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Die 'Christliche Identität' - formen, bewahren und sprachfähig machen

Eine Einführung in die Systematische Theologie

AutorRüdiger Halder
VerlagForum Theologie & Gemeinde
Erscheinungsjahr2016
Seitenanzahl220 Seiten
ISBN9783942001236
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis9,99 EUR
Wir leben in einer Zeit, in der viele Vertreter des Christentums sich anschicken, die christliche Theologie zu 'zerlegen' und ihre Glaubensaussagen gründlichst hinterfragen. Dies mag insofern sinnvoll erscheinen, weil biblische Erkenntnis grundsätzlich ein Stückwerk darstellt. Außerdem sind theologische Aussagen immer auch mehr oder weniger kulturgebunden. Das Problem dabei ist jedoch, dass all diese klugen Köpfe es am Ende missen lassen, die Teile wieder zusammenzubauen. 'Man muss die Dinge einfach mal so stehen lassen und die Spannung darin aushalten können', so ihre Ansicht. Vielleicht muss dieser Weg auf diese Weise beschritten werden, weil sich sonst auf der anderen Seite eine eingefahrene, dogmatische Totenstarre nicht anders beleben lässt. Das Tragische ist jedoch, dass so die 'Christliche Identität' droht, sich in diesem Scherbenhaufen zu verlieren. Letztlich sind es die Gläubigen, denen die Glaubensgrundlage entzogen wird und sie damit mehr und mehr die Orientierung verlieren. Die Ironie dabei ist ebenso, dass in unserer pluralistischen Gesellschaft (Wahrheitsvielfalt) viele Menschen ganz besonders auf der Suche nach einer tragfähigen Identität sind und sie diese eigentlich im Christentum finden sollten. 'Christliche Identität - formen, bewahren und sprachfähig machen' ist ein Buch, welches manche Ansichten zu Theologie, Glauben und Gemeinde kritisch beleuchtet. Vor allem steht es aber für die Frage ein, wie die Systematische Theologie dazu beitragen kann, christliche Theologie zu beleben und damit Glauben neu in Bewegung zu bringen - ohne seine christliche Identität preiszugeben.

Ru?diger Halder ist Pastor im BFP und langjähriges Mitglied im FThG-Leitungsteam. Als freier Dozent und Kompetenztrainer lehrt er an unterschiedlichen Akademien. Als Theologe und Autor liegt ihm die Systematische Theologie allgemein sowie deren Alltagsrelevanz insbesondere am Herzen: 'Eine Theologie um ihrer selbst willen hat keine Daseinsberechtigung. Sie muss die Offenbarung Gott es dem Menschen nahbar machen - als eine verständliche und für die Glaubenspraxis ergreifbare Lehre!'

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Leseprobe

 

2 Hinführung zur Thematik

2.1 Zielsetzung des Buches

Das vorliegende Buch will den Leser mitnehmen auf eine Reise in die Welt der sogenannten „Systematischen Theologie“ und wendet sich in erster Linie an Christen pfingstlich-charismatischer Prägung.1 Es bildet gewissermaßen den Einstieg in unsere Themenreihe „Beiträge zur Systematischen Theologie aus pfingstlicher Perspektive“.

Dabei sei darauf hingewiesen, dass es sich bei diesem Buch um eine Einführung handelt, die eher beschreibenden Charakters ist und eine Übersicht über die Inhalte und Fragen der Systematischen Theologie gibt, jedoch keine pfingstliche Theologie an sich entwickelt. Letzteres ist die Aufgabe der eben genannten Themenreihe.2 Der vorliegende Band versteht sich als ein Beitrag mit dem Ziel, das theologische Gespräch u. a. im Bund freikirchlicher Pfingstgemeinden (BFP) zu fördern. Darüber hinaus kann und soll das Buch über den pfingstlichen Horizont hinaus als Beitrag zum theologischen Diskurs insgesamt verstanden werden. Unser Ziel ist es, nicht nur akademisch gebildete Leser anzusprechen, sondern auch theologisch interessierte Laien und Studienanfänger. Somit entspricht der Charakter des Bandes möglicherweise nicht durchgehend dem eines herkömmlichen Lehrbuches.

