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Die Bedeutung des Brexit für europäische Gesellschaftsformen, insbesondere der Limited

AutorDana Gunkel
VerlagStudylab
Erscheinungsjahr2017
Seitenanzahl103 Seiten
ISBN9783668538795
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis34,99 EUR
Was passiert, wenn das Vereinigte Königreich kein Mitgliedsstaat der europäischen Union mehr ist? Unter anderem entfällt das Recht der Niederlassungsfreiheit - was nicht nur Konsequenzen für britische Unternehmen hat. Auch für deutsche Unternehmen mit einer britischen Rechtsform stehen Veränderungen an. In diesem Buch werden die Probleme aufgezeigt, die für solche Unternehmen mit dem Brexit entstehen. Auf dieser Grundlage entwickelt der Autor mehrere mögliche Lösungsstrategien für betroffene Unternehmen Diesem Buch liegen die folgenden Leitfragen zugrunde: Inwiefern hat der Austritt des Vereinigten Königreiches aus der Europäischen Union, Einfluss auf das europäische Gesellschaftsrecht? Und wie verändert sich daraus resultierend die Rechtslage für Europäische Gesellschaftsformen, besonders im Hinblick auf die britische Rechtsform der Limited für in Deutschland ansässige Unternehmen? Aus dem Inhalt: - Brexit; - Niederlassungsfreiheit; - Europäische Gesellschaftsformen; - Grenzüberschreitende Verschmelzung; - Grenzüberschreitender Formwechsel

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Leseprobe

3 Die Niederlassungsfreiheit und ihre Vereinbarkeit mit der Sitz- und Gründungstheorie


 

Um die durch den Brexit entstehende gesellschaftsrechtliche Problematik zu verstehen, wird zunächst die Frage geklärt, wie es überhaupt möglich ist, dass Unternehmen sich innerhalb der Europäischen Union in jedem Mitgliedsstaat niederlassen können.

 

Dieses Kapitel behandelt folglich die Niederlassungsfreiheit und ihre Rolle für die Mitgliedsstaaten der europäischen Union. Der Fokus wird im folgenden Kapitel auf die gesellschaftsrechtlichen Aspekte gelegt, denn die Niederlassungsfreiheit für Gesellschaften ist bis vor weniger Zeit noch sehr kontrovers gesehen worden.[29]

 

Die Niederlassungsfreiheit gehört zu den Grundfreiheiten der Europäischen Union. Die Artikel 49 ff. AEUV gewähren für Angehörige der Europäischen Union das Recht, sich in dem Gebiet eines anderen Mitgliedsstaates niederzulassen und in diesem Mitgliedsstaat selbstständig tätig zu werden.[30] Jedem Staatsangehörigen der Europäischen Union steht demnach innerhalb der Mitgliedsstaaten die Standortwohl frei.

 

Grundsätzlich sollten dem Grundgedanken der Artikel 49 ff. AEUV Gesellschaften, den natürlichen Personen bei Anwendung der Niederlassungsfreiheit gleichgestellt sein.[31] Jedoch ist innerhalb der Europäischen Union das Problem aufgekommen, dass Gesellschaften an die nationalen Rechtsordnungen gebunden sind. Die Problematik, die sich hierbei ergibt lässt sich darauf zurückführen, dass es jenseits des einzelstaatlichen Gesellschaftsrecht keine einheitliche rechtliche Grundlage auf europäischer Ebene gibt. Dies führt insbesondere hinsichtlich der Verlegung eines Verwaltungssitzes einer Gesellschaft von einem Mitgliedsstaat in den anderen zu zahlreichen Problemen.

