1 Mit dem Leben Frieden schließen
Lieben Sie Bakterien? Heiß und innig und vorbehaltlos? Freuen Sie sich Ihrer Mini-Mitbewohner, ob auf der Fingerspitze, im Blumentopf oder im Darm? Dann können Sie gern im zweiten Kapitel weiterlesen. Wenn nicht, bleiben Sie eine Weile hier. Sie sind in guter Gesellschaft.
Es ist kein Wunder, wenn Sie Bakterien noch nicht lieben, Sie können nicht viel dafür. Sind sich nicht die meisten Menschen darin einig, Bakterien seien gefährlich und machten krank? Steht nicht in allen Lehrbüchern und Zeitungen, wir müssten uns vor ihren »Angriffen« hüten? Werden wir nicht dauernd vor ihren mörderischen Machenschaften gewarnt? Vor Salmonellen in Eiern, vor Legionellen im Wasser, vor Keimen im Atem und vor Pilzen im Darm? Haben wir nicht mühsam Wege entwickelt, sie von uns fernzuhalten? Desinfektionsmittel und Antibiotika, keimfreie Socken und bakterientötende Haarshampoos, sterilisierende UV-Lampen und silberionengetränkte Bettbezüge, antimikrobielle Kreationen ohne Name und Zahl? Und jetzt frage ich Sie, ob Sie Bakterien lieben?
Vielleicht werden Sie einwenden: »Es gibt ja auch gute. Manche Bakterien sind böse, und manche sind eben nützlich, man muss sie nur unterscheiden.« Und Sie denken möglicherweise an Joghurt und Sauerkraut, an Darmbakterien und Mikroben im Boden. Woher wissen Sie das? Woher haben wir das alles gelernt?
Fragen Sie sich einmal ganz ehrlich: Woher stammt mein Wissen über Bakterien? Woher kommt meine Meinung über sie? Aus der Schule? Aus Büchern? Aus der Zeitung? Aus dem Fernsehen, der Werbung, dem Nachbarschaftsplausch? Entspringt sie wirklich einer echten eigenen Erfahrung, oder habe ich sie von irgendjemandem übernommen? Woher haben diese Leute ihre Ansichten zu Bakterien gewonnen? Haben sie es auch von anderen gelernt? Und von wem wissen diese es?
Seit etwa vier Generationen sind wir einem Irrtum verfallen. Wir leben in dem Irrglauben, wir müssten uns vor Bakterien schützen und sie bekämpfen. Dabei müssen wir es gar nicht. Wir haben diese Ansicht nur unkritisch übernommen. Wir glauben etwas, was man uns jahrzehntelang weisgemacht hat und was einst aus einer Sichtweise entsprang, die von einem gewissen Zeitgeist geprägt war. Jetzt ist es Zeit, diese Kette zu durchbrechen. Bakterien sind nicht bedrohlich. Sie sind weder mörderisch noch heimtückisch, weder lebensgefährlich noch böse.
Gut oder böse zu sein ist eine Fähigkeit der Menschen, denn wir sind moralbegabte Wesen. Wir besitzen den Geist und die Freiheit dazu. Bakterien besitzen diese nicht, wir projizieren das höchstens auf sie. Bakterien können nicht bösartig sein. Sobald wir unseren Blickwinkel auf sie ändern, stellen wir fest: Bakterien sind das Beste, was uns das Leben zu bieten hat. Sie sind unser Ursprung, unsere Ernährer, unsere Vorfahren, Wegbegleiter und Mitarbeiter, unsere Umweltretter und unsere Heiler. Sie sind in Wirklichkeit ein Teil von uns.
Ob Schokoladenkeks oder Valentinsstrauß, ob Autobahn oder Fußballweltmeisterschaft – ohne Bakterien hätten wir nichts. Es ist höchste Zeit, dass wir ihnen dafür danken. Wenn Sie so wollen, ist dieses Buch eine Liebeserklärung an Mikroorganismen, ein Loblied auf ihre faszinierenden Fähigkeiten und eine Gegendarstellung zu all ihren Verleumdungen. Am Ende werden Sie verstehen, warum.
