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E-Book

Der Spanische Krieg

Erste vollständige Ausgabe

AutorLudwig Renn
VerlagAufbau Verlag
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl512 Seiten
ISBN9783841210425
FormatePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis7,99 EUR
Als Ludwig Renn im Oktober 1936 in Barcelona ankommt, will er nicht nur der spanischen Republik helfen, er hat auch die unersetzlichen Erfahrungen des Weltkriegsoffiziers im Gepäck. Er wird zum Stabschef der 11. Internationalen Brigade ernannt, bewertet das Kriegsgeschehen mit bestechender Genauigkeit und handelt danach. Aus dem Exil in Mexiko zurückgekehrt, beschreibt der Schriftsteller und Offizier seine spanischen Erlebnisse und Erfahrungen später so genau wie kaum ein anderer. In der ursprünglichen Form durfte das wahrhaftige Buch dazumal nicht veröffentlicht werden. Jetzt ist es endlich erschienen ungekürzt und unzensiert.

Arnold Friedrich Vieth von Golßenau, 1889 in Dresden geboren, begann eine Offizierslaufbahn und war im Ersten Weltkrieg an der Westfront stationiert. 1920 quittierte er den Militärdienst und nahm umfangreiche Studien auf. 1928 trat er in die KPD ein. Von den Nazis verfolgt, gab er seinen Adelstitel auf und nannte sich fortan Ludwig Renn. Er floh nach Spanien und beteiligte sich am Bürgerkrieg. Von 1941 bis 1947 lebte er im mexikanischen Exil, anschließend kehrte er in seine Heimat zurück, wo ihm zahlreiche Ehrungen zuteilwurden, darunter der Nationalpreis der DDR und die Ehrenpräsidentschaft der Akademie der Künste. Ludwig Renn starb 1979 in Berlin.

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Leseprobe

Schwere Nachrichten


Es war im Juli des Jahres 1936. Vor einem halben Jahr war ich noch in Deutschland gewesen, nicht mehr eingesperrt, aber auch nicht richtig frei. Da hatte mir die heimliche Leitung der Kommunistischen Partei sagen lassen: »Du bist in Deutschland nicht mehr sicher. Versuche ins Ausland zu kommen!«

Nun war ich in der Schweiz, in einem ihrer schönsten Teile am Luganer See, dicht an der Grenze Italiens. Da hatte ich ein Buch über die ersten Jahre der Hitlerherrschaft geschrieben. Das befand sich nun im Druck, und ich empfand mit Unruhe, daß ich nicht dauernd im schönen Tessin bleiben konnte, sondern irgendwohin mußte, wo der Kampf gegen Hitler aktiver geführt wurde.

Wie jeden Tag, so ging ich heute, für den jungen Maler Reinhard Schmidthagen Milch zu holen und kaufte mir dabei eine Zeitung. Es war so warm, daß die Burschen des Dorfes schon am frühen Morgen nur mit Hose und Sandalen herumgingen und ihre braunen Oberkörper von der Luft umspülen ließen.

Ich fand Reinhard in der kleinen Küche am Herde. Auf einen Stuhl hatte er ein angefangenes Bild gestellt.

»Ich möchte es jetzt nicht weiter malen«, sagte er. »Ich werde mich gleich wieder hinlegen.«

Er konnte eben erst aufgestanden sein. Seine Augen waren müde und hatten blaue Ringe. Er war knapp über zwanzig. Vorgestern waren wir nachmittags ausgegangen, nur bis in die Mitte des Dorfes. Da es im Café keine Milch für ihn gab, nippte er an einer Tasse Kaffee. Während er vorher lebhaft mit einer Malerin gesprochen hatte, wurde er plötzlich ruhig. Er zog sein Taschentuch heraus, wischte sich den Mund und faltete es rasch zusammen. Aber ich bemerkte doch, daß ein roter Fleck darin war. Schon zweimal hatte er Blutstürze gehabt.

Beim letzten telegrafierte man seinen Eltern nach Deutschland.

Im Bemühen, ihn nicht merken zu lassen, was ich dachte, blickte ich in die Zeitung und erschrak: Gestern, am 18. Juli, hatten sich in Spanien die Generale gegen die republikanische Regierung erhoben.