 

Der Europäische Gerichtshof hat sich aus diesen Gründen oft in den letzten Jahrzehnten mit diesem Thema beschäftigen müssen und hat grundlegende Entscheidungen getroffen, welche das Gesellschaftsrecht geprägt und verändert haben. Dies betrifft insbesondere den tatsächlichen und statuarischen Verwaltungssitz und die damit verbundene Rechtsfähigkeit einer Gesellschaft.[32]

 

Erst diese Entwicklung der europäischen Rechtsprechung ermöglicht eine internationale Rechtsformwahl und somit die Möglichkeit der Niederlassung europäischer Rechtsformen in Deutschland. Aus diesem Grund ist es wichtig den Entwicklungsprozess in dieser Arbeit kurz zu erläutern.

 

3.1 Sitztheorie


 

Entstanden ist die Sitztheorie im 19. Jahrhundert. Deutschland und Frankreich haben eine Möglichkeit gesucht, den Zuzug von Gesellschaften, die nicht in dem eigenen Land gegründet worden sind, zu unterbinden. Somit ist eine Gläubigerschutzfunktion geschaffen worden, um ausländische Gesellschaften, welche nach Rechtsvorschriften gegründet worden sind, fernzuhalten, da deren Regelungen häufig weniger streng als die in Deutschland oder Frankreich gewesen sind.[33]

 

Die Sitztheorie knüpft die Rechtsfähigkeit einer Gesellschaft an den Ort, an dem diese Gesellschaft ihren tatsächlichen Verwaltungssitz hat. Definiert wird der tatsächliche Verwaltungssitz, in Bezugnahme auf die Sitztheorie, als den Ort, an dem die Geschäftsleitung ausgeübt wird.[34] Demnach gilt das Recht des Staates, indem besagter Verwaltungssitz liegt, unabhängig davon ob die Gesellschaft in einem anderen Staat bereits wirksam gegründet worden ist oder nicht. Hierzu erläutert Prof. Dr. Horst Eidenmüller in seinem Vortrag „Der EuGH als Motor des Wettbewerbs der Gesellschaftsformen“ folgendes:

 

„Kapitalgesellschaften, die in einem Staat wirksam errichtet wurden, werden durch einen Staat, der der Sitztheorie folgt, nicht als solche anerkannt, wenn ihr tatsächlicher Verwaltungssitz in diesem Staat liegt.“[35]

 

Professor Dr. Horst Eidenmüller zeigt hiermit die Problematik der Sitztheorie auf, welche im Folgenden an dem Beispiel Deutschland erläutert wird.

 

Möchte eine Gesellschaft, zum Beispiel eine spanische Sociedad de responsabilidad limitada, vergleichbar mit einer deutschen GmbH, ihren Verwaltungssitz nach Deutschland verlegen, bestimmt sich ihre Rechtsfähigkeit, folgt man der Sitztheorie, nach deutschem Recht. Anerkannt vom deutschen Gesellschaftsrecht sind nur die in Deutschland vorkommenden Rechtsformen. Die spanische Rechtsform Sociedad de responsabilidad limitada ist somit nicht in Deutschland als Rechtsform bekannt. Dies hat zur Folge, dass diese Gesellschaft keine Rechts- und damit Parteifähigkeit in Deutschland besitzt.[36]

 

3.2 Gründungstheorie


 

Der Ursprung dieser Theorie entstammt aus dem anglo-amerikanischen Rechtsraum.[37] Nach der Gründungstheorie ist der Satzungssitz, auch statuarischer Sitz genannt, der Gesellschaft entscheidend. Ausschlaggebend für die internationale Rechtsfähigkeit einer Gesellschaft und das Recht, welches Anwendung findet, ist der jeweilige Staat in dem die Gesellschaft wirksam gegründet worden ist. Im Gegenteil zu der Sitztheorie ist es folglich unerheblich, ob der tatsächliche Verwaltungssitz der Gesellschaft in einen anderen Mitgliedsstaat der Europäischen Union verlegt wird. Eine solche Verlegung hat nach der Gründungstheorie nicht die Folge, dass die Rechtsfähigkeit und somit die Parteifähigkeit einer Gesellschaft in dem anderen Mitgliedsstaat, in dem sie sich niedergelassen hat, nicht anerkannt wird und daher verloren geht.[38] Würde sich nach dieser Theorie eine in Großbritannien gegründete Limited dazu entscheiden, ihre Geschäftsleitung und somit auch ihren tatsächlichen Verwaltungssitz in die Niederlande zu verlegen, die Gesellschaft aber weiterhin als eine Limited britischen Rechts auftreten möchte, bestimmt sich ihre Rechtsfähigkeit auch noch künftig nach dem Mitgliedsstaat, in dem sie gegründet worden ist. In diesem Fall wäre dies nach wie vor Großbritannien.