Bakterien zu lieben ist ein Weg, um glücklicher zu werden. Er befreit uns von dem Gefühl der Bedrohung, von Angst und von Ohnmacht. Glauben Sie mir: Bakterien gaben Ihnen nicht nur Ihr Leben, sie können auch Ihr Leben verändern. Sie können Sie glücklicher, fröhlicher, zufriedener und erfolgreicher machen, können Ihnen helfen, Probleme zu lösen und optimistisch in die Zukunft zu sehen. Die Effektiven Mikroorganismen, deren Hintergründe und praktische Anwendung dieses Buch beschreibt, unterstützen Sie dabei.
Warum können Bakterien Ihr Leben verändern? Weil Bakterien ohnehin schon überall sind und wir unentwegt unbewusst mit ihnen umgehen. Sobald wir bewusst mit ihnen zusammenarbeiten und sie als unsere besten Freunde akzeptieren, entfaltet sich ein unglaublich großes Potenzial: das Potenzial derjenigen Lebewesen, die unseren Planeten in seiner vollendeten Schönheit geschaffen, die alle Schöpfungsschritte vollzogen haben und die seit Anbeginn bis heute in allem sind, was ist.
Würden Bakterien nicht im Boden die Pflanzenwurzel ernähren, gäbe es kein Getreide und keinen Keks. Würden Bakterien nicht die Kakaobohne fermentieren, gäbe es keine Schokolade. Bildeten Bakterien nicht die Brücke zwischen Erdreich und Blume, wüchse keine Rose heran. Hätten nicht Bakterien seinerzeit Bäume in Erdöl verwandelt, gäbe es weder Asphalt noch Autoreifen. Würden im Pansen eines Rinds keine 15 Kilogramm Bakterien Gras zu Energie fermentieren, gäbe es kein Rindsleder. Und falls Fußbälle heute aus Känguruleder sein sollten, gäbe es auch dieses nicht. Den Stadionrasen gäbe es nicht und keine Fußballspieler, und es gäbe auch sonst nichts auf dem Planeten Erde, was auch nur annäherungsweise mit Leben zu tun hätte.
Wo Leben ist, da waren zuerst und sind immer noch – Bakterien. Wir können ihnen durchaus dankbar sein, dass sie uns den Planeten mit allem, was ihn ausmacht, in unermüdlicher Tätigkeit gebildet haben und als den erhalten, der er ist: eine Wunderwelt an Vielfalt, Schönheit und Lebendigkeit, wo in zahlloser Fülle einst aus Einzellern Mehrzeller wurden und immer noch Tag für Tag werden. Auch jeder von uns ist einst aus einer Einzelzelle entstanden.
Warum haben wir also vor Bakterien Angst? Und wie können wir mit ihnen Frieden schließen? Als Erstes ist einfach nur eine Offenheit gefragt, eine frische Neugier und die Bereitschaft, alte Glaubenssätze über Bord zu werfen. Vergessen Sie einfach alles Negative, was Sie jemals über Kleinstlebewesen gehört haben, und wagen Sie es, ihnen von jetzt ab neu und völlig unbefangen zu begegnen. Es lohnt sich. Je weniger Fachwissen Sie sich über Mikroorganismen bisher angeeignet haben, desto leichter mag es Ihnen fallen.
Bakterien zu verstehen ist gar nicht so schwer, denn ihr Leben folgt einfachen Gesetzen. Sie sorgen prinzipiell für ein Gleichgewicht auf dem Planeten. Wo etwas zu viel ist, bauen sie ab, wo etwas wachsen will, bauen sie auf. Sie bewohnen ausnahmslos alles auf der Erde. Tatsächlich: Jeder Lebensraum der Erde ist natürlicherweise durch und durch mit Kleinstlebewesen bewohnt, in großer Vielfalt und Zahl und mit unerschöpflichen Möglichkeiten. Nichts, was wir Menschen entdecken, gab es nicht schon in der Mikrobenwelt.
