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Die Frauen von Lampersari

In einem japanischen Frauenlager auf Java 1941-1945

AutorFranziska Koblitz
VerlagCzernin Verlag
Erscheinungsjahr2016
Seitenanzahl128 Seiten
ISBN9783707605679
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis14,99 EUR
Zahlreiche erschreckende Berichte sind aus der Zeit des Nationalsozialismus in Europa überliefert. Was sich in anderen Teilen der Welt währenddessen abgespielt hat, ist bei uns weitgehend unbekannt. Franziska Koblitz und ihr Mann hatten seit Anfang der 1930er-Jahre im damals niederländischen Java gelebt, als die Japaner das Land 1942 überfielen. Ihr Mann wurde verhaftet und überlebte nicht, Franziska Koblitz wurde mit ihren beiden Kindern drei Jahre lang in einem japanischen Frauenlager interniert. Ihre menschliche, unprätentiöse und ehrliche Darstellung der Ereignisse, die sie viele Jahre später aufschrieb, ist ein einzigartiges Zeitzeugnis. Sie berichtet von dem ständigen Hunger, den katastrophalen hygienischen Bedingungen, ihren Sorgen um die Kinder, aber auch von Solidarität unter den Frauen und der heilenden Wirkung eines Weihnachtsliedes.

Franziska Koblitz, geboren 1910 in Altaussee, heiratete 1934 Johann Friedrich Freiherr von Koblitz-Willmburg, der im Ersten Weltkrieg als Fregattenleutnant auf der SMS Tegetthoff gedient und nach dem Krieg Chemie studiert hatte. Seit 1922 und bis zur japanischen Invasion 1942, die er nicht überlebte, hatte er eine Anstellung auf einer Zuckerplantage in Java. Nach dem Krieg kehrte Franziska Koblitz mit ihren beiden Kindern nach Österreich zurück.

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Leseprobe

VORWORT


Die Erinnerungen der Franziska Koblitz an die Zeit in Java sind die Erinnerungen einer jungen Adeligen, die das Schicksal vom Salzkammergut nach Indonesien verschlagen hatte und die dort von der Idylle eines kolonialen Lebens als Gattin des Direktors einer Zuckerrohrfabrik in den Pazifischen Krieg hineingerissen wurde. Der japanische Angriff auf Pearl Harbor im Dezember 1941 und die darauffolgende Okkupation des damaligen Kolonialreichs Niederländisch-Indien beendeten das unbekümmerte Leben auf dem Anwesen in Assembagoes, das Familienglück und ihre kurze Ehe. Franziska Koblitz, ihr Mann und die beiden Kinder wurden in japanische Internierungslager gebracht; ihr Mann kam um, sie selbst und die Kinder überlebten.

Franziska Koblitz dürfte keinerlei Ausbildung gehabt haben, sondern wurde vielmehr von ihren Mädchenjahren an aufs Heiraten vorbereitet. 1934, mit 24 Jahren, heiratete Franziska Koblitz in Salzburg standesgemäß Johann Friedrich Freiherrn von Koblitz-Willmburg. Johann Friedrich Freiherr von Koblitz-Willmburg wurde 1895 in Wien geboren. Während des Ersten Weltkrieges diente er bei der k. u. k. Marine, als Fregattenleutnant auf der SMS Tegetthoff.

Die beiden hatten einander auf einer Gesellschaft im Ausseerland kennengelernt, erinnerte sich ihre Tochter Gabrielle Fürstenberg beim Interview für ein Radiofeature über die »Frauen von Lampersari«. Johann Friedrich Freiherr von Koblitz-Willmburg sei wohl ein klassischer Patriarch der Jahrhundertwende gewesen, mutmaßte der Verleger und mittlerweile verstorbene Verlagsgründer des Czernin Verlags Hubertus Czernin. Wissend, dass ich mich mit Japan und seiner Kriegsvergangenheit beschäftigte, hatte er mir das vorliegende Buch ans Herz gelegt, das im März 2000 erstmals veröffentlicht wurde. Aus dem Stoff entstand eine Radiosendung für den Kultursender Ö1/ORF.

Franziska Koblitz stand Hubertus Czernin verwandtschaftlich nahe: Die 1910 in Bad Aussee geborene Franziska Koblitz war seine Tante, Schwester seines Vaters Felix Czernin, Tochter von Paul Czernin, dem Bruder des damaligen Außenministers Kaisers Karls.

