1. Einleitung
In der vorliegenden Arbeit soll die Entwicklung der Herrschaft der Athener innerhalb des Ersten Delisch- Attischen Seebundes im zeitlichen Rahmen von der Gründung bis zur Verlegung der Bundeskasse untersucht werden. Dazu gliedert sich die Arbeit in mehrere Schwerpunkte, die sich in Form von übergreifenden Fragestellungen manifestieren und die es in 4 Kapiteln zu untersuchen gilt, um schließlich die erhaltenen Ergebnisse in einer abschließenden Betrachtung noch einmal zusammenzufassen.
Es wäre verfehlt, direkt bei der Gründung des Seebundes um 478/77 v. Chr. einzusetzen, denn vielerlei Faktoren, die bei der Darstellung der Entwicklung der Herrschaft der Athener in dieser Symmachie eine Rolle spielen, finden ihren Ursprung in den Jahren zuvor, während des Perserkrieges und während der Zeit des Hellenenbundes, dessen Mitglied auch Athen gewesen war. Aus diesem Grund erstreckt sich das erste Kapitel auf den Zeitraum von der Gründung des Hellenenbundes 481 v. Chr. bis zu den Gründungsjahren des Seebundes 478/77 v. Chr. Um die politische Stellung Athens bei der Gründung des Seebundes nachvollziehen und damit einen Entwicklungsstand für dessen herrschaftliche Macht herleiten zu können, ist es zunächst von Nöten, das erste Kapitel unter dem primären Gesichtspunkt der Entwicklung der politischen Stellung Athens innerhalb der Hellenensymmachie zu legen, wobei dieser stets in Hinblick auf die geschichtlichen Ereignisse des Perserkrieges gestellt werden. Hierbei dienen die Ausführungen von K.- W. Welwei (1999), H. D. Meyer (1963) und K. E. Petzold (1993) neben den später ausführlich zu besprechenden Primärquellen als Untersuchungsgrundlage.
Nachdem die Vorgeschichte des Seebundes unter den entsprechend der Untersuchung dienlichen Schwerpunkten besprochen wurde, sollen im nächsten Kapitel der Aufbau und die Organisation des Seebundes besprochen werden. Da die Funktionsweise des Seebundes letztlich auf dessen Organisation beruht und diese somit die Grundlage für die weitere Untersuchung für die Herrschaft der Athener in der Symmachie bildete, steht sie im Zentrum der Arbeit und nimmt auch den Großteil der Untersuchung ein. Einer ausführlichen Betrachtung der Struktur des Seebundes folgen weitere Betrachtungen von dessen Zielen und von den Motiven Athens, da diese ein wichtiger Indikator für die weitere Entwicklung Athens im Seebund sind. Hauptsächlich dienen die Ausführungen von M. Steinbrecher, H. D. Meyer, K.- W. Welwei (1999) und F. Kiechle als Interpretationsgrundlage für die entsprechenden Texte der Primärliteratur.
Das sich anschließende Kapitel beschäftigt sich mit der Herausstellung der Modifizierung des Seebundes und zeigt neue Elemente, bzw. neue Herrschaftsmittel Athens auf, welche sich in dem Zeitraum von 476- 462 v. Chr. herauskristallisieren. Ziel dieses Untersuchungsabschnittes soll es sein, die Wechselwirkungen von Aktionen des Seebundes und internen Vorgängen, die vor allem die athenische Herrschaft betreffen, aufzuzeigen, um am Ende dieses Kapitels eine genaue Darstellung der Ereignisse dieses Zeitraumes zu erhalten und die neuen Herrschaftsmittel Athens aufzuzeigen. Besonders häufig wird Bezug auf die Monografie von M. Steinbrecher und die Aufsätze von K.- E. Petzold (1994) und H. D. Meyer (1991) genommen, deren Ausführungen neben den Primärquellen auch als Grundlage für die Diskussion über die Chronologie der Ereignisse dienen.
Das primäre Anliegen des letzten Kapitels arbeitet in Anlehnung an den begrenzten Zeitrahmen dieser Untersuchung auf einen Abschluss, eine Zäsur der Untersuchung hin, die im Jahre 454 v. Chr. gemacht wird: Die Überprüfung, ob bzw. wie sich die Herrschaft Athens im Seebund bis zu dieser Zäsur weiter entwickelt hat und die Klärung der Frage, ob Athen denn schon seit der Gründung des Seebundes eine Alleinherrschaft innerhalb der Symmachie angestrebt hatte. Da vor allem zum Ende des Untersuchungszeitraumes hin neben den erneut aufkommenden Auseinandersetzungen zwischen den Persern und dem Seebund die Beziehungen zwischen Sparta und Athen dieses die weitere Modifizierung des Seebundes beeinflussen, letzteres aber in geringerem Maße von Relevanz für das Hauptanliegen dieser Arbeit ist, wird zu Beginn dieses fünften Kapitels ein Abriss über die Entwicklung der Beziehung zwischen Sparta und Athen im Spiegel der Entwicklung des Seebundes gegeben. Dabei wird außerdem ein kurzer Einblick in die innenpolitische Entwicklung Athens gegeben. Da - wie gesagt - die Auseinandersetzungen zwischen Sparta und Athen in der Zeit von 461 v. Chr. bis 454 v. Chr. für diese Untersuchung nur von sekundärer Bedeutung sind, werden sie zwar der Vollständigkeit halber an der ein oder andern Stelle erwähnt, aber keineswegs zentral behandelt. Im Mittelpunkt dieses letzten Themenkomplexes stehen die Ereignisse der Ägyptischen Expedition und der Verlagerung der Bundeskasse nach Athen, welche unter den bereits besprochenen Gesichtspunkten betrachtet werden. Bei dieser Betrachtung dienen vor allem die Ausführungen von W. Schuller (1974), K.- E. Petzold (1993/94) und H. Nesselhauf. Nach einer Zusammenfassung der getätigten Ausführungen soll dem Leser ein Ausblick auf die weitere Entwicklung des Seebundes gegeben werden, ohne dabei eine Sprengung des Rahmens dieser Arbeit anzustreben.
