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Die Europäische Union als außenpolitischer Akteur. Konfliktmanagement auf dem Balkan

Konfliktmanagement auf dem Balkan

AutorArne von Neubeck
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2004
Seitenanzahl200 Seiten
ISBN9783638292115
FormatePUB/PDF
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis19,99 EUR
Magisterarbeit aus dem Jahr 2002 im Fachbereich Politik - Internationale Politik - Thema: Europäische Union, Note: 1,0, Bayerische Julius-Maximilians-Universität Würzburg (Politische Wissenschaft), Sprache: Deutsch, Abstract: Der Zerfall Jugoslawiens zu Beginn der 90er führte der Welt vor Augen, wie schwierig der sicherheitspolitische Paradigmenwechsel zu vollziehen war. Man war nicht mehr mit der Notwendigkeit konfrontiert, einen Dritten Weltkrieg zu verhindern, sondern mit der Aufgabe, regionale Konflikte und Bürgerkriege einzudämmen; nicht mehr über das Instrument der Abschreckung war Frieden zu gewährleisten, sondern durch präventive Diplomatie. Diesen Wandel nach Ende des Kalten Krieges verdeutlicht die Carnegie Commission in ihrer Studie zur Konfliktprävention: 'From Cold War to Deadly Peace' heißt es da zur Illustration der neuen Problemlage. Auf diesen 'Tödlichen Frieden' war die Welt kaum vorbereitet. Weder die internationalen Organisationen noch die Nationalstaaten verfügten über die geeigneten Konzepte, Strategien und Instrumente, um angemessen auf diese neue Qualität von Krisen reagieren zu können. Aufgrund ihrer geografischen Nähe, ihrer Größe und ihrer Bedeutung als Wertegemeinschaft kam der EG besondere Verantwortung gegenüber den Ereignissen in Osteuropa im Allgemeinen und auf dem Balkan im Besonderen zu. Ziel dieser Arbeit ist es zum einen, die Einflüsse, Verhaltens- und Vorgehensweise von EG bzw. EU im Rahmen von EPZ bzw. GASP auf die Konfliktverläufe auf dem Balkan im Vorfeld der sich entwickelnden Kriege darzustellen und zu analysieren. War die EPZ Anfang der 90er überhaupt in der Lage einen Konflikt zu regulieren, den der letzte US-Botschafter in Jugoslawien, Zimmermann, als un-lösbar bezeichnet hatte? Wie verhielt sich die EG hier und wie die EU später in den Konflikten um das Kosovo und Mazedonien? Gegenstand der Untersuchung ist dabei das Konfliktmanagement im Vorfeld der spezifischen Krisen bzw. während des weiteren Verlaufs. Nur am Rande behandelt werden kann der allgemeine europäische Beitrag zur Konflikttransformation. Zum anderen ist der Frage nachzugehen, ob die Union aus den negativen wie positiven Erfahrungen ihres Konfliktmanagements Lehren für die GASP zog und ob sie in der Konsequenz entsprechende Neuerungen entwickelte, um aktiv auf Situationen zu reagieren, wie sie sich zunächst mit dem Kosovo-Konflikt und später mit der Mazedonien-Krise ergaben.

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Leseprobe

3.2 Die Genese des Jugoslawien-Konflikts bis 1990


Ein ausführlicher Exkurs in die Geschichte Jugoslawiens müsste im 4. Jahrhundert n.Chr. ansetzen, als Kaiser Theodosius im Jahre 395 eine erste entscheidende Linie zwischen dem west- und dem oströmischen Reich zog - mitten durch das heutige Jugoslawien. Diese trennte fortan zwei Weltreiche voneinander. Im 11. Jahrhundert erfolgte die Spaltung der Kirche, in deren Folge sich römisch-katholischer Katholizismus und griechische Orthodoxie als Gegensätze entwickelten. 100 Im Jahre 1389 sorgte die Niederlage eines mehrheitlich serbischen Heeres auf dem Amselfeld dafür, dass die Völker Südosteuropas zu großen Teilen bis zum Berliner Kongress von 1878 unter osmanische Herrschaft gerieten. Ein jugoslawischer Staat entwickelte sich erstmals infolge des Ersten Weltkriegs bzw. im Zuge der Gründung des König- 98Elfriede Regelsberger: Die Europäische Politische Zusammenarbeit, S. 223; Christopher Hill: EPC’s Performance in Crises, in: Reinhardt Rummel (Hrsg.): Toward Political Union. Planning a Common Foreign Security Policy in the European Community (Aktuelle Materialien zur Internationalen Politik, hg. v.d. Stiftung Wissenschaft und Politik, Band 30). Baden-Baden 1992, S. 139-150 (149). 99 Aufgrund mangelnder Kohärenz verständigte sich die Gemeinschaft schließlich darauf, keine Vermittlungsbemühungen zwischen den Parteien mehr stattfinden zu lassen, um keinen Keil zwischen das unentschlossene Europa und die entschlossenen USA zu treiben. Ihre unbedeutende Rolle in diesem Konflikt bekamen die Zwölf schließlich vom Irak selber vor Augen geführt. Der irakische Außenminister Aziz schlug im Januar 1991 ein von Europäern vorgeschlagenes Treffen aus und traf sich stattdessen mit US-Außenminister Baker. Vgl. Matthias Dembinski: Langer Anlauf - kurzer Sprung. Die Außenpolitik der Europäischen Union nach der Reform von Amsterdam (HSFK-Report 7/1997). Frankfurt/Main 1997, S. 31f.100 Christopher Cviic: Das Ende Jugoslawiens, in: EA, Nr. 14/1991, S. 409-415 (414).

