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Der Tanz der Bienen

Karl von Frisch und die Entdeckung der Bienensprache

AutorTania Munz
VerlagCzernin Verlag
Erscheinungsjahr2018
Seitenanzahl360 Seiten
ISBN9783707606492
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis19,99 EUR
Rund- und Schwänzeltanz sind die faszinierende Sprache der Bienen. Der Verhaltensforscher Karl von Frisch, 1886-1982, entdeckte diese und andere Stärken der fliegenden Insekten - eine Pionierleistung, die ihm 1973 den Nobelpreis einbrachte. Mit 'Der Tanz der Bienen' liegt nun die erste eingehende und meisterlich erzählte Biografie über den Ausnahmewissenschaftler vor. Bienen sind beliebt wie nie zuvor. Sie sind fleißige Honigproduzenten und unverzichtbare Pflanzenbestäuber. Seit Karl von Frisch wissen wir auch, dass sie auf einzigartige Weise mittels einer Tanzsprache miteinander kommunizieren. Geforscht hat von Frisch, der eine jüdische Großmutter hatte, unter den Nationalsozialisten. Aufgrund des damaligen Bienensterbens stuften sie seine Arbeit als unverzichtbar ein und sahen von einer Suspendierung ab. Von Frisch war nicht nur ein begeisterter, sondern auch ein begeisternder Forscher, der sein Wissen stets und gerne verständlich weitergab. Tania Munz entwirft das emotionale Porträt eines höchst interessanten Menschen im Spannungsfeld zwischen einem Leben für die Wissenschaft, einer unglaublichen Entdeckung und den erschwerten Bedingungen im Zweiten Weltkrieg.

Tania Munz, Vizepräsidentin für Wissenschaftliche Programme am National Humanities Center in North Carolina, ist promovierte Wissenschaftshistorikerin. Sie arbeitete an mehreren Universitäten, u.a. in Kansas, Berlin, Minnesota und Chicago, und lehrte Biologie und Chemie. Zahlreiche Publikationen zur Wissenschaftgeschichte und Verhaltensforschung, vor allem zu Karl von Frisch und Konrad Lorenz.

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Leseprobe

BIENENSKIZZE I


Viktorianische Bienen


Im Dunkel des Bienenstocks gehen Zehntausende Bienen ihren Geschäften nach. Während einige die Jungen betreuen, reinigen andere die Zellen. Wieder andere reparieren oder bauen Waben, und ein paar Bienen bewachen den Eingang. Eine andere Gruppe nimmt jene in Empfang, die vom Nektarsammeln zurückkehren. Diese Insekten erhalten die von ihren Schwestern ausgewürgte Nahrung und bringen sie in die Vorratszellen. Andere Sammlerinnen wiederum gehen mit ihren von Pollen schweren Hinterbeinen tief in den Stock hinein, wo sie ihre Ladung in dafür vorgesehene Zellen streifen. Eine Handvoll Bienen wendet sich der Königin zu, die sich durch das enge Gewirr aus Körpern bewegt und dabei ihren Hinterleib in eine Zelle nach der anderen taucht. Jedes Mal hinterlässt sie dabei ein einzelnes kleines Ei – glänzend und durchscheinend wie ein perfektes Reiskorn. Nach drei Tagen erschauern die Eier und machen winzigen, wurmartigen Larven Platz, die nun eingerollt in den Zellen liegen und fressen. Und fressen. Neun Tage darauf ist das Gewicht einer Larve auf mehr als das Tausendfache jenes Eis gestiegen, das sie ursprünglich war. Nun werden die Zellen von Arbeitsbienen versiegelt, und die eingeschlossenen Kreaturen verpuppen sich – ein Stadium, in dem sie weder essen noch trinken. Am einundzwanzigsten Tag ist die Transformation vollzogen und eine neue Arbeitsbiene schlüpft aus der Zelle. Solcherart sind die Mechanismen eines Bienenstocks – und das ist der jahrhundertealte Stoff der Bienenkunde.

