Kaiser und Künstler
Maximilian I.
Die Sterne standen nur zum Schein günstig, als die Gemahlin Kaiser Friedrichs III., die junge schöne Eleonore von Portugal, am 22. März des Jahres 1459 einem Sohn das Leben schenkte. Denn aus dem Stand der Gestirne hatte der enge Vertraute des Kaisers Regiomontanus den Lebenslauf des Knaben vorhergesagt, wobei viele Dinge, die im Horoskop und dessen Interpretation herauszulesen waren, tatsächlich eintrafen.
Der 22. März war nicht nur für die Eltern des Knaben ein denkwürdiger Tag, an dem die Reibereien, die zwischen den Eheleuten schon seit Jahren herrschten, vielleicht vergessen waren. Denn Friedrich III. war keinesfalls ein idealer Gatte für seine bezaubernde Frau, deren Wesen er in seiner schroffen Art niemals zu ergründen suchte. Dass er die kleine portugiesische Prinzessin seinerzeit geehelicht hatte, grenzte ohnedies an ein Wunder, aber als zukünftiger Kaiser hatte er geradezu die Verpflichtung, für Nachwuchs im Hause Habsburg zu sorgen, obwohl er als des »Reiches Erzschlafmütze« auch zu dieser Tätigkeit wenig Ambitionen zeigte. Er hatte nämlich den Vollzug der Ehe mit dem reizenden Mädchen in Italien von Woche zu Woche hinausgeschoben, sodass er schließlich nur durch List bereit war, Eleonore tatsächlich zu seiner Frau zu machen. In seiner ewig misstrauischen Art fürchtete er, in Italien einen »welschen« Sohn zu zeugen.
Im Laufe der Jahre gingen aus seiner Ehe allerdings tatsächlich etliche Kinder hervor, die aber im Säuglingsalter starben, außer Maximilian und seiner Schwester Kunigunde. Die Schuld, dass die Kinder die ersten Lebensjahre nicht überlebt hatten, hatte er seiner Gemahlin in die Schuhe geschoben, er hatte gefunden, dass die Mutter sie verzärtelt und verweichlicht hatte, sodass er jetzt nach der Geburt Maximilians alles dransetzen wollte, um den Knaben selber und durch seine Leute zu einem ganzen Mann zu erziehen. Dabei erkannte Friedrich freilich nicht, dass er alles andere als eine pädagogische Ader besaß und auch nicht die Hand hatte, tüchtige Lehrer auszuwählen, die den temperamentvollen, phantasiebegabten Knaben, der zum Leidwesen der Eltern an einer leichten Sprachstörung litt, förderten.
Solang die Mutter lebte, hatte Maximilian den nötigen Rückhalt, wenn die Lehrer so gar nicht auf seine Ideen eingehen wollten, aber später, nach dem allzu frühen Tod Eleonores, war der Knabe weitgehend Männern ausgeliefert, die dem Kind ohne jegliches Verständnis gegenüberstanden. Eleonore hatte in ihrer liebenswürdigen Art Einfluss auf die wirre, undurchschaubare politische Situation genommen, sie war es auch gewesen, die ihre schützende Hand über den kleinen Sohn gehalten hatte.
Viel zu früh hatte sie das Leben im düsteren Schloss in Wiener Neustadt, wo sie niemals glücklich gewesen war, beendet. Mit nur 31 Jahren hatte die Kaiserin die Augen für immer geschlossen, als Maximilian erst acht Jahre alt war. Ein Leben lang trauerte er um die geliebte Mutter, nach deren Tod er sich vom Vater nicht verstanden und von den strengen Lehrern falsch behandelt fühlte. Denn Eleonore hatte bei ihrem Erziehungsstil, durch den das Kind mit sanfter Hand geführt wurde, auf die Ratschläge eines Aeneas Silvius Piccolomini gehört, der als Papst Pius II. den Stuhl Petri bekleidete. Er war seit eh und je ein Freund der Familie und erkannte untrüglich den weiten Geist des Knaben. Seine Erziehungshinweise hatten allerdings sehr wenig Einfluss auf die Einstellung des Vaters dem Kind gegenüber, der Maximilian als beinahe schwer erziehbar ansah. Es war auch fast unmöglich für den so anders gearteten Kaiser, die unglaublichen Fähigkeiten seines Sohnes zu erkennen, Vater und Sohn waren grundverschieden. Erst viele Jahre später kam es zur inneren Annäherung zwischen Friedrich III. und Maximilian, als einer die Fähigkeiten und Vorzüge des anderen zu schätzen lernte.
