10.0 Therapie des Gestationsdiabetes
Um den Schwangerschaftsdiabetes optimal behandeln zu können, sind eine ausführliche Beratung und Schulung durch ihr Diabetesteam sowie Ihre persönliche, zuverlässige Mitarbeit unerlässliche Voraussetzungen!
10.1 Schulung
Ihre betreuenden Diabetesärztinnen/-ärzte und Diabetesberater/-innen sind erfahren in der Behandlung von Schwangeren mit Schwangerschaftsdiabetes.
Die Teilnahme an Fortbildungsveranstaltungen ermöglicht es ihnen, Sie jederzeit nach aktuellen Kenntnissen der Medizin und Wissenschaft individuell zu beraten.
Einzelschulungen und regelmäßige Besprechungen der von Ihnen gemessenen Blutzuckerwerte (mindestens alle zwei Wochen) sollen Sie in die Lage versetzen, auf Schwankungen Ihres Blutzuckers optimal reagieren zu können.
10.2 Blutzuckerselbstkontrolle
Im Erstgespräch mit Ihrem Diabetesteam erlernen Sie die Blutzucker-Selbstkontrolle mit einem Blutzucker-Messgerät. Die korrekte Blutzuckerselbstkontrolle ist ein fester Bestandteil Ihrer Behandlung und eines der wichtigsten Werkzeuge in Ihrer Stoffwechseleinstellung.
Um mögliche Ungenauigkeiten der Messungen zu minimieren, sollten Sie sie mit Sorgfalt durchführen.
Durchführung der Blutzuckermessung:
1. Messgerät und Stechhilfe zur Messung vorbereiten.
2. Kein Desinfektionsmittel verwenden!
3. Hände vor jeder Messung waschen und gut abtrocknen.
4. Seitlich in die Fingerbeere einstechen und Blutstropfen von der Handfläche beginnend nach oben ausstreichen, nicht quetschen (führt zu falschen Ergebnissen)!
5. Blut in den Teststreifen einsaugen lassen.
6. Messergebnis abwarten.
7. Dokumentieren jedes gemessenen Wertes mit Uhrzeit im Blutzuckertagebuch.
8. Dokumentieren von Besonderheiten im Blutzuckertagebuch (z. B. körperliche Aktivität, Krankheit, Stress, Aufnahme großer Mengen an schnell wirksamen Zuckerstoffen)
Auch wenn die Blutzuckerselbstmessung heute im Grunde „kinderleicht“ ist und (gerade weil) sie im Laufe Ihrer Behandlung zur Routine werden wird, gibt es einige Dinge, auf die Sie besonders achten sollten:
• Vergleichen Sie bitte die Ergebnisse Ihres Messgerätes nicht mit denen anderer Messgeräte, sondern nur mit qualitätsgesicherten Laborergebnissen. Die Geräte verschiedener Hersteiler liefern unterschiedliche Ergebnisse, die Schwankungen von +/− 10 bis 15 Prozent ausmachen können.
• Beim Vergleich mit Laborergebnissen sind folgende Aspekte zu berücksichtigen:
· Kalibrierung der Mess- und Laborgeräte auf Vollblut, Plasma oder Serum (die Glukosekonzentration im Vollblut ist niedriger als im Serum und Plasma),
· Verwendung der gleichen Blutprobe (im Kapillarblut aus der Fingerbeere ist der Glukosegehalt höher als im Venenblut),
· Zeitpunkt der Blutentnahme (die Blutproben müssen zur gleichen Zeit entnommen werden und innerhalb von 30 Minuten nach Blutentnahme untersucht werden, da sich durch das Stehenlassen der Probe Glukose abbaut).
• Beachten Sie bitte, dass während Ihrer Behandlung der Wechsel zu einem Messgerät eines anderen Herstellers bzw. einer anderen Marke zu veränderten Blutzuckerwerten führen kann. Einige Messgeräte geben Ihnen einen Vollblutwert an, während andere Geräte Plasmawerte anzeigen, die um einiges höher liegen.
• Ihr Blutzucker-Messgerät speichert alle gemessenen Werte ab. Zur Vermeidung falscher Interpretationen sollten Sie Messungen bei Familienangehörigen oder anderen Personen vermeiden.
• Extrem veränderte Hämatokritwerte können die Glukosewerte nach oben oder unten beeinflussen. Das Hämatokrit ist ein Parameter, der das Volumen der roten Blutzellen im Verhältnis zum Gesamtblutvolumen darstellt.
• In großen Mengen eingenommene Medikamente wie Acetylsalicylsäure (ASS), Paracetamol oder Ascorbinsäure (Vitamin C) können die Blutzuckerwerte ebenso verfälschen wie sehr hohe Blutfette und eine deutlich vermehrte Harnsäure.
• Bei schwerem Wasserverlust des Körpers (z. B. durch anhaltend starkes Erbrechen zu Beginn der Schwangerschaft) kann sich die Glukosekonzentration in Ihrem Blut erhöhen.
