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Die Ermordung des Haubler-Müllers Johann George Eberts und dessen Eheweibes in Niederwinkel

Ein Mordfall nach der Völkerschlacht von Leipzig. Amt Waldenburg/Sachsen 1814/16

AutorRainer Scherb
VerlagStiftung Historische Kommission für die Rheinlande 1789 - 1815
Erscheinungsjahr2019
Seitenanzahl88 Seiten
ISBN9783981783193
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis9,49 EUR
Anfang Februar 1814 finden Bauern, die ihr Getreide in der Mühle von Niederwinkel mahlen lassen wollen, das Müllerehepaar erschlagen in der Wohnstube auf. Die knapp 200 Jahre später durch Zufall aufgetauchte Untersuchungsakte des Amtes Waldenburg in Sachsen über diesen Doppelmord gibt einen detaillierten Einblick in die damaligen gerichtlichen Untersuchungsmethoden sowie über ein Schicksal nur wenige Monate nach der Völkerschlacht von Leipzig, in einer Zeit, in der Soldaten jeglicher Couleur gezwungenermaßen zur Lebensrealität der Bevölkerung gehörten. Der kommentierte Abdruck der Originaluntersuchungsakte dieses Mordfalles wendet sich nicht nur an den interessierten Geschichtsfreund, Heimatforscher oder Leser historischer Mordgeschichten, sondern versteht sich auch als ein kleiner Mosaikstein der Erforschung des Alltags, der Kriminalität und der Auswirkung von Kriegsgeschehen auf die einfachen Bevölkerungsschichten des frühen 19. Jahrhunderts.

Rainer Scherb, Jahrgang 1955, ist Stiftungsrat der Historischen Kommission für die Rheinlande 1789-1815. Seine Leidenschaft gilt der Transkription von handschriftlichem Quellenmaterial zu den Kriminalfällen des ausgehenden 18. und beginnenden 19. Jahrhunderts.

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Leseprobe

Die Untersuchungsakte


Deckblatt der Akte. Die Akte im Format 35 x 22,5 cm enthält 24 durchnummerierte und eingeheftete Blätter aus dem Zeitraum von Februar 1814 bis Februar 1816.

Acta

Die Ermordung des Haubler=Müllers
Johann George Eberts und deßen
Eheweibes und die deshalb angestellte
Untersuchung
betr:

Ergangen
bei dem Fürst: Schönburg:
Amte Waldenburg
1814

E. No 10.

Blatt 1 Vorderseite

Reg

Amt Waldenburg, den 17 Feb. 1814

C

Erschien des Morgens um 9 Uhr an Amtsstelle

Johann Samuel List, Gärtner und Gerichtsschöppe

zu Niederwinkel

Mit dem Anbringen:

Heute früh sey der Zimmermann Martin und der

Tagelöhner Johann Gottfried Pohlers aus Schlagwitz1

in die sogenannte Haublermühle bei Niederwinkel

gegangen um daselbst zu mahlen, als diese beiden

Personen nun in die Mühle gekommen hätten

sie gefunden, daß der Müller Johann Georg Ebert

und dessen Frau gewaltsamer Weise wären ermordet

worden. Diese beiden obgedachten

Schlagwitzer Einwohner wären sogleich zum Richter

Karl Gottlob Porstmann in Niederwinkel gegangen

und hätten diesen Mord angezeiget, worauf der

Richter Porstmann mit einigen Niederwinkler

Einwohnern in die Haublermühle gegangen sey,

ihn Comparenten2 aber herrin ins Amt, um die-

Blatt 1 Rückseite

se Mordthat anzuzeigen geschickt habe.

Wer der Mörder sey, und wie u. auf welche Art

diese beiden Personen wären ermordet worden, weiß

er nicht.

Ist aufs Vorlesen dabei verblieben, und hat

sich mit unterschrieben.

Nachrichtlich anher bemerket worden.

Christian Gottlieb Zausch

Act.

Johann Samuel

List

Eodem3

Gleich darauf erschien auch

Karl Gottlob Porstmann Pferdbauer und

Richter zu Niederwinkel

mit dem Anbringen

Heute früh um 8 Uhr wären zwei Schlagwitzer

Einwohner der Zimmermann Martin, und der Tagelöhner

Pohlers, welche in der Haublermühle mahlen wollen

zu ihm gekommen, und hätten bei ihm angezeiget,

Blatt 2 Vorderseite

daß der Haublermüller Ebert, und dessen Eheweib

gewaltsamer Weise wären ermordet worden.

Auf diese Anzeige habe er sofort den Gerichtsschöppen

List herrin ins Amt, um den Mord anzuzeigen,

geschickt, er aber sey mit dem sonstigen

Richter Kertzscher aus Niederwinkel in die Haubler-Mühle

gegangen.

Als er nun dahin gekommen, habe er folgendes

gefunden:

Der Müller Ebert habe forne bei der Stubenthüre,

und dessen Frau hinten beim Tische auf der Erde gelegen,

und wären beide todt gewesen. An beiden habe

man sehr deutlich gesehen, daß sie auf eine gewaltsame

Weise wären ermordet worden.