 

Die folgende Tabelle zeigt einen kurzen Überblick, der Mitgliedsländer der europäischen Union, hinsichtlich der von ihrer Rechtsprechung unterschiedlich vertretenden Ansätze. Unterschieden wird zwischen dem Ansatz der sogenannten Sitz- und der Gründungstheorie.

 

Tabelle 1: Differenzierung einiger EU Länder bezüglich Sitz- und Gründungstheorie (eigene Darstellung in Anlehnung an Silberberger 2007, S. 5.)

 

 

3.3 Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshof


 

Da diese zwei Theorien nicht miteinander vereinbar sind und die Meinung vertreten worden ist, dass die Sitztheorie gegen die europäische Niederlassungsfreiheit verstoßen würde, hat sich der Europäische Gerichtshof in den letzten Jahrzehnten mit diesem Thema auseinandergesetzt und zu dieser Problematik Stellung genommen.[39] Die vier wichtigsten und bekanntesten Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs zu diesem Thema werden in den folgenden Unterpunkten kurz dargestellt. Jede dieser Entscheidungen hat das anwendbare Recht der Niederlassungsfreiheit für Gesellschaften geprägt und zum Teil sogar verändert.

 

3.3.1 Die Daily Mail Entscheidung


 

Die erste relevante Entscheidung des Europäischen Gerichtshof zu diesem Thema ist die Daily Mail Entscheidung vom 27.09.1988. Eine britische Zeitung, welche unter dem Namen „Daily Mail and General Trust PLC “ bekannt ist, möchte ihren Verwaltungssitz aus Gründen der Steuerersparnis von Großbritannien in die Niederlande verlegen. Jedoch wird dem Unternehmen der Wegzug von der britischen Regierung nicht gestattet. Als Begründung hierfür hat das britische Finanzministerium aufgeführt, dass durch den Wegzug der Gesellschaft, der nach dem britischen Steuerrecht relevante Anknüpfungspunkt, nicht mehr existieren würde. Ob eine Gesellschaft der britischen Körperschaftssteuer unterliegt, wird dadurch bestimmt, ob ihr steuerlicher Sitz in Großbritannien liegt. Definiert wird hierbei der steuerliche Sitz, als der Ort an dem die Geschäftsführung einer Gesellschaft ausgeübt wird.[40]

 

Die englische Gesellschaft ist jedoch davon überzeugt gewesen, dass Artikel 52 und 58 EWG-Vertrag sie dazu berechtigt, den Sitz ihrer Geschäftsleitung, auch ohne eine Zustimmung für die Sitzverlegung, in ein anderes Mitgliedsland der Europäischen Union zu übertragen. Für die Gesellschaft ist es unverständlich, warum sie besagte Zustimmung des britischen Finanzministeriums nicht erhalten hat. Da sie sich in ihrer Niederlassungsfreiheit verletzt fühlt, reicht die Daily Mail and General Trust PLC gegen das britische Finanzministerium Klage ein.

 

Der Europäische Gerichtshof hat daraufhin folgendes entschieden:

 

„Die Artikel 52 und 58 EWG-Vertrag gewähren beim derzeitigen Stand des Gemeinschaftsrechts einer Gesellschaft, die nach dem Recht eines Mitgliedsstaats gegründet ist und in diesem ihren satzungsmäßigen Sitz hat, nicht das Recht, den Sitz ihrer Geschäftsleitung in einen anderen...

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