Hubertus Czernin hatte Franziska Koblitz als eine selbstbewusste Frau in Erinnerung, keine Frau, die sich unterordnete. Vielleicht hatten sie die Jahre im Internierungslager in Java und der Überlebenskampf später dazu gemacht und die Tatsache, dass sie sich alleine als junge Witwe mit zwei Kindern durchschlagen musste?

Nach Kriegsende studierte Hans, wie Franziska Koblitz ihren Mann nannte, an der Technischen Hochschule in Wien Chemie. 1922 ging er nach Indonesien, wozu ihm niederländische Freunde als Ausweg aus seiner nach dem Zusammenbruch der Habsburgermonarchie aus den Fugen geratenen Lebenssituation geraten haben sollen. 1939 erhielten Hans und Franziska die Staatsbürgerschaft der Niederlande. Der niederländische Pass ermöglichte dem Paar, unter den damaligen Machtverhältnissen als Angehörige der Kolonialmacht in Java zu leben. Gleichzeitig wurden sie damit die Staatsbürgerschaft von Nazi-Deutschland los.

Als »Niederländisch-Ostindien« war Indonesien eine der ersten Kolonien der Niederländer. Ausgehend von der Insel Java, wo Johann Friedrich Freiherr von Koblitz-Willmburg die Zuckerrohrfabrik und die Plantagen führte, hatten die Niederlande bis 1908 den gesamten indonesischen Archipel, mit Ausnahme der Provinz Aceh, unter ihre Herrschaft gebracht. Franziska Koblitz verwendet in ihrem Originaltext immer wieder die volkstümlich gebrauchte Bezeichnung »Holland«. Tatsächlich ist Holland nur eine Region der Niederlande.

Als Nazi-Deutschland im Mai 1940 die neutralen Niederlande überfiel und auch auf Java alle Deutschen und Österreicher interniert wurden, waren Hans und Franziska bereits Niederländer und als solche in der Community anerkannt und akzeptiert. Sie hatten keine Schwierigkeiten. Als jedoch 1942 mit den Japanern die neuen Herrscher kamen, hätten ihnen ihre deutschen Pässe möglicherweise geholfen und ihnen ihr weiteres Schicksal erspart. Denn das Japanische Kaiserreich war durch den Dreimächtepakt mit dem Deutschen Reich und dem faschistischen Italien verbündet. Sie jedoch vernichteten ihre deutschen Pässe, als die japanischen Hausdurchsuchungen begannen, wie Franziska Koblitz schreibt, denn ihr Mann »…wäre als Letzter auf seinem Schiff geblieben und mit seinem Schiff untergegangen. Er war der Direktor dieser Fabrik und Plantagen. Es waren seine Leute, die er führte, man vertraute ihm. Die Holländer waren seine Freunde. Er wollte ihr Los teilen.«

Um zu erklären, weshalb die Kaiserliche Japanische Armee ab Frühjahr 1942 Niederländisch-Ostindien besetzte, muss man historisch etwas ausholen.

Japan, das selbst nie Kolonie war, trat Anfang der 1930er Jahre an, »seine asiatischen Nachbarländer von den westlichen Kolonialmächten zu befreien«, so die Propagandadiktion. Tatsächlich versuchte das Japanische Kaiserreich in Asien eine neue Herrschaft zu errichten – ein Imperium, in dem es selbst die militärische, politische, wirtschaftliche und kulturelle Führungsrolle übernehmen sollte. Es war das Konzept einer »Großostasiatischen Wohlfahrtszone« im Pazifik, wobei Japan »aufgrund der Göttlichkeit seines Kaisers eine besondere Rolle in Asien einnehmen müsse«.

Der imperialistische Feldzug Japans in Asien, der von fortschrittlichen Historikern in Japan als »15-jähriger Krieg« bezeichnet wird, hatte bereits zu Beginn der 1930er Jahre begonnen. Im September 1931 inszenierte die Kaiserliche Japanische Armee in der Mandschurei einen Sabotageanschlag auf eine Eisenbahnlinie und schuf damit den Anlass, den offenen Kampf gegen die chinesischen Truppen aufzunehmen. 1932 errichtete Japan in der Mandschurei den Marionettenstaat Manchukuo. Nach seiner Verurteilung durch den Völkerbund trat Japan aus dem Bündnis aus. Am 12. Dezember 1937 marschierten japanische Truppen in der damaligen chinesischen Hauptstadt Nanking ein und verübten ein Massaker mit rund 300 000 Toten, das Historiker als eines der schlimmsten Kriegsverbrechen beurteilen. Auf die Eroberung Nordchinas und der wichtigsten chinesischen Hafenstädte wie Shanghai folgten Invasionen in Indochina, auf den Philippinen, in Niederländisch-Ostindien, Borneo, Thailand, Burma (dem heutigen Myanmar), auf der Malaiischen Halbinsel, den Salomonen, den Gilbert-Inseln, auf Guam und Wake. Mit dem Überfall auf das amerikanische Pearl Harbor 1941 und dem Kriegseintritt der Alliierten begann der eigentliche Pazifische Krieg, der erst nach den beiden amerikanischen Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki im August 1945 beendet wurde. Am 15. August 1945 kapitulierte Japan.

