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Warum Studenten Gott den Rücken kehren
Lindseys E-Mail landete gegen Ende des Sommersemesters in meinem Posteingang. Wie so viele andere reflektiert sie die steigende Tendenz von bibelgläubigen Studenten, die – als Folge der Aufklärung durch die so genannten archäologischen „Fakten“ – plötzlich die Historizität der Bibel in Frage stellen, in deren Glauben sie aufgewachsen sind. Sie schreibt:
Von: Lindsey
Betreff: Frage
Ich habe eine Frage aus meinem Religionsunterricht, die mich umtreibt, so dachte ich, ich könnte sie an Leute schicken, von denen ich den Eindruck habe, dass sie sich damit auskennen und mir weiterhelfen können.
Gestern in meiner Klasse für Biblische Literatur war es unsere Aufgabe, das Buch Josua zu lesen, und dann mussten wir das Kapitel eines Buches lesen, genannt Keine Posaunen vor Jericho von Israel Finkelstein. Ich werde mir Mühe geben, Ihnen eine Zusammenfassung dessen zu geben, was es aussagt.
Im Grunde war es ein archäologischer Bericht der Eroberung Kanaans. Offensichtlich gibt es Hinweise für die Annahme, dass Kanaan zu dieser Zeit unter ägyptischer Kontrolle war. Wenn dies wahr wäre, hätten die Ägypter nie eine solche Invasion zugelassen – zumindest wäre es auf jeden Fall in der ägyptischen Berichterstattung erwähnt worden.
Es wird angenommen, dass es in Jericho im 13. Jahrhundert v. Chr. keine Spuren einer Besiedelung gab und dass die Besiedelung im 14. Jahrhundert geringe Auswirkungen hatte und unbefestigt war. Außerdem soll es absolut kein Zeichen von Zerstörung geben.
Wegen des militärischen Einflusses Ägyptens und des vorhandenen Schutzes in der Region konnten die berühmten Mauern von Jericho nicht eingestürzt sein, denn sie haben nie existiert, laut Finkelstein. Als Konsequenz dieser Entdeckungen ist laut Finkelstein die berühmte Szene, wo die Israeliten um die Mauern marschieren und die Bundeslade tragen, die Widderhörner blasen und die Mauern zu Boden stürzen, nur eine „romantische Illusion“. Das ganze Ereignis und die anderen berühmten Szenen des Buches Josua sollen nur Überlieferungen des Volkes sein, die als Stilmittel dienten, um zu beschreiben, was passieren könnte, wenn die Israeliten dem Gesetz buchstäblich gehorchen, mit dem Ziel, die Israe-liten zur Zeit Josias zu vereinen und ihnen eine gemeinsame und ruhmreiche Vergangenheit zu geben.
SO das wäre gesagt … irgendwelche Ideen?
Meinen Sie, dass das, was diese Archäologen sagen, wahr sein könnte? Könnte mein Professor Recht haben? Dies hat mich wirklich beschäftigt! Können Sie helfen?1
Jedes Frühjahr schließen tausende amerikanische Schüler eine christliche Schule ab und lassen sie hinter sich, um ein Studium oder eine Ausbildung zu beginnen. Das Problem ist – wie eine neuere amerikanische Studie zeigt –, dass eine alarmierende Mehrheit dieser Schüler auch ihre Bibel und ihren Glauben an Gott hinter sich lassen. Studentenpfarrer aus zahlreichen christlichen Denominationen schätzen, dass zwischen 65 und 94 Prozent dieser Schüler Gott den Rücken zukehren und nach der Schule vom Glauben abkommen.
Um diese Schätzungen zu dokumentieren, hat das Jugend- und Familienzentrum des Fuller Theological Seminary im Januar 2005 eine dreijährige Studie2 gestartet, genannt das College-Übergangsprojekt.3 Die Studie bestätigte, dass Schüler, die nicht fähig waren, ihren Glauben zu verteidigen, (oder jemand zu finden, der ihnen helfen konnte, ihren Glauben zu verteidigen) normalerweise im ersten Studienjahr ihren Glauben verloren.
Die Fuller-Studie bestätigt auch, dass alle Gemeinden Schüler hatten, die auf der höheren Schule ihrem Glauben treu blieben, aber irgendwie eine Kehrtwendung machten und ins Straucheln kamen (oder in die Gegenrichtung losspurteten), als sie anfingen zu studieren.