Nach der ersten Katastrophe im Leben des Knaben, nach dem Tod der Mutter, übernahmen uneinsichtige Lehrer die Erziehung des Kindes, die mit eiserner Hand dem Knaben die Grundzüge der damaligen Gelehrsamkeiten einzubläuen suchten. Und da sie vom Kaiser jedwede Freiheit bei ihren Erziehungsmethoden hatten, kam es nicht selten vor, dass der Prinz mit Schlägen körperlich gezüchtigt wurde. Dem Sadismus waren Tür und Tor geöffnet! Daher glich es einem Wunder, dass Maximilian trotz aller Widerwärtigkeiten zu einem frischen, fröhlichen jungen Mann heranwuchs, dem kein Baum zu hoch und kein Graben zu tief war, um mit seinem Pferd darüberzuspringen. Er strotzte vor Kraft und bewies diese nicht nur, indem er die sieben Behändigkeiten glänzend beherrschte und im Wettbewerb mit Gleichaltrigen stets als Sieger hervorging, sondern auch bei so manchen Auftritten vor einem erstaunten Publikum, zum Beispiel als er in München einer Löwin das Maul aufriss, um ihr die Zunge herauszuholen. Wahrscheinlich war das Tier ebenso verblüfft wie die Zuschauer, denn nach dieser Aktion legte es sich friedlich neben den Prinzen und schleckte ihm die Hand ab. Ein anderes Mal wurde aus Ulm berichtet, man habe den Sohn des Kaisers beobachtet, wie er von außen über die Zinnen zur Spitze des Ulmer Münsters kletterte.
Diese Bravourstücke waren so richtig nach Maximilians Geschmack. Bis an sein Lebensende behielt er die Lust an tollkühnen Kunststücken bei und sie waren es vielleicht auch, weshalb er in kürzester Zeit im ganzen Reich eine ungewöhnliche Popularität erreichte. Maximilian hob sich nicht wie sein Vater Friedrich III., der sich viel lieber in seine geheime Alchimistenküche zurückzog, um den Stein der Weisen zu finden oder aus besonderen Legierungen Gold zu machen, vom Volk ab. Er war der Mann, der das Bad in der Menge suchte und genoss. Obwohl er anfängliche Sprachschwierigkeiten gehabt hatte, scheute er nicht davor zurück, mit jedermann Gespräche zu führen und wenn es sein musste, Reden zu halten. Denn er hatte schon bald erkannt, dass er eigentlich nicht sprachunbegabt war, beinah im Handumdrehen hatte er in den wenigen glücklichen Jahren in den Niederlanden Flämisch und Französisch gelernt, freilich eine gewisse Notwendigkeit, wollte er sich mit seiner geliebten Gemahlin Maria von Burgund nicht nur auf seine Weise unterhalten. Auch wenn Englisch gesprochen wurde, konnte er dem Inhalt der Gespräche folgen, ohne allerdings selber fließend sprechen zu können. Wichtig war für ihn, der stets auf der Hut sein musste, dass er die Unterhaltungen seiner Gesprächspartner auch nach dem offiziellen Teil verstehen und deuten konnte.
Der gutaussehende, ungewöhnlich charmante Prinz, den man allenthalben mit seinem griesgrämischen Vater verglich, war schon bald ein gern gesehener Gast in den Städten des Reiches. Und da sich herausstellte, dass Maximilian auch ein blendender Tänzer war, der das Hofieren nach allen Regeln der Kunst beherrschte, war es kein Wunder, dass schon sehr früh alle möglichen Heiratsgerüchte kursierten. Ob der junge Maximilian selber seine Hände dabei im Spiel hatte, um sich überall ins Gespräch zu bringen, ist nicht mit Sicherheit zu sagen. Denn später unternahm er nichts ohne große Propaganda. Geschickt stellte er seine Person immer in den Mittelpunkt, wurde nicht müde, sich malen zu lassen, damit er über sein Bildnis überall bekannt wurde. Er wollte auf Schritt und Tritt präsent sein, jedes Kind sollte den König und späteren Kaiser schon von Weitem erkennen, wenn er im Lande war.
Es war vielleicht die Anonymität seines Vaters, der zwar als Kaiser über das gewaltige Reich offiziell herrschte, von dem aber niemand sagen konnte, wie der Mann auf dem Thron eigentlich aussah. Friedrich III. war und blieb ein Unbekannter. Dies sollte sich unter seinem Sohn gewaltig ändern!
Natürlich hatte man sich über die Gemahlin, die der Kaisersohn einmal zum Altar führen sollte, reichlich Gedanken gemacht. Selbst dem lethargischen Friedrich III. war dies nicht gleichgültig, und so stellte auch er politische und vor allem finanzielle Überlegungen an. Denn Friedrich war ein Kaiser ohne Geld, obwohl er eine der wertvollsten Edelsteinsammlungen sein Eigen nannte. Da er aber die geliebten Steine, die er teilweise selber im Heiligen Land erworben hatte, nicht zu Geld machen wollte, um seine verschiedenen Unternehmungen zu finanzieren, war er beinah ein Leben lang arm wie eine Kirchenmaus. Die einzige Chance für das Haus Habsburg an Geld zu kommen, war eine reiche Heirat Maximilians.
Der Herzog von Burgund, Karl der Kühne, schien der ideale Schwiegervater für den armen Prinzen. Denn Burgund galt nicht nur als äußerst wohlhabendes Land, das Maria, die einzige Tochter des Herzogs, nach dem Tode des Vaters einmal erben würde. Die junge reizende Maria war noch dazu die beste Partie in Europa.
Dass die »goldene« Herzogstochter, nicht unbeachtet auf dem europäischen Heiratsmarkt geblieben war, war allgemein bekannt. Denn der König von Frankreich Ludwig XI. unternahm so ziemlich alles, um Maria für seinen erst fünfjährigen Sohn Karl als Braut zu gewinnen. Aber die Sympathie des burgundischen Herzogs...