Ein Unternehmen ist ein komplexes soziales System, in dem Menschen idealerweise zielgerichtet agieren. Von Führungspersonen wird erwartet, dass sie auf die Fokussierung der Ziele einwirken, also möglichst dafür sorgen, dass die Aktivitäten der Belegschaft auf die unternehmerischen Ziele ausgerichtet sind (was in einer vernetzten und dynamischen Welt alles andere als selbstverständlich ist). So weit, so bekannt. Wenn Mitarbeitende sich in den Dienst der Firma stellen und einen Beitrag zur Erreichung deren Ziele leisten sollen, dann ist es sicher wichtig, sich darüber im Klaren zu sein, wie diese ticken. Was bewegt Menschen? Was steckt hinter der menschlichen Handlungsbereitschaft? Lässt sich diese ? etwa durch Vorgesetzte ? beeinflussen (und wenn ja, vor allem positiv oder doch eher negativ)?
Das vorliegende erste Kapitel befasst sich also mit einer menschlichen Kernfrage: Was bringt Menschen zum Handeln? Was wissen wir über deren Motivationen, wie entstehen diese und worauf ist aus Sicht eines Unternehmens zu achten? Wie kann man das Feuer der Motivation am Brennen halten?
1.1 | Hinter der Motivation: menschliche Grundmotive |
Ohne Motivation gibt es kein Handeln. Nur wenn Menschen „motiviert“, im Wortsinn „bewegt“ sind, engagieren sie sich, werden Leistungen erbracht und Ziele erreicht. Motivation gehört privat wie beruflich zu den wichtigsten Faktoren für Erfolg. Eine höhere Motivation wirkt sich deutlich positiv auf Commitment, Leistung und Unternehmensrentabilität aus. Aber auch Produktivität, Zusammenhalt, Kreativität, Innovations- und Lernfähigkeit, Fluktuation sowie Gesundheit werden positiv beeinflusst.
Es lohnt sich, zu Beginn kurz aufzuzeigen, wie Motivation funktioniert und was dahinter steckt, also quasi „hinter die Kulissen der Motivation“ zu schauen. Hier finden wir menschliche Kernmotive und werden uns bewusst, dass die zugrunde liegenden Emotionen den eigentlichen Nukleus menschlichen Denkens und Handelns bilden.
Grundlage nicht nur der Motivation, sondern aller menschlichen Aktivitäten sind Emotionen. Schon die Wortnähe zeigt den gleichen Stamm wie Motivation und verweist darauf, dass Emotionen etwas sind, was einen Menschen bewegt. Diese inneren Erregungszustände entstehen durch die Aktivierung neuronaler Systeme und münden in körperliche Reaktionen. Für die Erregung sorgen Transmitter wie das motivierende Dopamin, das vermittelnde Serotonin oder das beschleunigende Noradrenalin. Die Erregungszustände signalisieren Bewertungen wie gut oder schlecht bzw. erstrebenswert oder zu vermeiden. Subjektiv werden sie als Gefühle oder Empfindungen wahrgenommen. Während Emotionen also das komplexe Zusammenspiel von chemischen und neuronalen Reaktionen bezeichnen, kommt bei Gefühlen zusätzlich das individuelle Bewusstsein mit dazu. Gefühle sind die persönliche Wahrnehmung bestehender Emotionen. Man kann mit Fug und Recht sagen, dass Gefühle am Anfang all unseres Tuns stehen. „Gefühle sind der Klebstoff, der uns zusammenhält“ (Precht). Ohne Gefühle wären Menschen unfähig zu handeln und wüssten nicht, was sie denken sollten. Gedanken sind immer emotional eingefärbt. So wissen wir heute, dass es kein Denken ohne Fühlen gibt. Selbst der Verstand des rationalsten Menschen wird permanent von seinen Gefühlen beeinflusst.
Gefühle stehen am Anfang von all unserem Tun.
Gefühle und Empfindungen, verknüpft mit einer Zielorientierung, bezeichnen Motive. Anders gesagt, erzeugen emotional bewertete Motive (wie Macht, Zugehörigkeit, Unabhängigkeit usw.) Zielorientierung und damit Motivation. Motivation benennt also das emotional basierte menschliche Streben nach Zielen. Hinter diesem Handlungswillen stehen Motive oder Beweggründe. McClelland hat drei Grundmotive mit besonders starkem Einfluss auf das Verhalten identifiziert. Danach weisen Menschen die Primärmotive Zugehörigkeit, Macht sowie Leistung auf:
Das Primärmotiv der Zugehörigkeit umfasst zentrale Aspekte des Bedürfnisses nach sozialer Eingebundenheit, wie Sicherheit, Zuwendung, Geborgenheit und Freundschaft. Die Glücksforschung belegt, dass es kaum eine dauerhaftere Glücksquelle gibt als soziale Bindungen. Wir sehnen uns danach, Teil eines sozialen Ganzen zu sein, und fürchten uns vor der Wahrnehmung der Wertlosigkeit, wenn wir uns unbeliebt, zurückgewiesen, ausgeschlossen oder allein gelassen fühlen. Soziales Wohlbefinden ist der größte Motivator des Menschen.