Ich las das Reinhard vor. »Ach ja«, sagte er, »gestern hat mir mein Arzt gesagt, daß die spanische Regierung schwere Fehler macht. In ihrer liberalistischen Blindheit hat sie die faschistischen Offiziere nach Marokko versetzt. Als dann dem Ministerpräsidenten Giral berichtet wurde, daß diese Offiziere dort ganz offen faschistische Propaganda betrieben und sich zum Aufstand vorbereiteten, da bestellte er sich einen der Generale nach Madrid und soll ihm gesagt haben: ›Sie bereiten sich doch nicht zum Aufstand vor?‹ Natürlich versicherte darauf der General, er täte das nicht. Weiß man nicht aus der Geschichte, wie Generale und Fürsten zu lügen verstehen! – Wenn ich nur verstünde, ob ein Mann wie Giral so saudumm ist oder einfach ein Verräter! Aber wie kann man das Bürgertum überhaupt noch verstehen?«

Reinhard war sehr lebhaft geworden, erregter als ihm gut tat. Daher sagte ich: »Leg dich hin! Ich werde das Geschirr abspülen.«

Er ging auch gleich ins Nebenzimmer und lag dann im Bett, ohne sich zu rühren.

Nach dem Abtrocknen des Geschirrs ging ich hinaus in die Wärme des Sommermorgens. Ein Ziel hatte ich nicht, sondern die Unruhe trieb mich. Über Weinberge und Hügel weg sah ich weit unten einen Schimmer. Das war die Fläche des Sees. Im Sonnendunst war sie nur zu ahnen. Die Berge standen in weichen Farben da.

Wie viele Deutsche wären froh, auch nur einmal in ihrem Leben einen solchen südlichen Sonnenglanz zu sehen. Wir aber hier, die Begünstigten, können uns nicht freuen. Reinhard kann es nicht, denn seine Krankheit verbietet ihm, in die Sonne zu gehen, ihm, dem jungen, schönen Menschen. Und er leidet auch noch, so wie ich, darunter, daß drüben in Deutschland Hitler herrscht und alle Menschen, die uns lieb waren oder an deren Zukunft wir glaubten, unter der Drohung des Beils leben!

Am nächsten Tag meldeten die Zeitungen aus Spanien, daß sich das Volk erhoben hatte. Arbeiter stürmten zusammen mit treugebliebenen Soldaten fast ohne Waffen die Kasernen von Madrid und Barcelona. Nun waren die größten Städte wieder ganz in der Hand der Regierung. Aber was an treuen Truppen übriggeblieben war, hatte fast keine Offiziere, und alles war durcheinandergekommen. Die aufständischen Generale aber erhielten von Mussolini und Hitler Flugzeuge zum Transport der Mauren und Fremdenlegionäre aus Afrika über die Meerenge von Gibraltar nach Spanien.

Ich ging mit der Zeitung zu Reinhard und setzte mich an sein Bett. Er öffnete kurz die Augen und lag dann wieder still auf dem Rücken.

»Reinhard«, sagte ich, »einmal habe ich eine Gelegenheit verpaßt. Das war in Wien im Juli 1927. Ich hatte bei Pötzleinsdorf auf einer Wiese gelegen und ein Buch über chinesische Geschichte gelesen. Als ich gegen Mittag nach Hause kam, sagte meine Wirtin aufgeregt: ›Am Ring sollen sie schießen!‹

Sofort machte ich mich auf den Weg. Dann erlebte ich, wie eine vor Furcht schwitzende Polizei gegen die Arbeiter vorging. Ich stand am Straßenrand und sah mit meiner Kriegserfahrung, was man gegen diese im Straßenkampf gänzlich unerfahrene Ordnungsgarde tun konnte. Und doch war ich festgebannt. Die Arbeiter hatten meine ganze Sympathie. Aber konnte ich zu ihnen hinübergehen? Sie hätten mich doch für eine verdächtige Person halten müssen. So stand ich auf der Straße und schämte mich! Weshalb war ich nicht politisch organisiert? Und weshalb konnte ich nun, in der entscheidenden Stunde, nichts tun? Nur wegen diesem bürgerlichen Rest, dem blödsinnigen Individualismus!«

Reinhard öffnete die Augen und sagte leise: »Und jetzt willst du nach Spanien?«

»Wenn ich nur könnte! Wie soll ich ohne Papiere aus der Schweiz heraus?«

Während ich nach einem Weg suchte, Spanien zu erreichen, verstrichen Juli, August und der größte Teil des September.