In dem Buch Already Gone4 zitieren die Autoren Ken Ham und Britt Beemer Forschungen, die von der Americaʻs Research Group durchgeführt wurden, die „über 20-Jährige“ beobachteten, die es als Kinder gewohnt waren, zur Kirche zu gehen, nun aber nicht mehr dabei sind. Der Gottesdienstbesuch in dieser Altersgruppe (20-29) ist folgendermaßen:
• 95 % gingen während der Grundschule regelmäßig zum Gottesdienst
• 95 % gingen während der Mittelstufe regelmäßig zum Gottesdienst
• 55 % gingen während der Oberstufe regelmäßig zum Gottesdienst
• 11 % gingen während des Studiums regelmäßig zum Gottesdienst
Die Teilnahme am Gottesdienst sank also rapide, je älter die Schüler wurden. Aber warum? Könnte folgende Statistik etwas damit zu tun haben? Von den Studenten sagten aus:
• 39,8 % hatten während der Mittelstufe das erste Mal Zweifel an der Bibel
• 43,7 % hatten während der Oberstufe das erste Mal Zweifel an der Bibel
• 10,6 % hatten während des Studiums das erste Mal Zweifel an der Bibel
Wenn diese Studenten mit dem Studium beginnen, sind sie schon voller Fragen und fühlen sich entweder zu unwohl oder zu schüchtern, um sie zu stellen. Entweder lag hier das Problem oder die Gemeinde gab ihnen keine befriedigenden Antworten, um ihre Zweifel zu mindern. Zu diesem Zeitpunkt sind sie, wie der Buchtitel Already Gone es bereits sagt, schon längst gegangen. Seltsamerweise wurde bei der Studie5 herausgefunden, dass diejenigen, die den Kindergottesdienst (61 %) besucht hatten, noch eher zu folgenden Einstellungen neigten, als die, die ihn nicht besucht hatten:
• Nicht zu glauben, dass alle Berichte und Geschichten in der Bibel wahr sind.
• An der Bibel zu zweifeln, da sie von Menschen niedergeschrieben wurde.
• An der Bibel zu zweifeln, da sie nicht korrekt übersetzt wurde.
• Der Meinung zu sein, dass gleichgeschlechtliche Ehen und Abtreibung legalisiert werden sollten.
• An die Evolution zu glauben.
• Die Kirche als scheinheilig anzusehen.
• Mit den Jahren immer mehr gegen die Kirche zu sein.
• Zu glauben, dass gute Menschen nicht zur Kirche gehen müssen.
Falls auch Sie zu dieser „Schon-längst-gegangen“-Gruppe gehören, verstehe ich Ihre Zweifel – aber ich bitte Sie eindringlich, weiterzulesen. Falls Sie zu den christlichen Eltern gehören, die verwurzelt sind in kulturspezifischer Erziehung, wird sich das Lesen dieses Buches und das Reflektieren der Dokumentation, die es bietet, für Sie lohnen. Es gibt Antworten – sehr gute sogar –, die es ermöglichen, dass sich für die kommenden Generationen das Blatt wendet.
Aus meiner Sicht als Professor am St.-Petersburg-Seminar in Florida versagen wir darin, den Staffelstab des Glaubens an die nächste Generation weiterzureichen – wir müssen es einfach besser machen6. Ich bin jedes Mal schockiert (und betrübt), wenn ich in Statistiken lese, wie viele Amerikaner kein einziges Evangelium nennen oder Jesus als die Person identifizieren können, die die Bergpredigt hielt, oder die glauben, dass die ganze Bibel – Altes und Neues Testament – kurz nach Jesu Tod geschrieben wurde. Frank Page von der Southern Baptist Convention (SBC; die größte Denomination in den Vereinigten Staaten) findet es alarmierend, wie viele in der SBC aus der Kirche austreten: „Es ist eine beunruhigende Tendenz, und ein Grund dafür ist, dass unsere Gemeinden zu Ein- und Zwei-Generationen-Gemeinden wurden und es uns nicht gelang, die jüngere Generation zu erreichen.“7
Die Historizität der Bibel ist nicht so ungenau und weit hergeholt, wie es unseren Studenten im Unterricht gesagt wird; ganz im Gegenteil. Es ist möglich, den Verstand zu gebrauchen und trotzdem im 21. Jahrhundert der Bibel zu vertrauen. Zu viele der heranwachsenden Generation haben die Bibel schon als irrelevanten Mythos abgeschrieben – unnötigerweise. Es gibt Arbeit. Der Inhalt des Staffelstabes, den wir weiterreichen, muss ständig aktualisiert werden und den intellektuellen Herausforderungen, mit denen die Studenten konfrontiert werden, angepasst werden. Wenn ein relevanter Stab nicht weitergereicht wird, wird die nächste Generation Gott nicht kennen. Sie wird später einmal als nach-christliche Generation weiterleben. Nachdem von der Generation Josuas alle gestorben waren, „gab es eine neue Generation, die den Herrn weder kannte noch wusste, was er für Israel getan hatte. Sie taten, was der Herr verabscheute: Sie dienten anderen Göttern“ (Richter 2,10-11). Die Aussicht ist erschreckend. Und es geschieht im Handumdrehen.
Vor kurzem wurde ich gebeten, zu einer Gruppe über die Anschuldigungen gegen die Historizität der Bibel und über die alarmierende Zahl von Studenten, die ihren Glauben verwerfen, zu sprechen. Als die Veranstaltung zu Ende war, übte auf die Mehrheit der Zuhörer langsam aber sicher der Redner eine größere Anziehungskraft aus als der Hörsaalausgang. Sie warteten geduldig, bis sie mich sprechen konnten. Sie kamen nicht nach vorne, weil ich eine Art emotionalen Aufruf nach vorne zu kommen gestartet hatte. Diese Leute sehnten sich danach, uns ihre eigene „Opfer“-Geschichte als...