Da die vorgestellte Definition auf den Begriff der Bedrohung als negatives Bestimmungselement von Sicherheit zurückgreift, bedarf dieser Begriff der Konkretisierung. Maull definiert Bedrohung als:
Damit spricht er die von Krause und Nye definierten Grundwerte Wohlfahrt, Unabhängigkeit und letztlich auch internationales Prestige an 48 . Unterschieden wird dabei zwischen dem Vorliegen einer objektiven Bedrohungssituation und deren Perzeption durch innenpolitische Akteure 49 .
Für die Importseite einer rohstoffbezogenen Handelsbeziehung definiert Maull drei Bedrohungselemente:
Es besteht das Risiko einer Unterbrechung der Versorgung mit wesentlichen Rohstoffen. Der Umfang der potentiellen Unterbrechung verlangt dem importierenden Staat umfassende Anpassungen ab. Diese Anpassungen verursachen umfassende, politische oder ökonomische Kosten.
des Störungsumfanges, der Anpassungsfähigkeiten sowie der Verteidigungsmechanismen der
betroffenen Gesellschaft und der Fähigkeiten des betroffenen Staates, potentielle Kosten entweder zu reduzieren oder zu externalisieren 52 . Dies lässt sich in folgenden Kriterien zusammenfassen:
Die Machtdimension der in Frage stehenden Beziehung Die interne Strukturiertheit der interdependenten Einheiten Das internationale Umfeld, in dem diese Beziehungen eingebettet sind.
1. Ökonomische Macht Für den Bereich der Energieversorgungssicherheit führt Knorr drei Faktoren ein, anhand derer asymmetrische Interdependenzen als wesentliche Ressource ökonomischer Macht identifiziert werden können. Demnach ist eine Beziehung dann asymmetrisch zugunsten eines Akteurs A, wenn:
A einen hohen Anteil einer Ressource kontrolliert, die ein Akteur B wertschätzt B einen intensiven Bedarf an dieser Ressource hat. Die Kosten für B, den Forderungen von A nachzukommen weniger hoch sind, als die Opportunitätskosten möglicher Alternativen. 53
Grundsätzlich ist ökonomische Macht problemfeldspezifisch 54 . Aus der Definition von Interdependenz als wechselseitiger Abhängigkeit ergibt sich die Fähigkeit einer Einheit B auf einen ökonomischen Druck den entsprechenden Gegendruck auszuüben 55 . Somit muss die Verwundbarkeit beider Einheiten für eine valide Bedrohungsanalyse untersucht werden.
Im Gegensatz zur aktiven Macht besteht passive ökonomische Macht in der weitgehenden Isolierung einer Einheit gegenüber externen Einflüssen, die Verwundbarkeit begründen, bzw. in der Reduktion potentieller Kosten externer Entwicklungen 56 . 2. Gesellschaftliche Anpassungsfähigkeit Jenseits der institutionellen und technischen Flexibilität spielt insbesondere die gesellschaftliche Anpassungsbereitschaft an externe Veränderungsprozesse eine
wesentliche Rolle bei der Bestimmung der Verwundbarkeit einer Einheit. Dies bezeichnet insbesondere die Bereitschaft und die Fähigkeit von Staaten, kurzfristige Anpassungskosten zu akzeptieren, um langfristig relevante Grundwerte der Gesellschaft zu sichern. Dies wird umso schwieriger, je größer das Wohlstandsniveau der betroffenen Gesellschaft ist 57 .
Damit lässt sich für pluralistische Gesellschaften eine gesteigerte Sensitivität gegenüber ökonomischen Kosten definieren, die, insofern als konkrete Legitimität staatlicher Instanzen angesprochen ist, in politische Kosten umschlagen kann 58 . 3. Struktur des Internationalen Umfelds Diese determiniert die Opportunitätskosten potentieller Handlungsalternativen auf internationaler Ebene. Grundsätzlich lassen sich internationale Strukturen dabei definieren als:
Für die Analyse internationaler Austauschbeziehungen treten damit die externen Verregelungen marktmäßigen Verhaltens ebenso wie die Strukturiertheit der Märkte selbst in den Forschungsfokus. Grundsätzlich lassen sich Märkte definieren als ökonomische Austauschbeziehung 60 , mit der Funktion, über Angebots/Nachfragemechanismen die Güterallokation bedarfsgerecht zu steuern. Anhand der Anzahl der Marktteilnehmer lassen sie sich einteilen in die Formen Polypol (echter Konkurrenzmarkt), Oligopol und Monopol 61 .
