorger-Geschichte und gibt zahlreiche fundierte Informationen, Tipps und Anleitungen für den Eigenanbau von Gemüse, die Wildsammlung von Kräutern, für natürliche Schädlingsbekämpfung, die Herstellung von hochwertigem Kompost und vieles andere mehr. Dabei setzt er auf Nachhaltigkeit, Naturnähe und Ganzheitlichkeit. Ein prall gefüllter Schatz an Profi- und Geheim-Tipps für Einsteiger und Fortgeschrittene!

Dr. phil. Wolf-Dieter Storl studierte Kulturanthropologie und Ethnobotanik und lehrte zunächst an verschiedenen Universitäten, unternahm zahlreiche Studienreisen und veröffentlichte Artikel und Bücher zu seinen ethnobotanischen Feldforschungen. 1988 zog er sich mit seiner Familie auf einen Einödhof im Allgäu zurück, wo er gärtnert und den Geheimnissen der Heilkräuter und Wildpflanzen nachgeht. Er hält regelmäßig Vorträge und Seminare und veröffentlichte zahlreiche Bücher, darunter mehrere Bestseller.

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Leseprobe

Den Zuckermais lernte ich erst in Amerika kennen, aber seitdem liebe ich ihn. Jedes Jahr verteidige ich meine Maispflanzen gegen diebische Elstern und schlechtes Wetter, um im Herbst frisch geröstete Kolben genießen zu können.

ABENTEUERLEBEN


Als ich elf Jahre alt war, wanderten wir nach Ohio aus. Der Wohlstand, der Überfluss, ja, die sorglose Verschwendung, die einem dort begegneten, standen im krassen Gegensatz zur Not im Nachkriegseuropa.

Überfluss und Verschwendung


Für uns war es, als wären wir im Schlaraffenland gelandet. Fernsehen gab es dort schon, überall fuhren dicke Straßenkreuzer, und in den Küchen standen Kühlschränke, so groß wie Kleiderschränke. Die waren vollgestopft mit Milchflaschen, Schinken, Eiern, Truthahnschenkeln; im Gefrierfach gab es Sahneeis und popsicles (Eis am Stiel). Wenn man draußen beim Spielen auf etwas Appetit bekam, ging man einfach in das Nachbarhaus und holte sich, ohne fragen zu müssen, einen Keks, ein Eis, ein Glas Limonade oder Milch, oder man machte sich ein Sandwich. Das war selbstverständlich.

Fleisch konnte man sich im Nachkriegseuropa höchstens mal am Sonntag oder zum Feiertag leisten. Hier aber, bei unseren Nachbarn, kam es Tag für Tag auf den Teller, und zwar in so riesigen Mengen, dass der größte Teil davon in der Abfalltonne landete. Deshalb roch es jeden Abend in der Ortschaft nach verbranntem Fleisch; es gab keine öffentliche Müllabfuhr, also wurde der Müll – Papier, Kartons, alte Kleidung, zusammen mit den Essensresten – in einer alten Öltonne verbrannt. Jeder hatte so eine Tonne hinter dem Haus.

Kleine Bäckereien wie in der Alten Welt gab es nicht, dafür aber eine Brotfabrik, welche die ganze Region mit watteweichem Weißbrot und viel zu süßem Kuchen belieferte. Backwaren, die älter als einen Tag waren, wurden in große Säcke gefüllt und als Schweine- oder Hühnerfutter für wenige Cent an die Farmer verkauft. Auch wir haben uns jede Woche einen solchen Sack gekauft, denn noch waren wir mittellose Einwanderer. Beim Fleischer gab es Fleischknochen und Innereien – Leber, Niere, Lunge, Hirn –, alles umsonst. Diese »Schlachtreste« haben sich die Hundebesitzer für ihre Hunde oder die Trapper als Köder für ihre Fallen geholt. Aber auch viele Schwarze, die getrennt von den Weißen in den Armenvierteln wohnten, bedienten sich. Auch wir holten uns diese Leckerbissen und konnten kaum glauben, dass sie einfach verschenkt wurden.

