Einzel- und Gruppentäter
Die PKS verzeichnet einen Anteil von etwa 57% allein handelnder Tatverdächtiger.72) Obwohl auch hier zu berücksichtigen ist, dass den statistisch erfassten Tätern etwa das vier- bis fünffache an unerkannten Tätern gegenübersteht, deckt sich das PKS-Ergebnis immerhin mit der Behauptung vieler in Studien interviewter Einbrecher, dass sie bevorzugt alleine ihre Taten verüben. Die Zusammenarbeit mit einzelnen Komplizen oder sogar in ganzen Gruppen ist in höherem Maße ein Merkmal jüngerer als älterer Wohnungseinbrecher.73) Bei jüngeren Einbrechern mag einerseits die Unerfahrenheit und die gleichzeitige Sicherheit, die das Agieren in der Gruppe bietet, zum anderen aber auch der Kick des Gruppenerlebnisses die Ursache für das hordenweise Einbrechen sein. Mit zunehmendem Alter wird eher das Arbeiten ohne Mittäter bevorzugt. Eine Sonderstellung nehmen hier zwangsläufig die Täter ein, die in die Organisation einer den Prinzipien der Aufgabenteilung und Spezialisierung folgenden Bande eingebunden sind.
Polizeilich oder justiziell in Erscheinung getreten
Die Frage, ob Einbrecher bei der Polizei aufgefallen oder vor Gericht abgeurteilt worden sind, lässt sich zuverlässiger beantworten als viele andere Tätermerkmale, da hier ein Blick in Akten oder elektronische Datensysteme reicht, um eine klare Antwort zu bekommen. Laut PKS sind je nach Jahr zwischen 80 und 90% der Wohnungseinbrecher bereits polizeilich auffällig geworden (Abb. 12). Die Ruhrgebiets-Studie weist zudem aus, dass auch das Maß der einschlägigen polizeilichen Erkenntnisse hoch ist. So waren vier von zehn Tatverdächtigen bereits als Einbrecher in Erscheinung getreten. In diversen Studien wurde eine Vorbestraftenrate von bis zu 90% und bei jugendlichen Einbrechern immerhin von fast 50% festgestellt. Allerdings findet sich unter den Einbruchsverdächtigen auch ein gewisser Anteil, der weder bei der Polizei noch vor Gericht irgendwie aufgefallen ist. Zum einen mögen dies Täter sein, die erstmalig aufgefallen sind. Zum anderen verbergen sich in dieser Gruppe aber auch solche Personen, die fälschlich verdächtigt werden oder die sich aufgrund zivilrechtlicher, etwa mietrechtlicher Querelen, plötzlich als Tatverdächtige in einer Einbruchsanzeige wiederfinden. Bemerkenswert erscheint, dass Serientäter seltener Betäubungsmittelkonsumenten sind als sonstige Wohnungseinbrecher. Dies mag damit zusammenhängen, dass Serientäter, insbesondere Angehörige organisierter Banden, eher nüchtern und mit der Arbeitsdisziplin des Profis an die Arbeit gehen als gescheiterte Milieuexistenzen.
Abb. 12 (Quelle: Kawelovski 2012, S. 45)
Schul- und Berufsausbildung
Nach den Ergebnissen wissenschaftlicher Untersuchungen haben Wohnungseinbrecher mehrheitlich mindestens den Hauptschulabschluss und die Hälfte immerhin abgeschlossene Berufsausbildungen. In Befragungen von Polizeibeamten wird von einem niedrigeren Bildungsstand und einer geringen durchschnittlichen Intelligenz der Täter ausgegangen.74) Die Mehrheit der berufstätigen Wohnungseinbrecher sind Arbeiter oder Handwerker. Jeder Zehnte von ihnen bejaht einen Zusammenhang zwischen seinem Beruf und dem Wohnungseinbruch. Dies gilt ganz besonders für Schlosser.75) Mit fortschreitender Einbruchskarriere sinkt der Anteil der Berufstätigen ab. Dies mag einerseits dadurch bedingt sein, dass der Wohnungseinbruch seine Täter ausreichend ernähren kann, andererseits wirken sich aber sicherlich auch die Probleme der Jobsuche aus, die die Verhängung von Freiheitsstrafen und ihre Nachwirkungen mit sich bringen. Bei Eigenauskünften von Einbrechern, wie man sie etwa im Rahmen von Vernehmungen bei der Abfrage der persönlichen Daten erhält, ist allerdings eine gewisse Vorsicht angebracht. Wie in vielen anderen sozialen Gruppen wird es auch hier eine gewisse Tendenz geben, seinen eigenen Sozialstatus durch einen behaupteten, aber nicht vorhandenen Schul- oder Berufsabschluss zu erhöhen. Außerdem ist vielen festgenommenen Tatverdächtigen klar, dass sie durch die Darstellung stabiler sozialer Lebensverhältnisse, hierzu gehört auch die Ausübung eines Berufes oder der Besuch einer Schule, eher von einem Haftbefehl verschont bleiben, als wenn sie als hoffnungslose Fälle ohne sozialen Rahmen dastehen. Dies steigert zweifellos die Bereitschaft zu Falschangaben.