Übertragen auf die Sphäre politischer Handlungen ergibt sich, dass insbesondere das Angebotsmonopol, also die Beherrschung entweder des Weltmarktes oder einer spezifischen Volkswirtschaft, durch einen singulären Anbieter als Quelle ökonomischer, auch struktureller, Macht politisch relevant ist 62 . Dies gilt insbesondere dann, wenn die monopolisierten Güter nur schwer durch alternative Waren substituierbar sind 63 . Als Monopolist kann dabei auch eine Staatengruppe auftreten, die sich zwecks Kontrolle
eines spezifischen Gutes bildet. Derartige Gruppen sind aber insbesondere dann zu einer effektiven Marktkontrolle fähig, wenn sie von einem Staat mit dominierenden Machtressourcen kontrolliert bzw. gesteuert werden 64 . In Bezug auf Versorgungssicherheit treten Marktstrukturen insbesondere als intermediäre Variabel zwischen einer Bedrohung und den daraus entstehenden Kosten auf. Politisch gesteuerte Märkte werden dann zu einem eigenständigen Krisenfaktor, wenn die Steuerungskapazitäten zur Konfliktbewältigung nicht mehr ausreichen 65 . Die Gestaltung von Marktbeziehungen, sowie der sie beeinflussenden Regime, bedarf der Anwendung struktureller Macht. Diese stellt, im Gegensatz zu der Prozessdimension von Macht, nicht auf die direkte Beeinflussung des Handelns Dritter ab. Ziel struktureller Macht ist vielmehr die Gestaltung handlungsleitender Rahmenbedingungen 66 .
Strukturelle Macht definiert Christensen als die Fähigkeit
Ihr Ergebnis ist insbesondere die Kontrolle der politischen Agenda sowie der potentiellen Ergebnisse politischer Verhandlungsprozesse für verschiedene Akteure. Insofern als Verwundbarkeit anhand der Opportunitätskosten politischer Handlungen definiert ist, kommt der Fähigkeit, Handlungsalternativen zu manipulieren, besondere Bedeutung zu 68 . Als wesentliche Bedingung struktureller Macht gilt dabei entweder die intensive Kontrolle einer relevanten Ressource oder aber die extensive Kontrolle eines Ressourcensets 69 . 4. Neubewertung der Verwundbarkeitsdimensionen in neueren Ansätzen
Neuere Ansätze gehen jedoch davon aus, dass die Dimension der direkten politischen Manipulation an Bedeutung verloren hat. Dies liegt auch in der verminderten Verwundbarkeit der Konsumenten begründet, die insbesondere durch folgende Entwicklungen erreicht werden konnte:
Abnehmende Bedeutung des industriellen (sekundären) Sektors zugunsten des weniger energieintensiven Dienstleistungsbereichs (tertiärer Sektor) 70
Diversifikation der Energiequellen
Einführung energieeffizienter Produktionsverfahren und -strukturen 71 .
Entscheidend ist jedoch die Ökonomisierung des globalen Ölmarktes, der gegenwärtig als ein freier Wettbewerbsmarkt mit transparenten Preisen sowie einer polypolen Angebots- und Nachfragestruktur bezeichnet werden kann 72 . Regierungen von Importstaaten sehen ihre Aufgabe damit primär in der weiteren Förderung von Wettbewerbsbedingungen, weniger in der direkten politischen Gestaltung von Energiebeziehungen 73 . Dementsprechend treten zunehmend multinationale Energieunternehmen als eigenständige Akteure auf den internationalen Märkten auf 74 . Demgegenüber streben Exportstaaten weiterhin die politische Kontrolle ihrer Erdölunternehmen an.
Relevanter als die bewusste Ausübung direkter ökonomischer Macht über die Manipulation asymmetrischer Energieinterdependenzen sind damit folgende Risiken:
Nicht intendierte Lieferunterbrechungen aufgrund politischer Instabilität (Bürgerkriege, Terroranschläge, Wirtschaftssanktionen).
Mangelhafte Funktionsfähigkeit des globalen Ölmarktes aufgrund ökonomischer Fehlentwicklungen.
Umfassende Veränderung des ökologischen Lebensumfelds aufgrund der strukturellen Abhängigkeit der Energieversorgung von fossilen Rohstoffen. ...