» Was von meinen Jugenderfahrungen blieb, war die innere Überzeugung, dass man, wenn man naturnahe lebt, auch die schwierigsten zeiten überstehen kann. «

Guerillas gegen Maos Truppen


Ich verdiente mein eigenes Geld mit Zeitungsaustragen und indem ich einem Nachbarn, einem alten deutsch-amerikanischen Hufschmied, beim Gärtnern half. Dem Alten bin ich dankbar, denn bei ihm lernte ich die täglichen Pflegemaßnahmen für den Gemüse- und Obstgarten sowie die Kompostierung kennen. Wenn ich nicht arbeitete, zog es mich in den Wald. Häufig schlief ich am Wochenende auf Moos gebettet unter dem Laubdach. Und während der dreimonatigen Sommerferien verbrachte ich oft ganze Wochen in der Waldwildnis. Weit weg von den Menschen schlug ich mein Lager auf, beobachtete die Tiere, erforschte Bachläufe und Hügel.

Und immer versuchte ich vom Land zu leben, so gut es ging. Am Lagerfeuer kochte ich mir Mais und Kartoffeln zusammen mit Wildspargel und Wildkräutern. Ich sammelte Wildobst, unter anderem Holzäpfel, Wildbirnen, Maulbeeren, Brombeeren, Himbeeren, Hagebutten, Erdbeeren, die kleinen, zuckersüßen Beeren des Zürgelbaums (engl. hackberry), der auch in Mitteleuropa gelegentlich in Parks anzutreffen ist, und die wilden, mit den Kaki-Früchten verwandtenDattelpflaumen (engl. persimmon). Das Bedürfnis, sich überall selbst versorgen zu können, gekoppelt mit einem Misstrauen gegen die so selbstsichere, im Überfluss lebende Gesellschaft, war tief in mir verwurzelt. In der Schule lernten wir zwar, dass der Fortschritt unaufhaltbar sei. Der Lehrer zeichnete uns das Bild von einer immer effizienter werdenden Landwirtschaft der Zukunft, wo Maschinen alles machen und der Farmer im weißen Kittel nur noch Knöpfe drücken muss; bis zum Jahr 2000 würden, dank der Antibiotika, alle Krankheiten ausgerottet sein und sich alle Menschen bester Gesundheit erfreuen; dank der Kernkraft würde es dann Energie in Hülle und Fülle geben. Ich war mir bei alldem nicht so sicher.

Es war niemand da, der mir das, was ich wissen wollte, beibringen konnte, und die heute so beliebten Survival-Kurse gab es damals nicht; sie hätten auch niemanden interessiert. Zum Glück besaß ich ein Pfadfinderhandbuch. Da standen einige Wildpflanzen drin, die man essen könne, wenn man sich in der Wildnis verläuft; auch wie man ohne Streichhölzer Feuer macht oder wie man praktische Knoten knüpft, erfuhr ich aus diesem Buch. Den Teil über essbare Wildpflanzen habe ich praktisch auswendig gelernt.

Manchmal begleiteten mich meine besten Freunde auf den Streifzügen im Wald. Es war die Zeit kurz nach dem Koreakrieg. In der Schule und in den Medien wurde ständig von der »gelben Gefahr« gesprochen. In China hatteMao Tse-tung den Sieg davongetragen und das kommunistisch gewordene, bevölkerungsreiche Land wurde allgemein als Bedrohung empfunden, gegen die der Westen gerüstet sein müsse. Das hat unsere Fantasie beflügelt. Ich überzeugte meine Freunde, eine Partisanentruppe – das Wort Guerilla gab es noch nicht – aufzustellen, falls die Rotchinesen Amerika angreifen und das Land besetzen würden. Wir begannen für den Widerstand zu trainieren: Dazu gehörten schwierige Kletterübungen, Nachtmärsche, mit den über dem Kopf gehaltenen Luftgewehren durch Sümpfe und Flüsse zu waten, unter Zäunen durchzurobben, Sprit von den Farmmaschinen zu klauen, um Molotow-Cocktails daraus zu basteln und diese dann an Brücken und leer stehenden Gebäuden auszuprobieren, Einbrüche ins Schulgebäude und die Beschlagnahme von Nahrungsmitteln aus dem Hauswirtschaftsbereich, wo die Mädchen Kochen, Backen und Haushalten lernten.