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reichs der Serben, Kroaten und Slowenen. Doch auch dieser Zusammenschluss in einer kon- Monarchie war geprägt durch interethnische Konflikte zwischen Kroaten und Slowenen auf der einen und Serben auf der anderen Seite. 101 Vor allem der Zweite Weltkrieg sorgte für einen tiefen Bruch zwischen den Kroaten unter Ante Paveli?, die auf Seiten der deutschen Wehrmacht kämpften, und den Partisanen unter Führung Titos, die letztlich siegreich blieben und mit der Unterstützung der Alliierten 1944 Belgrad befreiten. Dort installierte Tito mit den Kommunisten seine Regierung und gründete am 29. November 1946 die föderale Volksrepublik Jugoslawien. Tito gelang dank seiner blockfreien Politik der Spagat zwischen einer sozialistischen Gesellschaft kommunistischer Prägung und einem marktwirtschaftlich ausgebildeten Wirtschaftssystem. 102 Zugrunde lag diesem Staat eine föderative Ordnung, die einen Ausgleich zwischen den verschiedenen Bevölkerungsgruppen schaffen sollte. Doch auch dieses klug gewählte System einer paritätischen Vertretung der Republiken in Bundesversammlung und Bundesregierung konnte die fundamentalen Unterschiede in den Regionen nicht beseitigen, die insbesondere wirtschaftlicher Natur waren. 103 Ein umfangreicher Finanzausgleich mit hohen Transfers aus dem Norden in den Süden war ein Grund für den Ausbruch des Kroatischen Frühlings im Jahre 1971, den Tito zwar niederschlagen konnte, der gleichzeitig aber verdeutlichte, wie spannungsgeladen die Atmosphäre in Jugoslawien war. 104 Aufgrund seines hohen Alters und anhaltender ethnischer Spannungen setzte Tito im Jahre 1974 eine neue Bundesverfassung ein, die eine dezentrale Organisation des Landes vorsah und die Republiken als Staaten definierte, die aber kein einseitiges Austrittsrecht aus dem Bund besaßen. Die staatliche Einheit sollte durch den Bund der Kommunisten Jugoslawiens (BdJK) gewahrt werden. 105 Im Laufe der Jahre entwickelten sich immer ausgeprägtere nationalistische Tendenzen. Lediglich die Armee fungierte in dieser Phase als übernationale Einrichtung. Tito übertrug dieser am 22. Dezember 1977 die Aufgabe, nicht nur die Grenzen nach außen, sondern auch die Grenzen innerhalb Jugoslawiens zu schützen und für deren Erhalt einzutreten. 106 Nach dem Tode Titos im Mai 1980 eskalierten die Spannungen in Jugoslawien. 107 Zu ersten gewaltvollen Auseinandersetzungen, bei denen es Tote gab, kam es in der autonomen Provinz Koso-


101 Gräfin Razumovsky: Der Balkan. Geschichte und Politik seit Alexander dem Großen. München/Zürich 1999, S. 317ff. 102 Schwirz: Die Rolle der Europäischen Union und der Vereinten Nationen im Jugoslawien-Konflikt, S. 12. 103 Roland Schönfeld: Das jugoslawische Dilemma, in: EA, Nr. 15-16/1989, S. 477-486 (478).