Seit langer Zeit fesseln Bienen nicht nur die Aufmerksamkeit von Imkern und Naturforschern, sondern auch jene von Ökonomen, Poeten, Staats- und Sozialtheoretikern. Man hat Bienen für ihre Arbeitsethik ebenso bewundert wie für ihre Staatskunst und ihre aus Honig und Wachs bestehenden Gaben. Erstaunt waren die Kommentatoren vor allem jedoch über die bemerkenswerten Fähigkeiten der kleinen Tiere, ihre komplexe soziale Welt zu organisieren. Wenn kein einzelnes Tier – nicht einmal die Königin – das Ganze überblicken kann, wie kommt dann der gesamte Bienenstock zu Entscheidungen, die das Überleben sichern? Als Tiere, deren jede einzelne Bewegung von komplexen angeborenen Verhaltensprogrammen bestimmt war, stellten Bienen für Naturforscher den Gipfel der Instinkte dar.

Wenn die Naturforscher die Bienen zur uneingeschränkten Herrscherin der Instinkte krönten, so würdigten sie den Wabenbau als ein besonders beeindruckendes Beispiel im Repertoire ihrer Fertigkeiten. Charles Darwin war von den eleganten Waben der Tiere in einem solchen Ausmaß ergriffen, dass er zum »beschränkten Menschen« erklärte, »welcher bei Untersuchung des ausgezeichneten Baues einer Bienenwabe, die ihrem Zwecke so wundersam angepasst ist, nicht in begeisterte Bewunderung geriete.« Beschränkt, allerdings. Reihe um Reihe perfekt – fast wie maschinell erzeugt – gestapelt, hielt man die Zellen für Wunderwerke geometrischer Effizienz. Diese Formen sind so geschachtelt, dass sie ihr Gewicht gleichmäßig auf die benachbarten Zellen verteilen. Jedes dieser Sechsecke teilt seine Wände mit direkt anschließenden Zellen, womit für die Konstruktion die geringstmögliche Menge an Wachs benötigt wird. Colin Maclaurin, Mathematiker im 18. Jahrhundert, schrieb über die Zellenform: »Was besonders schön und regelmäßig ist, stellt sich zudem als besonders nützlich und vortrefflich heraus.«16

Doch während alle darin übereinstimmen konnten, dass die Waben elegant und vortrefflich sind, unterschieden sich die Meinungen darin, was den Bienen abverlangt würde, um diese Konstruktionen errichten zu können. Für viele verlangte der offensichtlich hohe Grad an Perfektion der Waben eine über das bloß Natürliche hinausgehende Erklärung. Tatsächlich hielten sie die Waben für einen Beweis des göttlichen Plans in der Natur. So argumentierte der neuzeitliche Philosoph Thomas Reid, Bienen würden »ohne jegliches Wissen über Geometrie überaus geometrisch arbeiten – ein wenig wie ein Kind, das den Griff der Drehorgel betätigt und Musik macht, ohne etwas über Musik zu wissen.« Seine Folgerung: »Die Geometrie ist nicht in der Biene, wohl jedoch in jenem großen Geometer, der die Biene wie alle Dinge in Anzahl, Gewicht und Maße schuf.«17

Darwin wird weithin dafür gefeiert, dass er solchen göttlichen Erklärungen von natürlichen Strukturen und Funktionen ein Ende gesetzt hat. Doch wie, wenn nicht durch Gottes Hand, gerieten Tiere und Pflanzen so ausnehmend gut angepasst an ihre jeweilige Umgebung? Laut Darwin waren Instinkte ebenso wie physische Strukturen Gegenstand einer natürlichen Selektion, da sie variierten und erblich waren. Und weil manche Instinkte dienlicher waren als andere, war anzunehmen, dass jene Tiere, die über diese Instinkte verfügten, länger lebten und mehr Nachkommen hinterließen als ihre weniger glücklichen Verwandten. Jene Merkmale, die ihnen einen Überlebensund Fortpflanzungsvorteil verschafft haben, wurden an ihre Söhne und Töchter weitergegeben. Darwin wusste sehr wohl, dass Erfolg oder Scheitern seiner Evolutionstheorie wesentlich von seiner Fähigkeit abhing, ein derart komplexes Verhalten wie den Wabenbau der Bienen erklären zu können. Tatsächlich wandte er in seinem Werk Die Entstehung der Arten beachtlich viel Raum und Energie auf, um zu beschreiben, wie der Instinkt zum Wabenbau bei primitiveren Bienen, die einfach Löcher in Wachs gebohrt hatten, entstanden sein könnte.18

