Die Aktivierung ist Voraussetzung dafür, dass das Verpackungsdesign als Schlüsselreiz wirken kann und in einer Kaufentscheidung am POS mündet. Grundsätzlich stellt die Aktivierung die Basis aller Antriebsprozesse dar[195] und nimmt die Schlüsselstellung in der Erklärung des Kaufverhaltens ein, da sie den Organismus mit Energie versorgt und in einen Zustand der Leistungsfähigkeit und Leistungsbereitschaft, d. h. zu Denken, zu Fühlen und zu Handeln, versetzt.[196] Im unmittelbaren Zusammenhang mit der Funktion des zentralen Nervensystems wird dabei zwischen tonischer und phasischer Aktivierung differenziert.[197] Mit der tonischen Aktivierung sind das allgemeine Aktivierungsniveau (der Wachheitsgrad) und damit die länger anhaltende Bewusstseinslage (also die Wachheit) und die allgemeine Leistungsfähigkeit eines Individuums gemeint. Dagegen bezieht sich die phasische Aktivierung auf kurzfristige Aktivierungssschwankungen, die die Leistungsfähigkeit eines Individuums in bestimmten Reizsituationen determinieren und z. B. durch bestehende Außenreize ausgelöst werden können. So werden die jeweilige Aufmerksamkeit und damit auch die kognitive Leistungsfähigkeit in einer bestehenden Situation gesteuert. Der Zusammenhang von Aktivierung und Leistung wird durch die so genannte „Lambda-Hypothese“ angegeben wie in Abbildung 13 illustriert:[198]
Abbildung 13: Beziehung zwischen Aktivierung und Leistung (Lambda-Hypothese)[199]
Bei zunehmender Stärke der Aktivierung steigt zunächst die Leistung eines Individuums an („entspannte Wachheit“ bis „wache Aufmerksamkeit“), wobei ein Mindestmaß an Aktivierung vorausgesetzt wird („Schlaf“ bis „entspannte Wachheit“). Ab einem bestimmten Grad der Aktivierung („starke Erregung“) fällt die Leistung des Individuums bei weiterer Steigerung der Aktivierung. Bei einem extremen Grad an Überaktivierung („Panik“) ist so gut wie keine Leistung mehr möglich. Im Zusammenhang mit dem Verpackungsdesign kann der Zustand der inneren Erregung oder Spannung, der das Kaufverhalten antreibt, auf äußere Reize zurückgeführt werden.[200] Hierfür existiert „.ein reichhaltiges Arsenal bewährter Reize.“.[201] Konkret ergeben sich für die gezielte Aktivierung der Empfänger bzw. Verbraucher drei Techniken, nämlich die Verwendung von physisch intensiven Reizen, emotionalen Reizen sowie überraschenden Reizen.[202] Eine annähernd sichere Aktivierung und Zuwendung zum Verpackungsdesign wird vor allem durch die Farbe, als physisch intensiver Reiz, ausgelöst im Vergleich zu Material, Form und Zeichen.[203] In der vorhandenen Literatur wird an erster Stelle die Farbe als der aktivierende Reiz herausgestellt.[204] Dieser Vorgang ist in der Regel nicht bewusst und besitzt keine kognitive Komponente, wie auch in Kapitel 2.2.4 erörtert. Jedoch ist die Aktivierung Voraussetzung zur Beeinflussung der kognitiven Prozesse wie die Informationsaufnahme und deren Verarbeitung.[205]
Diese Erkenntnis führt zu folgender Hypothese:
Die Aktivierung, die mit dem Verpackungsdesign ausgelöst wird, stellt die Grundlage für die emotionalen Prozesse dar.[206] Dabei wird zwischen positiven und negativen Emotionen unterschieden. Es stellt sich nun die Frage, welche fundamentalen Emotionen für den Impulskauf von Relevanz sind. Für die Entstehung eines Kaufimpulses und insbesondere zur Herbeiführung einer impulsiven Kaufentscheidung interessieren lediglich die positiven Emotionen, worunter eine „Annäherung an den Reiz“ zu verstehen ist im Gegensatz zu einer Abwendung.[207]
Die Emotionsdimension Interesse wird als eine positive Emotion bezeichnet, die weder durch biologische Triebe noch durch Freude und auch nicht durch negative Emotionen ausgelöst wird.[208] Sie wird als wichtigste psychologische Begleiterscheinung von Wahrnehmung, Aufmerksamkeit und kognitiven Prozessen beschrieben.[209] Die Emotion Interesse-Erregung stellt nach Izard die auf der Bewusstseinsebene am häufigsten auftretende Begleiterscheinung von selektiver Wahrnehmung und kognitiven Prozessen dar.[210] Sie erhält eine wichtige Funktion innerhalb der Lernprozesse, da in ihr die Aktivierungsgröße ausgelöst wird, die zur Reizauswahl führt. Dadurch kann in der Emotionsdimension Interesse „.durchaus eine Relevanz für den Kaufimpuls und damit implizit auch für den Impulskauf gesehen werden...“.[211]