104 ebd., S. 479; Johannes Grotzky: Balkankrieg. Der Zerfall Jugoslawiens und die Folgen für Europa. München 1993, S. 57; Meier: Wie Jugoslawien verspielt wurde, S. 17. 105 Meier: Wie Jugoslawien verspielt wurde, S. 19.f., 23.

106 Heinz Vetschera: Früherkennung krisenhafter Entwicklungen am Beispiel der Jugoslawien-Krise, in: Pühs/Weggel/ Richter: Sicherheitspolitisches Symposium Balkankonflikt, S. 17-37 (20). 107 Guicherd: L’Heure de l’Europe, S. 23.

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vo. 108 Auf die kosovarischen Forderungen nach einem eigenen Republikstatus antwortete Ser- mit Repression und Gewalt. 109 In Folge dieses serbisch-albanischen Konflikts wuchs auch der Nationalismus in Slowenien. Die westlichste Republik kritisierte zunehmend das hegemoniale Streben Serbiens sowie dessen Dominanz in der Einheitspartei. Die Herausbildung entsprechender Tendenzen in Kroatien war absehbar. 110 Diese gesellschaftlichen Probleme gingen einher mit einer sich ständig verschlechternden Wirtschaftslage und führten Mitte der 80er zu einer Systemkrise. 111 Das viel beachtete Memorandum der serbischen Akademie der Wissenschaften 112 vom September 1986 war wegweisend für die künftige Politik der serbischen Republik. Tito wurde vorgeworfen, Serbien wirtschaftlich diskriminiert, es durch die Autonomien für die Vojvodina und das Kosovo zerstückelt und einen „stillen Genozid“ an den Serben durch Behörden in Kroatien und im Kosovo zugelassen zu haben. 113 Dieser zunehmende Nationalismus führte zu Konfrontationen mit den anderen Republiken. 114 Vor diesem Hintergrund kam es zum entscheidenden Machtwechsel in Belgrad. Mit Miloševi? kam ein Politiker an die Spitze, der das serbische Verlangen nach Gleichberechtigung und staatlicher Einheit befriedigte. Er besetzte nach und nach die wichtigsten Parteiämter mit Gefolgsleuten und brachte die Medien unter seine Kontrolle. 115 Die unabhängige Parteispitze in der Vojvodina wurde abgesetzt, die Republik Montenegro gleichgeschaltet. 1989 verlor schließlich das Kosovo den Status als autonome Provinz. Bei Auseinandersetzungen gab es einige Tote. 116 Im gleichen Jahr hielt Miloševi? zur 600-Jahrfeier der Schlacht gegen die Osmanen vor einer Million Serben seine wichtige Rede auf dem Amselfeld. 117 Das serbische Parlament beschloss am 28. September 1990 eine neue Verfassung für Serbien, durch die das Kosovo und die Vojvodina endgültig annektiert und Montenegro gleichgeschaltet wurden. In Folge dieser Maßnahme konnte Belgrad das

108 In dieser Arbeit wird die Bezeichnung das Kosovo verwendet. Bezüglich des Artikels gibt es keine feste Regelung, sowohl der als auch das können Verwendung finden. In der Forschung überwiegt wohl die Bezeichnung das Kosovo. Die EU hingegen zieht in ihren Dokumenten die Bezeichnung der Kosovo vor, worin sich eine abweichende Verwendung bei Zitierungen erklärt. Des weiteren sei darauf hingewiesen, dass die Serben die Region als Kosovo und Metohija bezeichnen, während unter den Albanern die Bezeichnung Kosova üblich ist. 109 Patrick F. R. Artisien/R. A. Howells: Die Unruhen im Kosovo und das jugoslawisch-albanische Verhältnis, in: EA, Nr. 21/1981, S. 639-648 (639ff.). 110 Vetschera: Früherkennung krisenhafter Entwicklungen am Beispiel der Jugoslawien-Krise, S. 21. 111 ebd., S. 21f.; Schönfeld: Das jugoslawische Dilemma, S. 477.

112 Das Memorandum ist abgedruckt in: Petritsch/Kaser/Pichler: Kosovo - Kosova, S. 160-170.

113 Es gilt zu bemerken, dass Tito tatsächlich versucht hatte, durch eine Beschneidung und Fragmentierung Serbiens die bevölkerungs- und rohstoffreichste Republik ihrer erdrückenden Dominanz zu berauben, die dem Gleichgewicht im Tito-Jugoslawien abträglich war. Vgl. Zeljko Vukovic: Wie Tito die Bewohner seines Hauses unter Kontrolle hält, in: FR, 03.02.1996, S. 15-16 (15). 114 Vetschera: Früherkennung krisenhafter...

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