Auf Beutefang


Einmal überfielen wir ein Pfadfinderlager auf einem Hügel in der Nähe. Drei von uns Jungen schreckten die im Tal weidende Rinderherde auf, sodass diese laut brüllend in Panik davonstürmte. Die Pfadfinder wurden neugierig und verließen samt ihrem Führer den Zeltplatz, um zu sehen, was los war. Derweil schlichen mein bester Freund Jim und ich ins Lager der »Feinde«, machten die Zelte platt, gossen ihre Wasservorräte im Lagerfeuer aus, füllten unsere Rucksäcke mit ihren Vorräten und machten uns aus dem Staub. Den Pfadfindern blieb nichts anderes übrig, als das Lager zu verlassen. Wir feierten unseren Sieg mit einem üppigen Schmaus aus erbeuteten Fressalien.

Aus den Feldern klauten wir den milchreifen Mais und kochten ihn in unserem Camping-Geschirr mit allen möglichen Wurzeln und Grünzeug. Ab und zu holten wir uns nachts ein Huhn aus dem Hühnerstall eines Farmers und grillten es am Lagerfeuer: Es duftete immer herrlich, war aber meistens zäh wie Leder. Hühnerklauen war gefährlich: Wenn man nicht schnell genug zupackte, gab es einen Riesenradau, dann bellten die Hofhunde und der Farmer kam mit der Schrotflinte herausgestürmt. Die war für solche Fälle meistens mit Steinsalz geladen. Enten zu fangen war auch nicht einfach: Wenn sie merkten, dass wir anschlichen, schwammen sie schnatternd auf die andere Teichseite. Beim Angeln hatten wir mehr Glück. Die am Lagerfeuer gegrillten Fische waren lecker. Trotzdem angelte ich nicht gerne, da mir die Fische ebenso leidtaten wie die am Haken aufgespießten Regenwürmer.

Im Ganzen lebten wir ein richtig freies Tom-Sawyer-und-Huckleberry-Finn-Leben. Es machte Spaß und uns ging es dabei so gut, dass wir glaubten, eigentlich könnten wir auch ohne die lästigen Eltern überleben. Heute wären unsere Streiche wohl unter die Rubrik »Jugendkriminalität« gefallen oder sie hätten zumindest zur Folge gehabt, dass dem einen oder anderen von uns Ritalin verordnet worden wäre. Was von diesen Jugenderfahrungen blieb, war die innere Überzeugung, dass man, wenn man naturnah lebt, auch die schwierigsten Zeiten überstehen kann.

Erkenntnisse der Ethnologie


Jahre später studierte ich Völkerkunde und Kulturanthropologie. Die Steinzeit, die mehr als 99 Prozent der Zeit ausmacht, in der Menschen auf der Erde leben, und die Lebensweise der Jäger und Sammlerinnen, der einfachen Hackbauern und Gärtnervölker faszinierten mich. Genauere ethnologische Untersuchungen zeigten, dass im Gegensatz zu dem Fortschrittsdogma des 19. Jahrhunderts diese Stammesgesellschaften, die es noch bis in unsere Zeit gibt, keineswegs arm, rückständig und primitiv sind. Sie leben glücklicher und stressfreier als der moderne Zivilisationsmensch, und hungern tun sie auch nicht. In einer ursprünglichen, ökologisch intakten, natürlichen Umwelt stand ihnen eine Fülle von hochwertigen Nahrungsquellen zur Verfügung. Sie lebten, wie der Anthropologe Marshall Sahlins schreibt, in der »ursprünglichen...

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