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Der Spanische Erbfolgekrieg

1701-1713/14

AutorMatthias Schnettger
VerlagVerlag C.H.Beck
Erscheinungsjahr2014
ReiheBeck'sche Reihe 2826
Seitenanzahl130 Seiten
ISBN9783406661747
FormatePUB/PDF
KopierschutzWasserzeichen/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis9,99 EUR
Am Allerheiligentag des Jahres 1700 verstarb im Alcázar von Madrid im Alter von nur 38 Jahren und kinderlos ein König, auf dessen Ableben die europäischen Regierungen schon seit Jahrzehnten hoffnungs- oder sorgenvoll gewartet hatten. Zwar hatten sich KarlII. und seine Minister redlich bemüht, eine Nachfolgeregelung zu treffen, die dem spanischen Reich die Einheit sichern und Europa einen Krieg ersparen sollte. Doch bereits im folgenden Jahr begannen die Kämpfe um das riesige Erbe und weiteten sich rasch zu einem Krieg von europäischen, ja globalen Dimensionen aus. Matthias Schnettger beschreibt in diesem Band die Vorgeschichte, den Verlauf und die Folgen dieses langen und dramatischen Konflikts: Als der Spanische Erbfolgekrieg mit den Friedensschlüssen von Utrecht (1713), Rastatt und Baden (1714) endete, hatte er Schlachten wie jene von Malplaquet (1709) gesehen, die mit ihren 36.000 Toten und Verwundeten zu den blutigsten des gesamten 18.Jahrhunderts gehörte. Die politischen Gewichte in Europa hatten sich kräftig verschoben. Manche Ergebnisse dieses Krieges wirken sogar bis heute fort.

Matthias Schnettger lehrt Neuere Geschichte an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Die Geschichte des Alten Reiches und Italiens sowie die internationalen und transnationalen Beziehungen im frühneuzeitlichen Europa bilden Schwerpunkte seiner Forschung.

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Leseprobe

II. Der Weg in den Krieg


1. Das letzte Testament Karls II.


Während die Seemächte auf einen möglichst allgemein akzeptierten Teilungsvertrag zur Vermeidung eines Erbfolgekonflikts setzten, dauerten in Madrid die Bemühungen um eine testamentarische Lösung an. Nach dem Tod des Kurprinzen und dem damit einhergehenden Wegfall der bayerischen Option lassen sich drei Lager oder «Parteien» unterscheiden: die österreichische und die französische Partei sowie eine Gruppierung, die man als «nationalspanisch» bezeichnen könnte und deren vorrangiges Ziel es war, die Einheit der Gesamtmonarchie zu behaupten.

Neben den kaiserlichen Gesandten Ferdinand Bonaventura Graf Harrach und seinem Sohn Aloys Thomas Raimund war Königin Maria Anna von Pfalz-Neuburg das Haupt der österreichischen Partei und setzte sich mit großem Nachdruck für die Nachfolge ihres Neffen Erzherzog Karl ein. Eine nennenswerte französische Partei gab es am spanischen Hof seit dem Tod der Königin Marie Louise (1689) angesichts des langjährigen Krieges mit Ludwig XIV. nicht, auch wenn einige hohe Adlige wie der Graf von Oropesa, der 1685 bis 1691 und erneut 1698/99 Erster Minister war, zeitweise als gut französisch gegolten hatten. Der neue Botschafter Ludwigs XIV. in Madrid, Henri d’Harcourt, hatte also echte «Aufbauarbeit» zu leisten. Zum Teil spielte ihm Königin Maria Anna in die Hände, die manchen Granden vor den Kopf stieß und deren Vertraute, die Gräfin Gertrud von Berlepsch, vielen so verhasst war, dass der Kaiser im Frühjahr 1700 ihre Entfernung aus Madrid veranlasste. Mindestens ebenso nachteilig für die österreichische Partei war, dass Leopold I. es versäumt hatte, seinen Lieblingssohn Karl frühzeitig nach Spanien zu schicken und so zum «natürlichen», quasi einheimischen Thronfolger aufzubauen. Zwar hatte er 1695 in der Endphase des Neunjährigen Krieges Hilfstruppen unter dem Oberbefehl Georgs von Hessen-Darmstadt nach Spanien gesandt, die in Katalonien gegen die Franzosen kämpften. Frankreich aber hatte durch die Einnahme Barcelonas kurz vor Kriegsende einerseits erneut seine überlegene Macht unter Beweis gestellt und durch die Schonung Spaniens im Frieden von Rijswijk 1697 andererseits demonstriert, dass es zu einem Ausgleich mit Spanien bereit sei. Zugleich zeigte sich Ludwig XIV. entschlossen, eine Reise des Erzherzogs nach Madrid zu Lebzeiten Karls II. zu verhindern, und stand hierbei im Einklang mit dem Zweiten Teilungsvertrag, der ebendies ohne Zustimmung der Signatarmächte untersagte.