Doch selbst unter jenen, die Darwins Bemühungen um natürliche Erklärungen für die Welt der lebendigen Dinge mit Beifall bedachten, waren manche, die sich fragten, ob da nicht doch noch irgendetwas – vielleicht näher an der Urteilskraft – sein könnte, das das rätselhafte Verhalten der Tiere steuert. Bis zum späten 19. Jahrhundert zeigte sich zumindest ein Naturforscher willens, diesem Irgendetwas einen Namen zu geben: Intelligenz. Für sein 1882 erschienenes Buch Animal Intelligence untersuchte der Evolutionsbiologe George John Romanes das Tierreich von Mollusken bis Primaten, um Beispiele anführen zu können, die den Titel seines Buchs bekräftigen würden. In einem Bienen und Wespen gewidmeten Kapitel erzählte er von vielen Wundertaten, die er für viel zu spektakulär hielt, um sie bloßen Ins tinkten zu überlassen. Diese Beispiele, argumentierte er, bewiesen die Existenz von Vorausschau- und Erkenntnisfähigkeit, immerhin das Charakteristikum menschlicher Intelligenz.

Auch Romanes hielt die Waben der Bienen für »das Erstaunlichste, das aus Instinkt im Tierreich hervorgebracht wird.« Aber, fuhr er fort, das sei »kein gänzlich blinder oder mechanischer Instinkt, sondern einer, der fortwährend von intelligenter Absicht gesteuert ist.« Um diese Behauptung zu bekräftigen, zitierte er eine Reihe von Augenzeugen, die sahen, wie die Tiere mit anscheinend menschenähnlicher Intelligenz feine Anpassungen an ihren Waben vornahmen. Dabei zitierte er einen bekannten Bienenzüchter, der ein paar Bienen dabei beobachtet hatte, wie sie Teile der Wabe, die ihre Schwestern errichtet hatten, abtrugen, um sie dann neuerlich zu errichten, weil sie es für notwendig hielten. Bei einer anderen Gelegenheit, als ein Stück Wabe zu Boden gefallen war, reparierten die Bienen nicht nur diese Stelle, sondern verstärkten auch andere, um weiteres Unheil zu verhindern. Für Romanes bezeugten solche Schadenskorrekturen Vorausschau- und Erkenntnisfähigkeit und widersprachen dem, was andere postuliert hatten: dass Bienen blind Instinkten folgten.19

Darüber hinaus vermittelten den viktorianischen Beobachtern auch weniger erfreuliche Beispiele den Eindruck, sie hätten es mit etwas »Allzumenschlichem« zu tun und daher mit anderen Fähigkeiten als bloßem tierischem Instinkt. Mit Bedauern berichteten sie von schrecklichen Beispielen, in denen Bienen Kriege führten, raubten und mordeten. Solche Beschreibungen der dunklen Seite der Tiere waren, wenig überraschend, voller moralischer Entrüstung. Wurden raublustige Bienen dabei beobachtet, wie sie in einen fremden Bienenstock eindrangen, waren ihre Intentionen unmissverständlich: »Mit ihrem ganzen Verhalten, wie sie vorsichtig und wachsam in den Bienenstock kriechen«, so Romanes, »zeigen sie, dass sie sich ihres bösen Handelns vollkommen bewusst sind. Arbeitsbienen, die zu diesem Stock gehören, fliegen nämlich schnell und offen und in vollem Bewusstsein ihres Rechts hinein.« Das schändliche Verhalten jedenfalls breitet sich schnell aus, sodass »das gesamte Bienenvolk frevelhafte Gewohnheiten entwickeln kann. Tun sie dies, so agieren sie im Verband, um gewaltsam zu rauben.«20

Wenn die Charakterstärke der Bienen mit solchen Berichten in Frage gestellt wird, dann lässt sich von Beschreibungen ihrer emotionalen Verfassung noch weniger erwarten. Sir John Lubbock, ein führender Insektenexperte aus dem 19. Jahrhundert, malte ein durch und durch...

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