Kürzlich fanden Forscher heraus, dass Bakterien, wenn es die Lebensbedingungen erfordern, aus schwimmenden Bewegungen in den aufrechten Gang wechseln können. Auch elektrischen Strom haben sie bereits vor langer Zeit erfunden: Durch Nano-Röhrchen[ 1], die sie aus ihrer Außenmembran ausfahren, schicken Shewanella-Bakterien Elektronen zu ihren Nachbarn, die sie wieder an andere Mikroben weitersenden können. Auf diese Weise geht ein mikrobieller Elektronenstrom durch die Welt, und unsere Erfindung der Elektrizität entpuppt sich als schwacher Abglanz eines in der Natur von den Bakterien längst gelebten Energieaustauschs.
Auch sonst unterhalten sich Einzeller ununterbrochen, durch Botenstoffe, Austausch von Genen und auf vielerlei andere Weise. Unsere große Schwierigkeit ist allerdings, dass wir dies mit unseren bloßen Sinnen nicht erkennen können. Wir sehen, riechen und schmecken die Folgen dessen, was Bakterien auf der Erde bewirken: das Wachsen der Pflanzen dank Bodenmikroben, den angenehmen Duft bakteriell umgewandelter Körpersäfte eines geliebten Menschen, den fermentierten Champagner auf der Zunge und den unangenehmen Gestank bakteriell zersetzter Gülle. Wir lassen uns das dank Bakterien und Hefen aufgegangene Brot mit dem bakteriell fermentierten Käse auf der Zunge zergehen und trinken dazu voller Genuss ein Glas von mikrobiell vergorenem Wein oder Bier. Die Bakterien selbst jedoch sehen wir nicht. Sie wirken im Verborgenen, und das macht es leicht, alle möglichen Untugenden auf sie zu projizieren.
Wer jemals durch ein gewöhnliches Lichtmikroskop Bakterien betrachtet hat, wird zugeben müssen, dass jede Blattlaus gruseliger aussieht als diese zarten, runden Erscheinungen, die schier durchsichtig durchs Blickfeld wandern. Niemand würde sie spontan als bedrohlich erachten. Sie werden es erst durch unsere Gedanken dazu.
Also können wir auch wieder damit aufhören und anders denken. Wir können uns fragen: Was sind Bakterien wirklich, was tun sie und warum tun sie es genau so? Was bringt sie dazu, Lebensmittel verderben und Brunnenwasser faulen zu lassen, in offenen Wunden zu knabbern oder Baudenkmäler zu zerkleinern? All dies hat nämlich in Wirklichkeit seinen tiefen Sinn. Was haben sie mit Geburt und Tod, was mit Gesundheit und Krankheit zu tun? Werden wir ihnen gerecht, wenn wir sie beseitigen und bekämpfen? Ist steril wirklich gesund? Haben wir das Recht, mit ihren Genen herumzuhantieren?
Solche und noch mehr Fragen beantwortet dieses Buch. Nach jahrelanger Erfahrung mit Effektiven Mikroorganismen kann ich sagen: Bakterien sind anders, als die meisten von uns bisher glaubten. Sie helfen uns. Sie sind Ausdruck der Güte des Lebens – in Miniformat, aber mit Maxiwirkung. Sie kennen keine Aggression, sondern Dienst am Leben zugunsten einer höheren Weisheit. Wo sie uns ärgern, haben sie allen Grund dazu, denn immer haben wir Menschen sie dazu gebracht. Sie können auch anders. Es liegt an uns, und ohne zu zögern, helfen uns Bakterien sofort, entstandene Probleme zu...