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Der Körper der Frau ist feminin
Feminin-maskulin
Die Quelle
Dieses Buch ist weder ein feministisches Buch noch richtet es sich gegen den Mann. Ich möchte die Frau weder als den besseren Menschen aufs Podest heben noch ihr Ego bauchpinseln. Aber es liegt in der Natur der Sache: Da ich das Schwächeln des Femininen und das Fehlen einer weiblichen Spiritualität kaum erklären kann, ohne dass ich die Hintergründe der maskulinen Übermacht berühre, entsteht schnell der Eindruck einer Gegen-den-Mann-Polemik. Ich riskiere, dass mir ein Anheizen des Geschlechterkampfs angekreidet wird.
Doch wissen Sie was? Dieses Risiko gehe ich gern ein. Wenn dabei herauskommt, dass Sie als Frau Ihren echten Bedürfnissen eine innere Stimme geben, Ihre versteckten spirituellen Begabungen aus Ihrem Safe holen und all das auch in Ihre Meditationspraxis hineintragen, lehne ich mich vollkommen entspannt zurück.
Frausein in der maskulinen Welt
Auf den ersten Blick könnten wir das gesamte Thema Femininität natürlich auch als Privatsache jeder einzelnen Frau stehen lassen und abwinken. Ach was! Wenn Frau und Mann sich mit ihrer Lage arrangieren, egal ob diese eine Schieflage, eine Ungerechtigkeit oder sonst was ist, scheint doch alles in Butter zu sein.
Wie sagt man? Wenn beide Seiten zustimmen, ist alles okay.
Doch genau das ist es eben nicht.
Wenn wir uns einmal unsere gegenwärtige Welt ansehen, stehen wir vor dem Ergebnis dessen, was passiert, wenn eine extrem maskulinisierte Vorgehensweise das zwischenmenschliche Zusammenleben regiert. Gewalt, Umweltzerstörung, Kriege, Konkurrenzkampf, Leistungsobsession, Ausbeutung und Hiobsbotschaften von Terrorattacken sind das Ergebnis maskulinen Handelns im Extrem.
Viel zu viele Menschen leiden. Und in den hochentwickelten Industrienationen leiden insbesondere die Frauen. Sie leiden an ihrer Unzufriedenheit, an ihren Minderwertigkeitsgefühlen, an ihren stöhnenden Körpern, an ihren emotionalen Abstürzen und an ihren Depressionen, an ihrer sexuellen Unzufriedenheit oder an ihrem niemals zur Ruhe kommenden Verstand. Darüber hinaus hat die Me-too-Debatte auf Facebook so deutlich wie noch nie ans Licht gebracht, wo die moderne Frau in Beziehung zum machtgewohnten Mann steht. Was den Verfechterinnen der Frauenbewegung vor ein paar Jahrzehnten als Hirngespinst angekreidet wurde, haben wir nun real vor uns auf unseren Facebook-Timelines stehen: Die Frau ist für viel zu viele Männer ein Objekt, mit dem man so ziemlich alles machen kann, was „Mann” denkt.
Deshalb nein! Es ist alles andere als eine private Ansichtssache, dass wir uns mit der Entwicklung der femininen Kräfte in uns befassen. Die einseitig maskulinen Wertmaßstäbe haben unsere Welt in eine Kampfarena verwandelt, obwohl diese, wenn sich feminine und maskuline Elemente die Waage hielten, ein Platz der Kreativität, der Freude und des Überflusses sein könnte.
Die Frau im Untergrund
Protestieren Sie jetzt? Sagen Sie, dass das alles ja vollkommen übertrieben, viel zu polemisch und unproportional dargestellt ist?
Nein, das ist es nicht.
In meinem Berufsfeld als Körper-Mind-Trainerin und Meditationsmentorin begegne ich hauptsächlich Frauen, die unter massiven physischen und emotionalen Symptomen leiden. Viele von ihnen stecken ihre Energie nahezu hundertprozentig in die Anstrengung, sich bestmöglich mit den Regeln der männlich geprägten Welt zu arrangieren. Zumeist suchen sie den Fehler bei sich und fühlen sich schuldig, wenn sie dem maskulinen Status Quo nicht genügen. Und: Gar nicht so wenige Frauen lassen ihre Lebensjahre verstreichen, ohne sich ihrer ureigenen femininen Potenziale je bewusst geworden zu sein.
Ich übertreibe bei weitem nicht, wenn ich sage, dass unsere Welt eine durch und durch maskulin funktionierende ist, an der sich Frauen in den entwickelten Nationen ein wenig beteiligen dürfen. Ihnen wird gestattet, sich ein kleines Scheibchen von dem Kuchen abzuschneiden, den sie für den Mann gebacken haben. Und da sehen wir einmal ganz von den Ländern ab, in denen die Frau immer noch vollkommen unterprivilegiert ist, in überholten patriarchalischen Strukturen steckt und als Besitz, Konkubine, Dienende oder Dekoration des Mannes lebt. Ganz nebenbei gesagt, schwappt deren Lage durch die Immigrationswelle nun auch in unser Bewusstsein hinein. Bei näherem Hinsehen ist es ein Fakt, dass die Frau auf unserem Globus immer noch als Mensch zweiter Klasse gilt.