Franziska Koblitz und ihr Mann erfuhren die Nachricht vom Überraschungsangriff auf Pearl Harbor, als sie gerade im Berghotel Selecta beim Frühstück saßen, einem Feriendomizil mit angenehmerem Klima, in das sie sich immer wieder zurückzogen. Es war der Anfang vom Ende.

Als die Kaiserliche Japanische Armee wenige Monate später, im März 1942, in Java einmarschierte, stieß sie kaum auf Widerstand. Die Niederländische Kolonialmacht kapitulierte nach nur neun Tagen. Die Besatzer machten sich daran, Indonesien neu zu organisieren und in ihre »Großostasiatische Wohlfahrtszone« einzugliedern, wie es schon seit 1940 der Plan war. Hatte Japan vor Beginn der Besatzung den Indonesiern noch versprochen, ihnen zur Unabhängigkeit zu verhelfen, so wurde bald klar, dass hier nur eine Kolonialmacht die andere abgelöst hatte. Die »Japanisierung« der Bevölkerung lief zunächst über die Schulen. Japanisch wurde als Unterrichtsfach eingeführt, neue Lehrpläne nach japanischem Muster wurden für die indonesischen Kinder erstellt. Sie mussten japanische Lieder lernen, die Buben eine militärische Ausbildung machen. Alle indonesischen Geschichtsbücher wurden nach japanischen Gesichtspunkten umgeschrieben. Auch musste sich die Bevölkerung beispielsweise zum Tenno hin verbeugen, in Richtung Japan. Viele Indonesier sind jedoch Moslems, die sich nach Mekka verbeugen, in die entgegengesetzte Richtung, und empfanden dies als Erniedrigung. Auch das gehörte zur japanischen Unterwerfungsstrategie.

In Indonesien wollte sich Japan vor allem Rohstoffe sichern, die das rohstoffarme Land für seine weitere Kriegsführung brauchte. Um die japanische Expansion zu stoppen, hatten die Westmächte ein Rohstoffembargo gegen Japan verhängt und Exporte von Stahl, Eisenerz und Öl nach Japan gestoppt. In Indonesien gab es reiche Ölvorkommen.

Die Internierung von Zivilist(inn)en, die die niederländische Kolonialmacht repräsentierten, gehörte zur japanischen Besatzungsstrategie. Das Lager Lampersari nahe der Stadt Semarang in Mitteljava wurde Ende 1942 errichtet, gleich zu Beginn der japanischen Okkupation. Franziska Koblitz und ihre Kinder trafen am 28. Februar 1944 dort ein. Ihren Mann hatte die berüchtigte Militärpolizei kempetai schon früher abgeholt.

Die Situation in den Internierungslagern war katastrophal, hauptsächlich wegen der schlechten sanitären Bedingungen, dem Mangel an Medikamenten und Essen. An Hunger litt auch die einheimische Bevölkerung, wurde doch der gesamte indonesische Reis von der japanischen Armee beschlagnahmt, die ihrerseits kaum mehr vom Mutterland versorgt wurde. Mit zunehmendem Kriegsverlauf lag Japan wirtschaftlich mehr und mehr darnieder.

Die Frauen des Lagers Lampersari wurden zur Arbeit auf den Feldern rund um die Stadt Semarang eingeteilt. Franziska Koblitz meldete sich das erste Mal freiwillig, um aus dem Lager herauszukommen, vor allem aber wegen der Extraportion Essen, die den Frauen versprochen worden war. Später wurde sie regelmäßig zum Arbeitsdienst beordert. Als Zwangsarbeiterinnen wurden nicht nur die »weißen Frauen« eingesetzt, auch viele...

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