Vorwort
Von dem preußischen Kanzler Otto von Bismarck ist der Satz überliefert, wonach ein Staatsmann ein Politiker sei, der an seine Enkel denkt. Dieser brillante Architekt der deutschen Einheit im 19. Jahrhundert besaß mit Sicherheit keinen tadellosen Charakter, aber er war ein außerordentlicher strategischer Denker – und in diesem Punkt lag er vollkommen richtig: Wahre Staatsführung ist mehr als eine taktische Übung; sie erfordert einen langfristigen Plan. Wir im Westen haben heute keinen Plan, wie wir die Ressourcen sichern oder entwickeln sollen, die das Lebensblut unseres Wohlstands sind, während man im Osten (und insbesondere in China) über einen solchen Plan verfügt. Diese Tatsache und ihre Folgen sind das wichtigste Thema von Die gelbe Gefahr.
Ich bin ein aufrichtiger Bewunderer von Stephen Leebs Arbeit und glaube, dass man die Thesen in Die gelbe Gefahr ernst nehmen muss. Und ich habe gute Gründe, die Leser dazu aufzufordern, dies ebenfalls zu tun. Aus meiner Sicht ist Stephen einer der besten Langfriststrategen seiner Generation. Und das ist keine bloße Schmeichelei. Einfach ausgedrückt, haben sowohl mein Verstand als auch meine Brieftasche von seinem Wissen profitiert. Seine Einsichten waren für mich ein wichtiger Bestandteil bei der Gründung nicht nur einer, sondern mehrerer erfolgreicher Firmen. Um es auf den Punkt zu bringen: Seine Ratschläge zur Entwicklungskurve von Silber, den Metallen der Platingruppe, Öl, Gas, Kupfer und den anderen Rohstoffen, auf denen ich meine Karriere aufgebaut habe, halfen mir dabei, Geld zu verdienen. In einigen Fällen hat er meine eigenen Überzeugungen bestärkt, zum Beispiel bei fossilen Brennstoffen und bei Gold. In anderen Fällen hat er mein Denken um ganz neue Dimensionen ergänzt, zum Beispiel bei Kupfer und vor kurzer Zeit auch bei Silber. Stephens Sichtweisen und sein Wissen waren unglaublich wertvoll, und ich hatte das Privileg, Zugang zu ihnen zu haben.
Das Außergewöhnliche an Stephen: Sosehr ich ihn auch für eine meiner Geheimwaffen halte, ist er doch überhaupt kein Geheimniskrämer. Er veröffentlicht einen hervorragenden Börsenbrief. Er tritt regelmäßig im Fernsehen und bei Anlegerkonferenzen auf. Und in diesem Buch hat er der Öffentlichkeit nichts von dem verschwiegen, das er mir zuvor im privaten Rahmen gesagt hatte.
Stephen hat schon früh an die Wachstumsgeschichte in Asien geglaubt und die Bezeichnung »Chindia« geprägt, lange bevor viele seiner Berufskollegen den Einfluss Indiens und Chinas auf die Rohstoffmärkte verstanden. Die gelbe Gefahr stellt neue Fragen zu diesem Thema. Man muss nicht nach übersinnlichen Erscheinungen suchen, um zu der Schlussfolgerung zu gelangen, dass vor allem die Chinesen begriffen haben, in welche Richtung sich die Welt bewegt, und dass das Land trotz großer politischer Herausforderungen (darunter die Unterschiede zwischen Stadt und Land und der schwierige Weg zu einem dauerhafteren politischen Gleichgewicht) und physischer Einschränkungen, die ihre Ambitionen behindern könnten (darunter Wasserknappheit und ein Mangel an fruchtbarem Ackerland), dazu bereit sind, alles Nötige zu tun, um in einem Zeitalter zu überleben, das sich durch hohe Ressourcenknappheit auszeichnen wird.
Die Chinesen verstehen nur zu gut, was ihre Strategen als Korrelation der Kräfte bezeichnen (was wir »Gleichgewicht der Macht« nennen). Sie haben gründlichst darüber nachgedacht, was sie brauchen, um an die Spitze zu kommen – und dort zu bleiben. Wie Stephen unermüdlich und gnadenlos darlegt, kommt der intellektuellen und finanziellen Bereitschaft der chinesischen Führung, sich auf den Kampf um Rohstoffe zu konzentrieren, umgekehrt proportional nur die Unfähigkeit der westlichen politischen Führer gleich, dasselbe zu tun.
Dass wir wenige bis gar keine Staatsmänner vom Format Bismarcks haben, ist nicht nur Pech, sondern systembedingt. Denn wir sind heute schlecht auf den strategischen Wettbewerb vorbereitet, in den wir verwickelt sind – und wir haben das Problem noch nicht einmal wirklich erkannt. Ich glaube, unsere politische Führung hat nicht die geringste Ahnung von der Dringlichkeit der meisten Themen, die Stephen in diesem Text anspricht. Daher befürchte ich, der uns bevorstehende Schock könnte dem Titel eines früheren Buches von Stephen entsprechen: Game Over, was den klassischen, optimistischen auf Wachstum fokussierten Ausblick betrifft, der zu den Grundlagen des amerikanischen Traums gehört. Für einen Forscher auf dem Gebiet des Eingehens von Risiken auf der Suche nach raren Rohstoffen, der aus diesem Grund auch ein unverbesserlicher Optimist ist, sind solche Prognosen eine neuartige Erfahrung. Diese Befürchtung beweist die Bedeutung und die Rechtzeitigkeit von Die gelbe Gefahr.