Nachdem nun der Aufbau und die Zielstellungen der vorliegenden Arbeit vorgestellt wurden, sollen nun noch einige Angaben über die Quellenlage, über die Primärliteratur getätigt werden. Insgesamt werden für die Arbeit die Werke von den Geschichtsschreibern Thukydides, Herodot, Diodor, Plutarch und Aristoteles als primärer Bezugspunkt für die Untersuchungen herangezogen.
Als wichtigste Quelle stellt sich das Geschichtswerk von Thukydides, die „Geschichte des Peloponnesischen Krieges“, heraus. Aufgrund der Tatsache, dass Thukydides einen geringen zeitlichen Abstand[1] zu den Ereignissen, über die er schreibt hat, kann man von einer relativ hohen Authentizität seines Geschichtswerkes sprechen. Zuweilen stellt sich Thukydides sogar als einziger Autor für die Beschreibung diverser Ereignisse oder Prozesse zur Verfügung und muss mit der notwendigen kritischen Betrachtung zur Diskussion der jeweiligen Ereignisse als einziges Zeugnis zur Verfügung stehen. Seine Darstellung der Pentecontaetie darf allerdings nicht mit dem Anspruch an eine vollständige, detaillierte, chronologische Geschichtsschreibung betrachtet werden, da keinesfalls die Tatsache außer Acht gelassen werden darf, dass Thukydides nicht eine Geschichte der Jahrzehnte nach dem Ende der Kampfhandlungen gegen die Perser um 478 v. Chr. beschreibt, sondern dass seine Ausführungen lediglich einen Einschub innerhalb des Vorwortes zur eigentlich von ihm beabsichtigen Beschreibung des Peloponnesischen Krieges bedeuten.[2] So wie sein Anliegen an nicht fehlverstanden werden sollte, sollte auch Thukydides´ Wahl der relativen Reihenfolge der Ereignisse nicht zu Ansprüchen an eine Chronologie führen, die in seinem Werk nicht vorhanden ist und die deswegen für die folgenden Datierungsversuche der zu besprechenden Ereignisse zu immer neuen Auffassungen in der Forschung führen. So formuliert schon Badian über die erwähnten Ereignisse bei Thukydides: „(…) they are lines in time and not points , so that there is inevitably considerable overlap.”[3] Ein Versuch einer Chronologie der Ereignisse wird unter Heranziehung der Sekundärliteratur im Laufe der Arbeit unternommen.
Besonders für die Beschreibungen der Ereignisse des Perserkrieges und der Vorgänge innerhalb des Hellenenbundes wird das Werk von Herodot, die „Historien“, herangezogen. In der weiteren Untersuchung wird vor allem an den Stelle auf Herodot Bezug genommen, an welchen es um Ereignisse vor der Gründung des Seebundes geht, schließlich beendet Herodot sein Geschichtswerk genau an der Stelle, wo die Gründung des Seebundes ansteht.
Durch seine „Parallelbiografien“ der Athener Aristeides, Themistokles und Kimon vermittelt Plutarch tiefe Einblicke in deren Peron und Wirkung. An vielerlei Stellen geht der Autor auf das geschichtliche Geschehen rund um seine „Helden“ ein und dient damit als gute Ergänzung zu mancherlei zu besprechenden Ereignissen.
Zwar nimmt Aristoteles in seinem Werk „Der Staat der Athener“ primär Bezug auf die inneren politischen Vorgänge der Großmacht, allerdings können seine Beschreibungen- ähnlich wie die des Plutarch- ergänzend zur weiteren Primärliteratur herangezogen werden. Dies gilt vor allem für die Überlieferung der geschworenen Eidesformel der Mitglieder des Seebundes.
Das Werk des Diodor, die „Griechische Weltgeschichte“ ist in vielerlei Hinsicht von der Forschung in seiner historischen Glaubwürdigkeit angezweifelt und diese Richtigkeit mancher von Diodor beschriebenen Ereignisse auch tatsächlich widerlegt worden. Aufgrund dieser Tatsache wird das Werk des Diodor in dieser Arbeit zwar stets in die Betrachtungen an geeigneten Stellen mit einbezogen, allerdings kann es keinesfalls als primäre Bezugsquelle einen höheren Stellenwert einnehmen.
Die Ausführungen der Primärquellen stehen in der vorliegenden Arbeit stets in Verbindung bzw. in reflektierender Wechselbeziehung zu den Interpretationsansätzen und Ausführungen der im Literaturverzeichnis angeführten Autoren. Neben den zitierten Monografien und Aufsätzen finden sich in diesem Verzeichnis auch Werke wieder, die nicht explizit...