Wie im ersten, einleitenden Kapitel bereits deutlich wurde, ist dieses Buch aus der Überzeugung heraus geschrieben, dass Theologie (hier insbesondere die Systematische Theologie) für das Reich Gottes mit all seinen unterschiedlichen Facetten eine hohe Relevanz besitzt. Es sind dabei vier nachvollziehbare Gründe zum Vorschein gekommen, warum viele Christen gegen Theologie Vorbehalte haben. Als Vorbehalte gegenüber der Theologie wurden 1. Intellektualismus, 2. Unverständlichkeit, 3. mangelnder Bezug zur Erfahrung und 4. fehlende Alltagsrelevanz genannt.

Das Anliegen des Buches ist es daher auch, eine erste Brücke zu bauen. Die Qualitäten und die Notwendigkeit einer Systematischen Theologie sollen erkannt und die oben genannten Vorbehalte abgebaut werden. Ziel ist es, auf der Grundlage möglichst lebendig und alltagsrelevant formulierter Informationen theologisch interessierten Lesern und Leserinnen den Einstieg in das Themengebiet der Systematischen Theologie zu erleichtern. Die Systematische Theologie soll gewissermaßen im Wohnzimmer des Lesers Platz nehmen und verständlich erklären, was sie ist, warum sie wichtig ist und welchen Sinn und welche Aufgabe sie innehat.

2.2 Theologische Ausrichtung und Begriffsverwendung

Das Buch ist darum bemüht, die jeweiligen Aspekte einer Systematischen Theologie mit einer gewissen Objektivität vorzustellen. Es soll jedoch keine künstliche Form der Neutralität hergestellt werden. Theologie ist nie „neutral“: Jeder Theologe ist beeinflusst durch seine individuelle Biografie und durch eine bestimmte Prägung, Sachverhalte zu betrachten, zu durchdenken und zu verstehen. Wenn wir hier das Ziel verfolgen, eine Systematische Theologie zu definieren und ihren Nutzen darzulegen, werden unsere Denkvoraussetzungen und Ergebnisse von unserer pfingstlich-theologischen Prägung durchdrungen sein.

Eine dieser Grundvoraussetzungen ist zum Beispiel, dass wir bei unseren theologischen Überlegungen grundsätzlich den Anspruch erheben, dass theologische Aussagen (z. B. über Gott) dem Grundtenor des biblischen Offenbarungszeugnisses entsprechen, wenn nicht gar direkt aus ihm abzuleiten sind. Denn die Bibel selbst zeugt davon, dass Gott sich in der Person Jesu Christi offenbart hat. Somit ist der christliche Gottesglaube entscheidend darauf ausgerichtet, wie Gott in der Person und im Leben Jesu von Nazareth erkennbar wird. Joest behauptet: „Darin, wie Jesus durch sein Tun, Reden und Leiden die Wirklichkeit Gottes unter den Menschen bekundet und vertreten hat, hat Gott sich aufgeschlossen als der, der in Wahrheit ist.“3

Eine weitere Grundannahme besteht darin, dass wir dem Menschen zumindest bedingt4 zutrauen, Erkenntnis über seinen Schöpfer zu erlangen. Denn Gotteserkenntnis ist zum einen möglich durch die Betrachtung der Schöpfung (Röm 1,20) und zum anderen durch das menschliche Gewissen (Röm 2,15).5 Außerdem ist festzuhalten, dass wir (in Abgrenzung zum Neuprotestantismus6) unter „Gotteserkenntnis“ die Erkenntnis Gottes als Person („Personerkenntnis“) verstehen. Dieser Denkansatz entspricht der altprotestantischen Theologie7 (oder Altorthodoxie, bis 18. Jh.) und ist in der Theologie (u. a. im Evangelikalismus8) bis heute zu finden.

Ferner finden in diesem Buch drei Begriffe bzw. Begriffskombinationen Verwendung, die beim Laien zu Verwirrung führen könnten: evangelikal, evangelikal-pfingstlich, evangelisch und fundamentalistisch. Daher wird an dieser Stelle kurz dargelegt, wie diese Begriffe in der Regel verwendet werden:

Mit dem Begriff evangelikal ist hier ein bestimmter Frömmigkeitsstil und eine theologische Haltung gemeint:9 Der Evangelikalismus ist im Protestantismus beheimatet und sowohl in den Landeskirchen als auch in den Freikirchen vertreten. Theologisch zeichnet ihn vor allem die Betonung der persönlichen Beziehung zu Jesus Christus als Grundlage für den christlichen Glauben aus. Hinzu kommt die Anerkennung der Autorität der Schrift, der Anspruch der Erlösung allein durch den Kreuzestod Jesu und der große Drang zur Evangelisation und Mission. Bei der Verwendung des Begriffs „evangelikal“ im Rahmen dieses Buches wird jedoch nicht der Anspruch erhoben, mit den hier dargelegten Ansichten den gesamten Evangelikalismus theologisch zu repräsentieren. Jedoch zeigt der Begriff zum einen an, wo die Wurzeln der hier dargelegten Gedankengänge sind. Zum anderen deutet er darauf hin, welche theologische Prägung mit dem Evangelikalismus mehr oder weniger verwandt, ja aus ihr hervorgegangen ist: die evangelikal-pfingstliche Kultur.