Es waren keineswegs nur oder vorwiegend emotionale Gründe oder die Wirkungen der monetären «Handsalben» Frankreichs, die viele spanische Granden und insbesondere Kardinal Portocarrero, der seit dem Frühjahr 1699 faktisch die Stellung eines Ersten Ministers innehatte, dazu bewogen, sich dem Haus Bourbon zuzuwenden: Um die Teilungspläne der Mächte abzuwenden, bedurfte es eines durchsetzungsfähigen und anerkannten Alleinerben, und der war mit größter Wahrscheinlichkeit im französischen Königshaus zu finden. Wie die Seemächte wünschten auch die spanischen Minister keinesfalls eine Vereinigung der beiden Monarchien. Als Ausweg erwog man, dass durch Philipp von Anjou (1683–1746), den zweiten Sohn des Grand Dauphin Ludwig, eine eigenständige spanische Linie des Hauses Bourbon begründet würde.

Das vielleicht größte Hindernis, das es zu überwinden galt, um diesen Plan umzusetzen, war der sieche König. Er hatte bislang stets an dem Ausschluss der nach Frankreich verheirateten Infantinnen und ihrer Nachkommen von der Erbfolge festgehalten, wusste sich seinen österreichischen Verwandten verbunden und wurde von seiner energischen Gemahlin bedrängt, den Erzherzog als Erben einzusetzen. Es gelang Portocarrero jedoch, den Einfluss Maria Annas auszubalancieren, wobei ihm auch seine geistliche Autorität zustatten gekommen sein dürfte. Den wohl entscheidenden Trumpf verschaffte er sich, als es ihm gelang, sogar den Heiligen Stuhl für seine Pläne zu gewinnen.

Im Sommer 1700 wurde immer deutlicher, dass Eile geboten war, wenn man Karl II. zu einem neuen Testament bewegen wollte, da dessen Leben sich unverkennbar dem Ende zuneigte. Vor diesem Hintergrund vermochte Portocarrero ein Votum des spanischen Staatsrats zugunsten des Herzogs von Anjou herbeizuführen und den König zu bewegen, in einem auf den 13. Juni datierten Handschreiben den Papst um Entscheidungshilfe zu bitten. Bemerkenswert rasch erfolgte die Antwort auf der Basis des Gutachtens einer ad hoc eingesetzten Kardinalskongregation: Unter dem Datum des 6. Juli empfahl Innozenz XII. (reg. 1691–1700) die Einsetzung eines der Söhne des Grand Dauphin zum Universalerben. Der Papst sah hierdurch die Interessen der römischen Kirche am besten gewahrt. Es mögen aber auch Irritationen über die Reichsitalienpolitik des Kaiserhofs und dessen Paktieren mit den protestantischen Mächten mitverantwortlich gewesen sein.