Tatverdächtigenwohnsitz
Den Zahlen der PKS zufolge kommen rund 60% der Wohnungseinbrecher aus der Tatortgemeinde, also aus der näheren Umgebung des Tatortes.76) Auch in diesem Zusammenhang sei vorsichtshalber wieder darauf hingewiesen, dass es sich hier nur um erkannte Täter handelt. Bei den professionelleren, von der Polizei eher seltener überführten Tätern ist der Anteil der Ortsansässigen vermutlich geringer. Hier hat man es mehr mit überregional agierenden Tätern zu tun, die sich zunutze machen, dass sie in der Tatortumgebung fremd sind und bei Beobachtungen durch Zeugen auch nicht erkannt werden – anders als dies zum Teil bei ortsansässigen Tätern der Fall ist.
Täter-Opfer-Beziehung
Selbst unter erfahrenen Kriminalbeamten wird der Anteil von Täter-Opfer-Beziehungen bei Wohnungseinbrüchen eher als gering eingeschätzt. Eine Umfrage unter Teilnehmern eines Einbruchsseminars der Polizei führte zumeist zu Schätzungen im einstelligen Prozentbereich, einige vermuteten den Anteil der Täter, die aus dem Umfeld der Opfer kommen nahezu bei null. Die PKS gibt zu diesem Punkt keine Auskunft. Sie erfasst die Täter-Opfer-Beziehungen lediglich bei Gewaltdelikten. In der Ruhrgebiets-Untersuchung wurde dieser Punkt untersucht. Danach gab es in fast 40% der Fälle eine wie auch immer geartete Beziehung zwischen Täter und Opfer bereits vor der Tat (Abb. 13).77) Auch in anderen Untersuchungen wurde ein hoher Anteil an solchen Vorbeziehungen festgestellt.78) Man muss jedoch hier in Rechnung stellen, dass sich Beziehungstäter leichter ermitteln lassen als Nicht-Beziehungstäter, da die Opfer der Polizei bei Beziehungstätern oft schon einen eigenen Tatverdacht mitteilen können, mit dem die Ermittler arbeiten können. In Fällen mit Täter-Opfer-Beziehung entstammen die Tatverdächtigen am häufigsten dem Bekanntenkreis der Opfer, gefolgt von Verwandten, ehemaligen Beziehungspartnern und Nachbarn. Unter den Tatverdächtigen sind aber auch Mitarbeiter, Haushaltshilfen, Mieter und Vermieter der Opfer (Abb. 14).79)
Abb. 13 (Quelle: Kawelovski 2012, S. 43)
Abb. 14 (Quelle: Kawelovski 2012, S. 43)
Tatmotive
Vordergründig scheint sich die Frage nach dem Tatmotiv von Wohnungseinbrechern nicht zu stellen. Worum soll es schon bei einem Einbruch gehen? Um Bereicherung natürlich. Bei näherem Hinschauen erweist sich jedoch, dass die Motivlagen bei diesen Tätern vielschichtiger sind. Die Forschung hat hier eine Reihe von Befunden erhoben. Natürlich steht für die meisten Wohnungseinbrecher der Gewinn im Vordergrund, doch gleichzeitig oder je nach Fall ausschließlich gibt es weitere Antriebe, die zu diesen Taten führen.
Insbesondere bei jungen Tätern spielt der Aspekt der Abenteuerlust eine große Rolle, wenn in die Privatsphäre fremder Menschen eingedrungen wird. Das zeigt sich daran, dass teilweise relativ wertlose Sachen mitgenommen werden. Die Vorstellung, etwas Verbotenes zu tun und das Risiko, dass jemand am Tatort auftauchen könnte, lösen bei vielen jungen Einbrechern ein hohes Maß an Spannung und Nervenkitzel aus. Mit zunehmender Taterfahrung und zunehmendem Alter weicht aber diese Tatmotivation einem eher pragmatischen Gewinnstreben.80) Bei jungen Wohnungseinbrechern wirkt darüber hinaus der Gruppendruck einer kriminellen Peergroup. Die Gefahr, im Umfeld der Altersgenossen als Feigling, Langweiler oder Spießer dazustehen, veranlasst auch manchen eher harmlosen Jugendlichen, bei einem Einbruch mitzumachen und damit letztlich auch das gesamte strafrechtliche Risiko einzugehen. Auch dieses Motiv findet sich bei erwachsenen Tätern kaum noch. Die gereiftere Persönlichkeit ist den Effekten dieser Gruppendynamik nicht mehr in diesem Maße unterworfen. Bei der Entscheidung für den Wohnungseinbruch als Einnahmequelle wirken vor allem bei Älteren auch Kosten-Nutzen-Abwägungen. Der Wohnungseinbruch – dies war in Untersuchungen aus den Mündern vieler Einbrecher zu hören – schneidet bei diesem Kosten-Nutzen-Kalkül günstig ab, da die Gewinnerwartung bei relativ geringen eigenen Kosten und geringem Zeitaufwand relativ groß ist wogegen das Ergreifungsrisiko von vielen Tätern als sehr gering erachtet wird.81) Dem Argument, dass diese Einschätzung gerade aus dem Munde inhaftierter Einbrecher nicht überzeugen kann, weil sie ja nicht einsäßen, wenn alles so gefahrlos wäre, ist die Feststellung eines befragten Einbrechers entgegen zu halten: „Jeder, der...