In den ersten Tagen des Aufstands verfügte General Franco über 40 000 Mann organisierte Truppen. Dazu kamen 34 000 Zivilgardisten und 16 000 Mauren aus Marokko, zusammen 90 000 Bewaffnete.

Sie standen aber nicht in einem, sondern in zwei Gebieten. Das größere lag im Norden, vor allem in Alt-Kastilien. Im Süden besaß Franco zuerst nur wenig mehr als die andalusischen Städte Sevilla und Cádiz. Aber dorthin brachten die italienischen und deutschen Flugzeuge Mauren und Fremdenlegionäre.

Viele der Mauren glaubten wohl, die Zeit wäre gekommen, Spanien wiederzuerobern, das sie im Mittelalter beherrscht hatten. Vielleicht teilte man ihnen das auch unter der Hand mit, um sie für den Einsatz ihres Lebens zu gewinnen. Sie wußten wenig von den Finanzgewaltigen in Berlin und Rom, in London, Paris und vor allem New York. Diese kalten Rechner schoben die Mauren für ihre selbstsüchtigen Zwecke hin und her. Wegen dieses heimtückischen Spiels ließ man die Mauren dort wüten, wo es den Finanzgewaltigen nicht wehtat, bei den spanischen Armen.

Die Mauren drangen in Andalusien in die Wohnungen ein, aus denen angeblich geschossen worden war, und machten alles tot, Männer, Frauen und Kinder.

Die Parks, auf die Spanien so stolz war, wurden verwüstet, Bäume und Sträucher zum Essenkochen abgehackt, und die faschistischen Offiziere sahen dabei zu. Besonders schlimm hauste man in Triana, einem Stadtteil von Sevilla, in dem sich die Arbeiter gegen die Faschisten verteidigten. Die Offiziere ließen Triana mit Kanonen zusammenschießen. Dann drangen ihre Truppen ein und zerstörten alles, Lebendes wie Totes.

In Sevilla setzte sich General Queipo de Llano fest und ließ auch dann noch weitermorden, als schon jeder Widerstand aufgehört hatte. Dadurch aber erzeugte er neuen Widerstand, so daß sich die Offiziere fürchteten, nachts allein aus der erleuchteten Stadt zu gehen.

Queipo de Llano pflegte abends betrunken über das Radio von Sevilla zu sprechen. Jede seiner Reden war voller Drohungen, die er in einer witzlosen Soldatensprache hinausschrie.

Sein Chef, General Franco, wurde von deutschen Nazis beraten und glaubte, es würde leicht sein, die Hauptstadt Madrid zu erobern. Anfang August stieß er mit 15 000 Mann Nordtruppen auf die Sierra de Guadarrama zu, einem Gebirge, das sich nördlich von Madrid in weitem Bogen hinzieht, auf der Karte etwa in der Form einer hochgewölbten Augenbraue über dem Auge Madrid.

Die demokratische Regierung Giral hatte es unterdessen nicht verstanden, ihr Land, drei Viertel von Spanien, in der Verwaltung zusammenzufassen. Das lag an ihrer Inaktivität, und die wieder kam daher, daß man nicht an die Kraft der Volksmassen glaubte. Nicht eine einzige große Losung warf die Regierung ins Volk, das so bereit war, jede anzunehmen, wenn sie nur seinem Siegeswillen entgegenkam.

Die Arbeiterparteien und Gewerkschaften forderten Taten. Die Kommunistische Partei erklärte, man müßte eine Armee aufstellen, das Land der Großgrundbesitzer den armen Bauern geben und gegen die verborgenen Faschisten vorgehen. Da aber Giral nichts von all dem tat, begannen die Parteien überall dort, wo sie Einfluß hatten, selbst die Verwaltung in die Hand zu nehmen und aus ihren Anhängern Milizen zu bilden.

So verlor die Regierung Giral die zentrale Leitung der Verwaltung und der Truppen, und in Barcelona wurden die Anarchisten, in Madrid die Kommunisten Herren der Lage. Es entstanden Partei- und Gewerkschaftstruppen ohne eine wirksame gesamtspanische Leitung. Der Generalstab in Madrid war eine bürgerliche Behörde, in der noch manche Offiziere saßen, die wohl lieber bei Franco gewesen wären.

Als die faschistischen Nordtruppen auf...

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