Vor dem Hintergrund der Betrachtung von Marken werden bekannte Marken mit einem höheren Interesse wahrgenommen als unbekannte Marken. Dementsprechend kann folgende Hypothese formuliert werden:
Freude gehört ebenfalls zu den positiven Emotionen zur Erklärung von Impulskäufen und spielt eine wichtige Rolle bei der Befriedigung von emotionalen Bedürfnissen.[212] Nach Izard bezeichnet ein emotionales Bedürfnis die Abhängigkeit von einem Objekt, um das Erleben positiver Emotionen zu ermöglichen.[213] So kann angenommen werden, dass äußere Reize des Verpackungsdesigns am POS Freude erzeugen können und zu einem verstärkten kreativen Denken in Bezug auf das Verpackungsdesign sowie zu einem spontanen Gefühl der Einheit mit dem Verpackungsdesign führen. Damit kommt der Emotionsdimension Freude eine zentrale Rolle bei der Entstehung von impulsiven Kaufentscheidungen zu.[214]
Angesichts dieser Erkenntnis, dass durch erfüllte Erwartungen an Gestaltungsmerkmale Freude generiert wird, die wiederum das impulsive Kaufverhalten begünstigt, lautet Hypothese III:
Neben den Emotionen Interesse und Freude erscheint nach Baun ebenso die Betrachtung der Überraschung zur Erklärung von impulsiven Kaufentscheidungen angebracht, wobei sie weder als positive noch negative Emotion eingeordnet werden kann.[215] Die Technik der Überraschung erzielt ihre Wirkung dadurch, dass sie gegen bestehende Erwartungen und Schemavorstellungen verstößt und so Überraschungen in den Empfängern bzw. Konsumenten auslöst.[216] Ob sie nun eher als positiv oder negativ empfunden werden, hängt maßgeblich vom Individuum ab. Solange die Überraschung vom Konsumenten als positiv wahrgenommen wird, kann davon ausgegangen werden, dass diese Emotion aufgrund der damit einhergehenden hohen phasischen Aktivierung[217] bei gleichzeitig geringer kognitiver Kontrolle am ehesten unmittelbar in eine impulsive Kaufentscheidung umgesetzt wird.[218]
Vor der Annahme, dass moderne Formen, die mit einem Neuartigkeitseffekt einhergehen im Gegensatz zu klassischen Formen, Überraschung erzeugen, erlaubt dieser Sachverhalt die Formulierung der Hypothese IV:
Die Gestalttheorie, häufig Synonym zum Begriff Gestaltpsychologie, kann der psychologischen Ästhetik zugeordnet werden und geht auf Christian von Ehrenfels zurück. Sie basiert auf dem gestaltpsychologischen Leitgedanken „Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile“. Aus den gestaltpsychologischen Erkenntnissen wird eine Reihe von Gestaltgesetzen definiert, die sich auf die Schaffung prägnanter Gestalten beziehen.[219] Für das Verpackungsdesign zählen zu den „guten Gestalten“ die so genannten Primärformen des Kreises und des Quadrates, wobei der Kreis als die prägnanteste Form aufgrund seines hohen Maßes an Gleichförmigkeit („Gesetz der Symmetrie“) und Geschlossenheit („Gesetz der Geschlossenheit„) betrachtet wird.[220] Mit anderen Worten zeichnet sich die „gute Gestalt“ durch eine einfachere Wahrnehmbarkeit aus.
Wie bereits dargelegt wurde, gewinnt die Ästhetik von Verpackungsdesign für die Kaufentscheidung zunehmend an Bedeutung. Der einfachste Fall von „Schönheit“ ist nach Wilhelm Wundt die geometrische Schönheit.[221] Hinter diesem Postulat der ästhetischen Wirkung von Symmetrie wird der Gedanke einer leichten Erfassung des Regelmäßigen gesehen. Zur Begründung wird angeführt, dass die Vereinfachung der Wahrnehmungsprozesse einen positiven Affekt auslöst.[222] So wird eine einfache Wahrnehmung als angenehm bzw. schön empfunden. Auch Höge konstatiert, dass die ästhetisch befriedigende Proportion in der Symmetrie liegt.[223]
Übertragen auf die Form bzw. Formproportionen[224] des Verpackungsdesigns ist Hypothese V wie folgt zu formulieren:
Das Lernen von Gefühlen erfolgt im Allgemeinen nach den Regeln der klassischen Konditionierung. Dabei vollzieht sich der Lernprozess nicht über den Verstand bzw. entzieht sich zum größten Teil der kognitiven Kontrolle.[225] In Bezug auf Zusatz- bzw. Produktnamen[226] können Worte das Verpackungsdesign mit Emotionen aufladen. Ein Konsument der diese Worte zum ersten Mal sieht und mit dem Namen in der Vergangenheit noch keine emotionell gefärbten Erfahrungen gesammelt hat, verbindet mit diesen Reizen keine...