Historisches
Die Sache ist die: Leider haben sich die gesellschaftlichen Strukturen, die das einseitig maskuline Funktionieren des Lebens aufrechterhalten, nicht erst seit gestern, sondern über die Jahrhunderte hinweg formiert. Das Feminine war, einmal abgesehen von den frühen matriarchalischen Gesellschaften, schon immer unterrepräsentiert, weil die Frau nie eine wirkliche Stimme in der Öffentlichkeit besaß. Noch bis ins letzte Jahrhundert war sie in ihren hormonellen Blütejahren vorwiegend damit befasst, Kinder in die Welt zu setzen, sie großzuziehen und der Familie ein Zuhause zu bereiten. Im öffentlichen Leben hatte die Frau mit ihrer Femininität kaum eine Stimme, selbst dann nicht, wenn sie berufstätig war.
Und da liegt der Hund begraben: Da diese Strukturen so immens verfestigt sind und sich trotz Wahlrecht, Pille und Frauenquote nur sehr langsam aufweichen, hat sich die Frau in ihrem konkreten Handeln immer noch überwiegend in einem maskulin geprägten, vom männlichen Verstand entworfenen Aktionsfeld einzurichten. Nicht selten muss sie ihre femininen Qualitäten genau dort, wo sie dringend einsetzbar wären, hinter Schloss und Riegel verbannen. Sie hat sich einer Funktionsweise anzupassen, die ihrem Wissen und Können widerspricht. Selbst wenn eine Frau im Berufsleben erfolgreich ist, sagt man nicht umsonst, dass sie „ihren Mann steht”. Gewissermaßen lebt die Frau wie ein Fisch ohne Wasser. Und ohne Wasser schwimmt sich‘s im Fluss des Lebens nun mal nicht gut.
Worum geht es? Ich sehe hier drei Faktoren.
Ein neues Bewusstsein muss her!
Weil das gesellschaftliche Leben maskuline Regeln favorisiert und feminine Qualitäten in unserer Welt immer noch vollkommen unterrepräsentiert sind, geht es erst einmal darum, dass sich Frauen dieses Umstandes überhaupt bewusst werden und sich mit ihrer Femininität befassen. Jede einzelne Frau sollte herausfinden, was es denn im Einzelnen heißt, im Einklang mit ihren femininen Qualitäten zu sein – und dies auch beim Meditieren zu nutzen.
Die Essenz des Femininen liegt im „inneren Wissen”
Da gerade das fehlende Bewusstsein und das daraus hervorgehende Nicht-Reflektieren der Situation vielen Frauen physische und emotionale Probleme bereitet, ist es essenziell, dass sie Ressourcen kennenlernen, durch die sie ihre Situation wenden können. Die Entwicklung von Körperbewusstsein und „innerem Wissen” durch Meditation hilft, der Frauenfalle zu entkommen.
Das volle Potenzial entwickeln durch Meditation
Weil sich die Maskulinisierung auch in der Welt der Meditation durchgesetzt hat, muss eine Frau besonders ihren eigenen femininen Weg finden. Das betone ich, weil eine Frau den Zugriff auf ihre weiblichen Eigenschaften beim Meditieren dringend braucht. Erst durch diesen erhält sie eine echte Chance, sich in sich wohlzufühlen und ihre Potenziale zu entfalten.
Diese drei Punkte sollten Sie sehr gut verinnerlichen. Da wir mittlerweile im 21. Jahrhundert leben, sind diese inzwischen nicht nur mir, sondern immer mehr Frauen und Männern bewusst, die ihre Augen und Herzen offenhalten. Nicht umsonst spricht man seit dem Millennium vom Jahrhundert der Frau.
Energetisches
Auch wenn ich das Feminine, also weibliche Eigenschaften, der Frau zuordne und das Maskuline dem Mann, ist das nicht hundertprozentig korrekt, weil sowohl Frauen als auch Männer beide Anteile, feminine und maskuline, in sich tragen. Das ist den meisten Menschen nicht bekannt, weil es weder in unserem Kulturkreis noch in unserer Medizin eine Rolle spielt.
Wenn wir beispielsweise einen kurzen Blick auf das System der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) werfen, finden wir das Konzept von Yin und Yang, das in seinem Symbol, dem Taijitu, mit den schwarzen und weißen Anteilen zwei gleichwertige Energien repräsentiert. Diese ergänzen einander, wobei Yin das Weibliche, das Weiche, Nachgiebige und passive Element repräsentiert, während Yang für das Männliche, das Aktive, nach außen Gerichtete steht.
Obwohl sich beide Elemente die Waage halten, hat eine Frau dennoch mehr feminine Qualitäten als ein Mann, weil sie in einem weiblichen Körper steckt. Selbst dann, wenn sich eine Frau als sehr männlich erlebt, ist sie von ihrer Konstitution her femininer als der femininste Mann. Und umgekehrt. Ein Mann hat mehr maskuline Qualitäten als eine Frau. Es gibt sehr feminine Männer, die dennoch maskuliner als die...