Ebenso wie Stephen sehe ich keine offensichtliche Lösung unserer Probleme. Abgesehen von den letzten 40 Jahren, in denen es immer einmal wieder zu Ölschocks kam, hatten die Amerikaner allein in den letzten zehn Jahren Chancen, das Richtige zu tun und »an ihre Enkelkinder zu denken«. Und wir haben diese Chancen im Rahmen eines Zweiparteienkonflikts ungenutzt gelassen. Das Trauma vom 11. September, die Finanzkrise, die zum American Recovery and Reinvestment Act von 2009 führte und, wie ich hinzufügen könnte, das Deepwater Horizon-Desaster im Golf von Mexiko waren Wendepunkte, an denen ein wahrer politischer Anführer eingegriffen hätte. Er hätte die öffentliche Meinung von einem massiven Förderprogramm überzeugen können, um in alternative Energien zu investieren, die es unserer Zivilisation ermöglicht hätten, sich von ihrer Abhängigkeit von Ölimporten zu befreien, neue Industrien zu schaffen und den Umweltschutz voranzutreiben. Im Gegensatz zu einem Frosch, der ja angeblich weiß, wann er aus immer heißer werdendem Wasser herausspringen muss, konnten selbst ganz offensichtliche Erschütterungen unserer Wirtschaft, unserer Politik und unserer Körperschaften die zum Überleben notwendigen Reflexe nicht auslösen.
Gleich nachdem ich den letzten Entwurf von Die gelbe Gefahr gelesen hatte, las ich ein anderes Buch von meinem Freund Jonathan Powell mit dem Titel The New Machiavelli: How to Wield Power in the Modern World. Es erwies sich als wertvolle Ergänzung zu Stephens Arbeit. Es gibt ein brillantes Zitat Machiavellis, das unsere Probleme sehr gut beschreibt:
»Die Römer verhielten sich so, wie es alle weisen Herrscher tun sollten, die nicht nur ihre gegenwärtigen, sondern auch ihre zukünftigen Schwierigkeiten bedenken, vor denen sie sich mit aller Sorgfalt schützen mussten. Denn solche Probleme, wenn man sie sehr frühzeitig erkennt, sind leicht zu heilen. Doch wenn sie zum Ausbruch kommen, sind sie vielleicht schon unheilbar. Die Krankheit ist hoffnungslos geworden. Die Ärzte kennen das von der Schwindsucht. Anfangs ist sie leicht zu heilen, aber schwer zu diagnostizieren. Doch nach einer gewissen Zeit, wenn keine Behandlung erfolgt ist, kann man sie leicht erkennen, aber nicht mehr heilen.«
Nach den Maßstäben von Konfuzius (»Ein Mann, der einen Fehler gemacht hat und ihn nicht korrigiert, macht einen weiteren Fehler«) sind die westlichen Politiker eine beklagenswerte Gruppe. Man könnte ihnen höchstens zugestehen, dass ihre Unfähigkeit allgemein bekannt ist, die Menschen auf die Zukunft vorzubereiten.
Wie es für ein abgeschlossenes Regime typisch ist, sind stichfeste Hinweise auf Chinas wahre Absichten schwer zu identifizieren. Sogar einige von Stephens Referenzen sind nicht eindeutig zu belegen. Aber natürlich ist es in vielerlei Hinsicht die Zusammenfügung der einzelnen Punkte zu einem derart überzeugenden Bild, die den dramatischen Beitrag Stephens zu unserem Verständnis eines der wichtigsten Themen unserer Generation deutlich illustriert.
Man muss Chinas totalitäres politisches System oder seinen pragmatischen Opportunismus nicht stillschweigend hinnehmen, um zu sehen, dass China die weltweite Rohstoffknappheit nicht verursacht hat. Zu ihren wichtigsten Ursachen gehört die mangelnde Exploration durch westliche Unternehmen. Hinzu kamen eine jahrzehntelange Baisse an den Rohstoffmärkten und die Nachlässigkeit einer politischen Klasse, die sorglos wurde, als sich die Ölschocks weniger stark bemerkbar machten. China zu beschuldigen ist also ungefähr so, als würde man demjenigen die Schuld geben, der als Letzter zu einer Party kommt und dann feststellt, dass die besten Häppchen schon vom Buffet verschwunden sind. Nachdem China dazu eingeladen wurde, an der Weltwirtschaft teilzunehmen und Wohlstand zu genießen, fühlte sich China ebenso berechtigt wie jedes andere Land, sich die nötigen Voraussetzungen für sein Wachstum zu sichern. Man kann nur anerkennen, dass China dies durch merkantilistische Praktiken tut statt durch reinen Kolonialismus, der den früheren Ressourcen-Imperialismus der westlichen Länder und Japans auszeichnete.
Natürlich werden sich Amerika und China einigen müssen. Albtraumhafte Bilder, in denen unsere Handelsflotten von chinesischen Geschossen versenkt werden, sollten wir besser durch Bilder gemeinsamer Patrouillen unserer Seestreitkräfte ersetzen, die Handelsrouten und die Freiheit der Seefahrt sichern. Tatsächlich ist es so: Je früher wir das Bild von China als »Feind« begraben, desto besser. Man muss weder ein Schwarzseher noch ein Utopist sein, um die Wirklichkeit zu verstehen. Wenn es nicht zu einer weltweiten Wirtschaftskrise kommt, die den globalen wirtschaftlichen Wettbewerb für die absehbare Zukunft völlig verändert und einen Rückschlag für die Weltwirtschaft bedeutet (besonders für China und Indien), muss...