Mit der Begriffsdefinition evangelikal-pfingstlich sind zwei Dinge angedeutet: Zum einen ist die Pfingstbewegung theologisch (über den Pietismus) im Evangelikalismus verankert. Die pfingstliche Theologie vertritt die oben genannten Glaubenssätze ebenso. Allerdings hat die Pfingstbewegung das Christentum seit Beginn des 20. Jh. weiterentwickelt, indem sie die Kraft des Heiligen Geistes, wie diese im Neuen Testament beschrieben ist (Geistestaufe und Charismen), neu entdeckt und sich angeeignet hat. Somit lassen sich die Begriffe „evangelikal“ und „pfingstlich“ nicht völlig voneinander abtrennen. Die pfingstliche Theologie, so umstritten sie mancherorts auch sein mag, ist im Grunde eine Weiterentwicklung des Evangelikalismus! Allerdings teilen viele evangelikale Christen die pfingstliche Lehre vom Heiligen Geist nicht. Ihre theologische Haltung bringen diese in der Weise zum Ausdruck, indem sie sich als „evangelikal-konservativ“ verstehen.

Der Begriff evangelisch wird als übergeordneter Begriff verstanden, der ganz im Sinne einer amtlichen Selbstbezeichnung die evangelische Konfession (in Abgrenzung zum Begriff römisch-katholisch) im Blickfeld hat. Ein Synonym für evangelisch wäre der Begriff protestantisch. Der Begriff soll hier in der Regel nicht theologisch verstanden werden10, zumal der sogenannte „Protestantismus“ viele verschiedene theologische Richtungen und Kirchen unter sich vereint.

Die Definition des Begriffs fundamentalistisch bereitet mittlerweile ernstere Probleme. Vor 20 Jahren mögen sich Christen noch stolz und schlagfertig gefühlt haben, wenn sie bei der Bezeichnung als „Fundamentalisten“ lapidar auf Christus als ihr persönliches Glaubensfundament verwiesen haben. Heute ist eine solche Aussage sehr bedenklich, denn inzwischen steht der Begriff „Fundamentalismus“ als Etikett für alles, was politisch und religiös militant, engstirnig und rechthaberisch erscheint. Fundamentalismus entsteht dort, wo religiöse Überzeugungen ideologisiert werden und Menschen unter Androhung von Repressalien (z. B. Ausschluss aus einem Dienst oder aus der Gemeinschaft bis hin zu Todesdrohungen) die Entscheidungsfreiheit genommen wird, ob sie diese religiösen Überzeugungen annehmen möchten oder nicht. Aus Sicht der liberalen Theologie wird jedem Bibelleser vorgeworfen, ein Fundamentalist zu sein, wenn er der modernen Bibelkritik (in welcher Erscheinungsform auch immer) ablehnend gegenübersteht und sich einer rein buchstäblichen Schriftauslegung verpflichtet. Da diese Art der Bibelbetrachtung bei vielen evangelikalen Christen die Regel ist, sind Kritiker geneigt, den Evangelikalismus pauschal als fundamentalistisch zu bezeichnen. Doch davon ist ausdrücklich Abstand zu nehmen! Zum einen sieht der Evangelikalismus die Bibelkritik inzwischen differenzierter.11 Zum anderen gibt es auch bei der Schriftauslegung im Evangelikalismus unterschiedliche Ansätze (z. B. verstehen viele Evangelikale die Bibel längst nicht mehr ausschließlich wörtlich).

Vom christlichen Fundamentalismus ist u. a. dann zu sprechen, wenn die Bibel durchgängig buchstäblich verstanden wird. Dieser Ansatz wird auch als „Biblizismus“ oder „Worttheologie“ bezeichnet. In biblischen Begriffen ausgedrückt könnte Fundamentalismus bzw. Biblizismus auch mit „Gesetzlichkeit“, „Pharisäertum“ wiedergegeben werden. Christlicher Fundamentalismus zeichnet sich darüber hinaus auch durch eine radikal gegenkulturelle Reaktion auf die...

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