Ganz bewusst verwendet das AGG nicht den Terminus Diskriminierung, sondern Benachteiligung, da der Begriff Benachteiligung immer noch eine Begründungsmöglichkeit einschließt, wie die Paragraphen 8, 9, 10 und 20 AGG zeigen, der Begriff Diskriminierung aber sofort negativ besetzt ist und Rechtswidrigkeit suggeriert.[46]
In § 3 AGG werden die wichtigsten Formen von Benachteiligungen für das Zivil- und Arbeitsrecht genannt. Das AGG unterscheidet demnach zwischen unmittelbarer und mittelbarer Benachteiligung, Belästigung und sexueller Belästigung.
Gemäß § 7 Abs. 1 AGG dürfen Beschäftigte nicht wegen eines in § 1 genannten Grundes benachteiligt werden. Dies gilt auch, wenn die Person, die die Benachteiligung begeht, das Vorliegen eines in § 1 genannten Grundes nur annimmt oder eine dritte Person das Merkmal aufweist, z. B. im Fall der Mutter eines behinderten Kindes.
Voraussetzung für die Wirkung des Benachteiligungsverbots im Bewerbungsverfahren sind die Ernsthaftigkeit der Bewerbung und die objektive Eignung des Kandidaten. Offensichtliche Unstimmigkeiten zwischen Anforderungsprofil und Qualifikation des Bewerbers können auf das Fehlen von Ernsthaftigkeit oder Eignung hinweisen, wie z. B. im Fall einer Person ohne Führerschein, die sich auf einen Chauffeursposten bewirbt.[47]
Ebenso kann von einem ernsthaften Bewerber erwartet werden, dass er seine Person möglichst positiv darstellt und keine extrem übertriebenen Gehaltsforderungen stellt.[48] Das sofortige Aussortieren von Bewerbungen von Frauen oder Behinderten bzw. der Auftrag dazu stellen wiederum einen Benachteiligungstatbestand dar.[49]
Das Verbot gilt nicht nur für bestehende Arbeitsverhältnisse, sondern auch für deren Begründung und Beendigung und wirkt sich demnach auf die Einstellungs-, Aufstiegs-, Arbeits- und Entlassungsbedingungen aus. Neben den Arbeitsverträgen betrifft es auch kollektivrechtliche Vereinbarungen, wie z. B. Betriebsvereinbarungen und Tarifverträge.[50]
Gemäß § 7 Abs. 2 AGG sind Vereinbarungen, die gegen das Benachteiligungsverbot des Absatzes 1 verstoßen, unwirksam, d. h. eine Benachteiligung einzelner Personen oder Gruppen bei der Vergütung oder der Ausschluss von Arbeitnehmergruppen aus Tarifverträgen sind unzulässig. Die Entgeltsysteme müssen transparent und diskriminierungsfrei sein.[51]
Bei Bestehen unwirksamer Klauseln in Arbeits- oder Ausbildungsverträgen kann der Benachteiligte die Gleichstellung mit den besser gestellten Beschäftigten fordern. Grundsätzlich gilt dies auch, wenn der Arbeitgeber zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses die neue AGG-Regelung nicht kennen konnte.[52] In Entscheidungen des BAG oder des EuGH aus den 90er Jahren wurde in einigen Fällen die Anpassung nach oben bestimmt, also eine Gleichstellung der Benachteiligten mit den Bessergestellten. Hier handelte es sich allerdings um Minderheiten, die von speziellen Leistungen ausgenommen waren. Die Anpassung nach oben war relativ unkritisch, da in ihren Auswirkungen begrenzt. Bei Tarifverträgen, die kleinen Gruppen Sonderleistungen gewähren, wäre eher eine Anpassung nach unten sinnvoll, um die finanziellen Auswirkungen zu beschränken.[53]
Neben dem Arbeitgeber richtet sich das Benachteiligungsverbot auch an Kollegen, Kunden oder den Betriebsrat. Ob die Vermutung des Benachteiligenden über das Vorhandensein eines Merkmals tatsächlich zutrifft, ist dabei unerheblich. Allein die Annahme des Diskriminierenden zählt, da diese bereits einen Effekt auf den Diskriminierten ausübt.[54] In einem nachfolgenden Prozess muss der Betroffene nicht offenlegen, ob ihm das diskriminierende Merkmal tatsächlich anhaftet.[55]
§ 7 Abs. 3 AGG weist darauf hin, dass Benachteiligungen, nicht nur durch den Arbeitgeber, sondern auch durch Beschäftigte, eine Verletzung vertraglicher Pflichten bedeuten. Neben den Bestimmungen des AGG kommen hier die Konsequenzen des Leistungsstörungsrechts des BGB zum Tragen. Das Fehlen einer direkten vertraglichen Beziehung zwischen zwei Beschäftigten erschwert allerdings die Verfolgung von schuldrechtlichen Ansprüchen. Nahe liegender ist hier die Anwendung des § 12 Abs. 3 AGG, der den Arbeitgeber auffordert, geeignete Maßnahmen zur Unterbindung von Benachteiligungen durch Beschäftigte zu ergreifen. Gemäß Gesetzesbegründung für § 7 Abs. 3 AGG lässt sich diese Regelung auf vorvertragliche Verhältnisse ausdehnen, so dass ein Rückgriff auf schuldrechtliche Bestimmungen nicht erforderlich ist.[56]