Weitere Fehlerquellen bei der Blutzuckerselbstmessung:
• versehentliche Geräteumstellung auf eine andere Maßeinheit (Millimol/Liter = mmol/L oder Milligramm/Deziliter = mg/dL),
• starkes Pressen an der Einstichstelle des Fingers,
• Zuckerreste an den Fingern (z. B. Fruchtzucker nach dem Essen eines Apfels),
• Schweiß an den Fingern (z. B. nach sportlicher Betätigung),
• Auftragen einer zu geringen Blutmenge,
• Finger vor Blutentnahme nicht abgetrocknet,
• Überschreiten des Verfallsdatums der Blutzuckerteststreifen,
• falsche Lagerung der Teststreifen (nicht einfrieren, nicht über 40°C, keine Feuchtigkeit),
• falsche Codierung der Teststreifen – Charge am Blutzucker-Messgerät,
• Verwendung von Desinfektionsmitteln,
• Fehlablesung durch Teilausfall der LCD-Anzeige des Blutzucker-Messgerätes
• mögliche Störung durch starke elektro-magnetische Felder (z. B. Handy).
Bitte bringen Sie Ihr Blutzuckertagebuch zu jedem Gesprächstermin in Ihre Diabetesberatung mit!
Blutzucker-Tagesprofile:
Um eine optimale Kontrolle Ihres Blutzuckerspiegels zu gewährleisten, ist es notwendig, dass Sie regelmäßig Blutzucker-Tagesprofile unter Alltagsbedingungen erstellen und die Werte in einem Blutzuckertagebuch dokumentieren. Daneben verfügt Ihre behandelnde Diabetes-Einrichtung über die Möglichkeit, die Werte aus dem Gerätespeicher über ein Diabetesprogramm in den Computer herunterzuladen und als Liste sowie grafisch darzustellen.
Die Angaben zur Messhäufigkeit können je nach Schwangerschaftsverlauf variieren. In der Regel wird Ihr Diabetesteam Sie anweisen, 4-Punkte-Profile oder 6-Punkte-Profile zu erstellen.
Zusätzlich kann die Bestimmung eines Spätwertes vor dem Zubettgehen sinnvoll sein.
Es gelten folgende Blutzucker-Einstellungsziele nach Selbstmessungen mit plasmakalibrierten Messgeräten:
Die Errechnung eines mittleren Blutzuckerwertes (=MBG) eines Tages mit 3 Werten vor und 3 Werten nach den Mahlzeiten ist ratsam. Die Ergebnisse werden wie folgt bewertet:
• Unter Ernährungstherapie:
MBG 1 Stunde nach Beginn der Mahlzeit > 110 mg/dl (> 6,1 mmol/l) oder 2 Stunden nach Beginn der Mahlzeit > 100 mg/dl (> 5,6 mmol/l): unzureichende Blutzuckereinstellung! Die Überprüfung der Ernährungstherapie und Indikationsstellung für eine Insulintherapie ist erforderlich.
• Unter Insulintherapie:
MBG 1 Stunde nach Beginn der Mahlzeit < 90 mg/dl (< 5,0 mmol/l) oder 2 Stunden nach Beginn der Mahlzeit < 80 mg/dl (< 4,4 mmol/l): Überhöhte Insulindosierung! Die Überprüfung der Kohlenhydratzufuhr und Reduktion der Insulinmengen ist erforderlich.
Sind innerhalb von einer Woche mehrere Blutzuckerwerte erhöht, muss eine Insulintherapie erwogen werden.
Innerhalb von zwei Wochen wird unter Berücksichtigung der Blutzuckermesswerte sowie der Ergebnisse der Ultraschalluntersuchung entschieden, ob die Fortführung der Ernährungstherapie ausreichend ist oder ob eine Insulintherapie angestrebt werden sollte.
Sind unter Ernährungstherapie die Blutzuckerwerte sowie Ultraschallbefunde unauffällig, kann die Messhäufigkeit reduziert und täglich im Rotationsverfahren variiert werden.
Unter Insulintherapie ist die Bestimmung von 4-Punkte-Profilen oder 6-Punkte-Profilen notwendig. Ihr Diabetesteam wird Sie hierzu individuell beraten und die Häufigkeit sowie den Zeitpunkt der Selbstkontrollen dem Schwangerschaftsverlauf anpassen.
Daneben sollte Ihr Diabetesteam regelmäßig die Durchführung der Blutzuckerselbstmessung sowie die Richtigkeit des Messgerätes prüfen, um mögliche Fehlerquellen aufzudecken.
10.3 Sonstige Stoffwechselkontrollen
Wenn die Diagnose des Schwangerschaftsdiabetes gestellt worden ist, empfiehlt sich die Bestimmung des HbA1c-Wertes aus dem Blut. Der HbA 1c -Wert ist ein Blutzuckerdurchschnittswert, mit dem die Qualität der mütterlichen Blutzuckereinstellung aus den zurückliegenden acht Wochen beurteilt werden kann.
Die Kontrolle von Keton im Urin mittels Teststreifen ist durchzuführen, um eine zu geringe Kohlenhydrat- oder Kalorienzufuhr aufzudecken.
Zur Bildung von Ketonkörpern im Blut, die im Urin nachgewiesen werden können, kommt es, wenn die Mutter nicht ausreichend Energie durch Kohlenhydrate...