Wer nach dem Primärmotiv der Macht strebt, sucht Kontrolle, Dominanz, Bedeutung, Status oder Einfluss und ist bereit, sich im Kampf zu messen bzw. dem Wettbewerb zu stellen. Die zugrunde liegende Befürchtung ist jene des Kontrollverlusts; wir wollen nicht unwichtig, abhängig oder unbedeutend sein und Ohnmachtsgefühle erleiden.
Das primäre Leistungsmotiv ist Ausdruck des menschlichen Strebens nach Erfolg und Fortschritt, beinhaltet gleichzeitig auch die Lust an der Kreativität, Abwechslung, Neugier und Fantasie. Die negative Ausprägung verursacht Versagensgefühle; niemand möchte unfähig, schwach, nutzlos oder dumm dastehen. Wir fürchten uns vor dem Verlieren und davor, als Versager zu gelten bzw. uns selbst so wahrzunehmen.
McClelland konnte belegen, dass die Anregung dieser Motive mit der Ausschüttung bestimmter Transmitter verbunden ist: Im Falle des Machtmotivs werden primär Adrenalin und Noradrenalin ausgeschüttet, während im Falle des Zugehörigkeitsmotivs das oft als „Glückshormon“ bezeichnete Dopamin dominant auftrat. Bei der Anregung des Leistungsmotivs ließen sind vor allem Vasopressin und Arginin nachweisen.
Forscher haben die Liste der Motive weiter differenziert und verfeinert, aber für unsere Zwecke ist es sinnvoll, sich an die großen Stränge zu halten: Menschen sind motiviert, weil sie zentrale Beweggründe emotional positiv bewerten, wie etwa Teil einer Gruppe und damit eines größeren Ganzen zu sein. Das soziale Grundmotiv ist ein Kernbedürfnis und tief in uns verankert. Von einem Stamm oder Clan ausgeschlossen zu werden, bedeutete für unsere Vorfahren noch vor ein paar Tausend Jahren meist den sicheren Tod. Der Mensch ist ein zutiefst soziales Wesen, dessen Bezogenheit auf andere Menschen sich vom Kleinkind in der Spielgruppe über die Bedeutung der Peers beim Teenager bis zur Pflege des Vereins- und Freundeskreises bei den Erwachsenen mannigfaltig zeigt. Die Glücksforschung belegt, dass das gesellige Beisammensein mit Freunden zu jenen Tätigkeiten gehört, welche höchstes Glücksempfinden auslösen (Layard und Layard). Aber auch das Macht- und das Leistungsmotiv sind für Menschen sehr wichtige Beweggründe, die emotional positiv bewertet werden und entsprechend motivieren, in dieser Richtung aktiv zu werden.
Drei Motive treiben uns vor allem an: die Bedürfnisse nach Macht, Leistung und Zugehörigkeit.
Es lohnt sich, sich in der Unternehmensführung immer wieder vor Augen zu führen, welche Grundbedürfnisse Menschen antreiben und was das Unternehmen dafür tut, diese Kernmotive zu adressieren. Firmen tun gut daran, das Zugehörigkeitsbedürfnis ernst zu nehmen und den Mitarbeitenden Gelegenheit zu geben, sich als wichtiges Glied eines größeren Ganzen zu verstehen und einbringen zu können (mehr dazu in den Kapiteln 4 und 5). Ebenso relevant ist, sinnvoll mit Machtmotiven umzugehen, beispielsweise möglichst viele Personen in Entscheidungen einzubinden (vgl. Kapitel 3). Ein kluger Umgang mit den Leistungen der Mitarbeitenden besteht in einer bewussten und breiten Anerkennung von mannigfaltigen Beiträgen in einem Unternehmen (vgl. Kapitel 7). Wir werden wiederholt auf die Primärmotive zurückkommen.
1.2 | Intrinsische und extrinsische Motivation |
Wie wir gesehen haben, ist Motivation motivbasiertes menschliches Streben nach Zielen: Jemand möchte beispielsweise eine Weiterbildung absolvieren (Ziel), weil er sich davon Vorteile auf dem weiteren Karrierepfad und einen besseren Status durch eine wichtigere Position in der Firma verspricht (primäres Machtmotiv). Motivation kann nun von innen herauskommen (intrinsisch) oder aber von außen gesetzt werden (extrinsisch). Demnach tut man etwas um seiner selbst willen oder weil man sich Vorteile verspricht bzw. Nachteile vermeiden möchte. Passend ist der Vergleich zwischen dem intrinsischen Generator, der sich immer wieder selbst auflädt, und der extrinsischen Batterie, die nach der Abgabe der Energie wieder vollgeladen oder aber ersetzt werden muss.
Die neuere Motivationsforschung (Barbuto und Scholl) differenziert zwischen zwei intrinsischen und drei extrinsischen Quellen. Intrinsisch motiviert ist jemand, der etwas aus Spaß an der Sache macht oder aufgrund eines internen Selbstverständnisses. Letztere Personen haben eine Idealvorstellung als Leitlinie ihres Handelns verinnerlicht, z. B. wie sich ein guter Arzt verhält oder wie ein umsichtiger Patron führt. Bei Menschen, die aufgrund eines internen Selbstverständnisses motiviert sind, ist das beschriebene Primärmotiv der Leistung besonders stark ausgeprägt.
Wie funktioniert intrinsische Motivation? Der Mensch kann grundsätzlich als innenmotiviertes Wesen bezeichnet werden. Er bringt von Geburt an...