Lt. § 3 Abs. 1 S. 1 AGG liegt eine unmittelbare Benachteiligung vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Das kann in Situationen wie Vertragsschluss, Vertragsbedingungen oder Kündigung erfolgen, aber auch bei der Umgangsweise mit Kontrollen und Vergünstigungen.[57] Es könnte auch der Fall sein, wenn die Bewerbung eines Behinderten wegen seiner Einschränkungen zu Gunsten eines Nichtbehinderten unberücksichtigt bliebe[58] oder eine Frau wegen ihres Frauseins gegenüber einem Mann benachteiligt würde. Das schließt klischeehafte Vorstellungen von mangelnden Fähigkeiten und Fertigkeiten von Frauen ein, so z. B. die Annahme, dass Frauen keine Respektspersonen seien oder nicht mit technischen Geräten umgehen könnten. Auch Vorurteile, wie z. B., dass Schwarze faul oder alle Moslems potentielle Terroristen seien und deshalb Sicherheitsrisiken darstellten, zählen dazu.
Nur ausnahmsweise im Betriebsablauf vorkommende Tätigkeiten, die wegen fehlender Körperkraft oder Geschicklichkeit nicht von Frauen oder Behinderten durchgeführt werden können, dürfen nicht als wesentliche Anforderungen dargestellt werden. Anforderungen im Stellenprofil, die mit der eigentlichen Aufgabe wenig zu tun haben, lassen den Verdacht zu, dass eine Personengruppe ausgeschlossen werden soll, da sie diese Anforderungen per se nicht erfüllen kann. Das könnte z. B. die Forderung nach geleistetem Wehrdienst oder das Vorweisen eines deutschen Abiturzeugnisses sein.[59]
Wie § 3 Abs. 1 S. 2 AGG ausführt, liegt eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Geschlechts in Bezug auf § 2 Abs. 1 Nr. 1 – 4 AGG auch im Fall einer ungünstigeren Behandlung einer Frau wegen Schwangerschaft und Mutterschaft vor.
Zur Ermittlung von Benachteiligungen können aktuelle Vergleichspersonen, Vergleichspersonen aus einer zurückliegenden Situation oder hypothetische Vergleichspersonen verwandt werden. Es muss aber, falls die Benachteiligung noch nicht erfolgt ist, eine konkrete Gefahr dazu bestehen. Eine Benachteiligung kann auch in Unterlassen bestehen. Außerdem muss eine Kausalität zwischen dem Vorliegen des Merkmals und der diskriminierenden Handlung nachweisbar sein. Dazu genügt es, wenn das Merkmal einen Teil des Motivs der Benachteiligung begründet.[60]
Im Personalauswahlverfahren sollten demnach allein die fachliche und persönliche Qualifikation ausschlaggebend sein, es sei denn, die gesetzlichen Rechtfertigungsgründe kommen zum Tragen. Ebenso sollte die Vergütung den Anforderungen des Arbeitsplatzes entsprechen, ohne Beachtung des Alters oder des Geschlechts des Beschäftigten, da eine gleichwertige Arbeit ein gleiches Gehalt nach sich ziehen muss (§ 2 Abs. 1 Nr. 2 AGG). Arbeitnehmer dürfen auch nicht wegen einer Behinderung oder Homosexualität von repräsentativen Aufgaben ferngehalten werden, ebenso wenig wie ältere Beschäftigte oder Frauen von bestimmten oder sämtlichen Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten ausgeschlossen werden dürfen.[61]
§ 3 Abs. 2 AGG definiert: Eine mittelbare Benachteiligung liegt vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen wegen eines in § 1 genannten Grundes gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können, es sei denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel sind zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich.
Benachteiligungsanfällige Regelungen könnten z. B. Vergünstigungen für Vollzeitbeschäftigte sein, wie Jobticket oder Weihnachtsgratifikation, da überwiegend Frauen Teilzeitbeschäftigungen nachgehen und die Vergünstigungen daher seltener in Anspruch nehmen können. Auch die Anforderung bestimmter Eigenschaften, die bei Frauen naturgemäß seltener vorkommen, wie z. B. eine Körpergröße von über 180 cm, benachteiligt Frauen. Benachteiligend für Behinderte ist es, uneingeschränkte Belastbarkeit zu fordern, wenn diese für die...