Dank des päpstlichen Votums konnte Portocarrero schließlich die Gewissensskrupel des todkranken Königs besiegen, dessen Leiden sich im Herbst 1700 seinem Ende näherte. Am 28. September erhielt er die Sterbesakramente, am selben Tag sprach sich der Staatsrat erneut für die Thronfolge des Herzogs von Anjou aus, und am 3. Oktober unterzeichnete Karl II. sein am Vortag aufgesetztes letztes Testament. Dieses setzte – nach etwaigen eigenen Kindern, mit denen zu diesem Zeitpunkt aber weniger denn je zu rechnen war – Philipp von Anjou zum Universalerben ein. Als Ersatzerben wurden, in dieser Reihenfolge,Philipps jüngerer Bruder Karl von Berry, Erzherzog Karl und Viktor Amadeus von Savoyen benannt. Begründet wurde diese Erbfolgeregelung mit der Ungültigkeit der Verzichtserklärungen der Infantinnen Anna und Maria Theresia. Den Zielen Portocarreros entsprach es, dass eine Vereinigung Frankreichs und Spaniens durch das Testament kategorisch ausgeschlossen wurde. Außer der Anregung einer Ehe zwischen Philipp und einer Erzherzogin als friedensstiftender Maßnahme enthielt der Letzte Wille, wie üblich, umfangreiche Bestimmungen für die Beisetzungsfeierlichkeiten und Seelenmessen sowie Legate und Verfügungen über den persönlichen Besitz. Ausführlich behandelt wurde auch die Stellung der Königin, die unter anderem dem Regentschaftsrat angehören sollte, der bis zur Ankunft Philipps in Madrid die Geschäfte führen sollte – freilich nicht als Vorsitzende. Ein Kodizill vom 5. Oktober verbesserte die Position Maria Annas, der nun unter anderem ein Residenzrecht in den Niederlanden oder Italien sowie die Übernahme der Statthalterschaft in einer selbst gewählten Provinz zugestanden wurde, veränderte die Kernbestimmungen des Testaments aber nicht.

Offiziell war der Inhalt des Testaments geheim, und die Zeugen hatten Stillschweigen gelobt. Tatsächlich aber waren seine Kernbestimmungen schon Anfang Oktober am Madrider Hof bekannt und wurden von dort in die europäischen Hauptstädte verbreitet. Unterdessen neigte sich das Leben Karls II. seinem Ende zu. Am 26. Oktober nahm der Regentschaftsrat unter dem Vorsitz Portocarreros seine Arbeit auf, und am 1. November verstarb der letzte spanische Habsburger im Alter von 38 Jahren.

Alles kam nun auf die Haltung Ludwigs XIV. an. Unmittelbar nachdem die Todesnachricht aus Madrid am 9. November in Versailles eingetroffen war, begannen die Beratungen, und schon am 10. November beschloss ein Kronrat unter dem Vorsitz des Königs, das Testament anzunehmen – noch bevor einen Tag später die offiziellen Benachrichtigungsschreiben des Regentschaftsrats und der Königinwitwe eingingen. Am 16. November erfolgte die offizielle Annahme des Testaments, und am 24. November wurde Philipp von Anjou in Versailles und (in Abwesenheit) auf der Plaza Mayor in Madrid zum spanischen König Philipp V. proklamiert. Die Ereignisse und damit der Triumph des Hauses Bourbon wurden nicht nur am Hof feierlich begangen, sondern unter anderem durch das Massenmedium der Almanache, illustrierte Wandkalender, in der französischen Öffentlichkeit verbreitet. Betont wurden hier die Rolle Ludwigs XIV. als Königsmacher und die Einheit der Dynastie. Zugleich wurde angedeutet, dass in der neuen französischspanischen Verbindung das Übergewicht bei Frankreich liegen würde.

Die Entscheidung des Sonnenkönigs fußte auf der Erkenntnis, dass das Testament und der Teilungsvertrag von 1700 nicht miteinander zu vereinbaren waren. Es bestand also Handlungszwang. Gegen das Festhalten am Teilungsvertrag sprach die Aussicht, dass der Kaiser und Spanien sich seiner Umsetzung entgegenstellen würden und bei einer Ablehnung des Testaments die Thronbesteigung von Erzherzog Karl in Madrid zu befürchten war. Das Votum für das Testament implizierte zwar den Verzicht auf attraktive Gebietsgewinne für Frankreich in Italien und in Lothringen; immerhin aber waren die Chancen gut, die Nachfolge Philipps von Anjou im ganzen spanischen Reich durchzusetzen. Ein militärischer Konflikt mit Österreich war zwar auch in diesem Fall nicht unwahrscheinlich, doch da das Testament Karls II. die strikte Trennung beider Kronen voraussetzte, fiel für die beiden Seemächte der wichtigste Kriegsgrund weg, und man konnte auf ihr...

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