Vor der Stubenthüre habe eine Axt, welche sehr

blutig gewesen, und auf dem Tische ein Flintenkolben

gelegen, und müsste daher vermuthen,

dass die Ebertschen Eheleute mit der Axt und

einer Flinte erschlagen worden.

Hierauf sey er auf den Boden gegangen, um

zu sehen, ob eben bei diesem Mord gestohlen

worden; hier habe er nun gefunden, dass mehrer

der Sachen, vornehmlich Weiberhauben aus Leder

wären herausgerissen innmaßen dieselben

auf den Dielen herum gelegen hätten.

Blatt 2 Rückseite

Auf dem Boden habe eine Soldatenmütze, welche

grau aussehe, und rund sey, gelegen, und man

müsste daher vermuthen, dass diese Mordthat

von Soldaten müsste verübet worden seyn und

aller Wahrscheinlichkeit nach sey es gestern

Abends beim Essen geschehen, denn das Essen stehe

noch auf dem Tische.

Auf Befragen,

ob sich gestern etwa in Niederwinkel Soldaten

hätten sehen lassen gab derselbe zu vernehmen,

dass gestern Nachmittag um 2 Uhr zwei Soldaten,

welche sich für Russen ausgegeben hätten,

zu ihm gekommen wären, und Quartier verlangt

hätten, er habe auch dieselbe sofort und zwar den

einen zu Daniel Lindner, und den andern zu Salomon

Pohlers einquartiert. Der eine von diesen

Soldaten habe eine Flinte, und beide eben

solche Mützen, wie er eine auf dem Ebertschen

Boden gefunden, auf, und beide graue Mäntel

angehabt. Diese beiden Soldaten wären auch

gestern Nachmittage um 4 Uhr wieder fort

gegangen, wohin aber, weiß er nicht.

Heute früh hab er auch ohngefähr 200 Schritte

von der Haublermühle weg nach Niederwinkel

zu ein seidenes Halstuch, welches der

Blatt 3 Vorderseite

Ebertin zugehört habe, gefunden, und man

müsste daher vermuthen, dass die Mörder

ihren Weg werden rückwärts auf Waldenburg

zu genommen.

In der Ebertschen Mühle habe er den sonstigen Richter

Kerzscher aus Niederwinkel gelassen, und befände

sich noch die Gerichten aus Schlagwitz nebst

mehreren Schlagwitzer Einwohnern in der Haubler-Mühle,

welche auch gleich heute früh da gewesen

wären.

Ist auf Vorlesen dabei geblieben, und hat sich

mit unterschrieben

Nachrichtlich naher bemerkt worden usw.

Christian Gottlieb Zausch

Act.

Carl Gottlob Porstman Richder

Blatt 3 Rückseite

Eodem

Heute früh um 10 Uhr verfügten sich

Herr Amtsverweser Mißbach

und

der unterzeichnete Amts Actuar

ingleichen

Herr Hofrath und Amtsphysicus Schlegel

und

Hr. Karl Heinrich Klimm

Johann Traugott Lehmann und

August Friedrich Lindner, Amtslandgerichtsschöppe

ingleichen

Hr. Hose und Amtsdiener Johann Gottlieb

Arnold

nach Niederwinkel in die sogenannte Haublermühle,

um den Mord der Eheleute zu untersuchen und

die Cadaver zu seciren.

Johann Georg Ebert, welcher mit einem Pelz bekleidet

ist, lag ganz nahe an der Stubenthüre mit dem Kopfe nach

derselben zu, das Ebertsche Eheweib aber nicht weit vom

Tische nach Morgen zu, und zwar beide im Blute.

Der Richter Pohlers aus Schlagwitz, welcher anwesend

war, versicherte, dass er der erste mitgewesen sey,

der diese Unglücklichen getroffen habe, und beide befänden

sich noch in der Stellung, wie er sie gefunden.

Beim Kopfe sowohl Johann Georg Eberts als auch

dessen Eheweibes befand sich eine Menge Blut, welches

Blatt 4 Vorderseite

nach Versichern des Herrn Physicus bei jedem wohl

3 bis 4 Pfund betragen könne.

Auf dem Tische stand noch das Abendbrodt, und

lag auf solchem ein abgeschlagener Flintenkolben.

Herr Hofrath und Amtsphysicus D. Schlegel erklärte

hierauf, dass an beiden Personen keine Spur des Lebens

mehr vorhanden sey, und es wurde hierauf zur Section

geschritten, und der Anfang mit dem Ebertschen Eheweib

gemacht.

1., Bei der äußeren Besichtigung des Körpers wurde auf der

ganzen Oberfläche des Körpers kein Merkmal einer Verletzung

wahrgenommen, ausgenommen den Kopf, allwo

hauptsächlich quer auf der Grundfläche des Hinterhaupts

ein Hieb von 4 Zoll quer...

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