I) Einleitung
Der 30. Januar 1933 markiert eine der größten Zäsuren in der deutschen Geschichte: Paul von Hindenburg ernennt Adolf Hitler zum Reichskanzler. In wenigen Wochen gelang es ihm und seinen Parteigenossen die Weimarer Republik im Terror zu versenken und nach den Märzwahlen im Reich eine brutale Diktatur zu errichten, die letztlich den 2. Weltkrieg auslösen sollte. Hitlers Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei (NSDAP) hob die demokratischen Freiheiten weitestgehend auf, machte oppositionelle Parteien und Verbände durch Inhaftierungen und Verbote mundtot und forcierte eine radikale öffentliche Diskriminierung jüdischer Mitbürgerinnen und Mitbürger. „Niemals seit dem Zeitalter der Aufklärung wurden 'Andersdenkende' dermaßen restriktiv verfolgt, wie auch zu keiner anderen Zeit so viele Deutsche im Namen des Staates hingerichtet wurden.“[1]
Die Forschung stellt sich seit dem Ende des Dritten Reichs 1945 daher die Frage, wie es der NSDAP gelingen konnte, von einer kleinen, faschistischen Krawall-Bewegung zur allein herrschenden Macht aufzusteigen und eine ganze Nation zu verführen. Denn spricht man vom Dritten Reich, spricht man auch von einer Zeit der Masseneuphorie zugunsten der Herrscher. Fast immer fällt in diesem Zusammenhang der Name Joseph Goebbels. Als Parteivorstand im Gau Berlin und Propagandaleiter der Partei konstruierte er schon vor der eigentlichen „Machtergreifung“ den Führerkult um Adolf Hitler und nutzte als späterer Minister für Volksaufklärung und Propaganda die neuen Massenmedien zur Lenkung der öffentlichen Meinung. „Auf Schonung konnte die Presse nicht hoffen. Zu tief saß der Hass der neuen Herren und zu genau wussten diese, dass ihre Macht ohne total kontrollierte Massenmedien auf tönernen Füßen stand.“[2] Auch Hitler war sich ihrer Bedeutung für die Festigung seiner Diktatur frühzeitig bewusst:
„Was wir immer mit dem Worte 'öffentliche Meinung' bezeichnen, beruht nur zu einem kleinsten Teil auf selbstgewonnenen Erfahrungen oder gar Erkenntnissen der einzelnen, zum größten Teil dagegen auf der Vorstellung, die durch eine oft ganz unendlich eindringliche und beharrliche Art von sogenannter 'Aufklärung' hervorgerufen wird. So wie die konfessionelle Einstellung das Ergebnis der Erziehung ist und nur das religiöse Bedürfnis an sich im Innern des Menschen schlummert, so stellt auch die politische Meinung der Masse nur das Endresultat einer manchmal ganz unglaublich zähen und gründlichen Bearbeitung von Seele und Verstand dar. Der weitaus gewaltigste Anteil an der politischen 'Erziehung', die man in diesem Falle mit dem Wort Propaganda bezeichnet, fällt auf das Konto der Presse. Sie besorgt in erster Linie diese 'Aufklärungsarbeit' und stellt damit eine Art von Schule für Erwachsene dar.“[3]
Das zentrales Ziel des Ministeriums für Volksaufklärung und Propaganda (RMVP) war eine einheitliche Führung der Presse und des Rundfunks. Unmittelbar nach der „Machtergreifung“ beseitigte die Regierung Hitler sämtliche oppositionellen Medien und brachte durch Terror und Hetze die Übrigen nach und nach auf Parteilinie. „Die unzähligen Journalisten nach 1933 spielten gar keine Rolle. Sie waren nur noch Empfänger, Ausführer, Überbringer der ihnen auf den sogenannten Pressekonferenzen oder durch Tages- und Wochenparolen fertig servierten Gedanken.“[4] Die Presse, ehemals Grundstein des demokratischen Systems, wurde mithilfe einer konsequenten und radikalen „Gleichschaltung“ zum Lenkungsapparat der Massen pervertiert. Anbetracht der zentralen Bedeutung der Medien als Propagandainstrumente der NSDAP, ist eine genauere Untersuchung dieser Vorgänge von höchstem Interesse. Kann man sich anhand der Analyse des kompromisslosen Umbaus der Kölner Medien doch einer Antwort auf die zentrale Frage, wie die Partei die öffentliche Meinung beeinflusste und so das Volk verführte, nähern.
Der auch im Titel dieser Arbeit verwendete Begriff der „Gleichschaltung“ entspringt dabei einer NS-Terminologie, die ursprünglich den gesamten Prozess der Vereinheitlichung des privaten und öffentlichen Lebens in Deutschland nach der Machtergreifung umschreibt. Entstanden in der Machteroberungs-Phase, wurde der Terminus 1933 durch den Reichs-Justizminister Franz Gürtner am 31. März erstmals offiziell verwendet.[5] Sein Gebrauch ist allerdings nicht unumstritten, da er die ungeheure Gewalt verschleiert, die hinter diesem komplexen Vorgang stand. Imanuel Geiss bezeichnet ihn daher richtiger-weise als „verharmlosende Umschreibung für die faktische Unterwerfung aller Organe und relevanten Gruppen unter die NS-Herrschaft.“[6] Entsprechend wurde der Begriff in den folgenden Zeilen stets in Anführungszeichen gesetzt.
Wie verlief nun die mediale „Gleichschaltung“ in Köln? In der Domstadt wurden immerhin international beachtete Blätter wie die „Kölnische Zeitung“ (KöZ) und die „Kölnische Volkszeitung“ (KVZ) herausgegeben. Innerhalb der heterogenen Medienlandschaft war man sich seiner demokratischen Verantwortung durchaus bewusst. Viele Zeitungen vertraten daher klare politische Positionen und lehnten eine faschistische Diktatur, wie sie Hitler anstrebte, ab. Hatten es die Nationalsozialisten daher in Köln besonders schwer, eine mediale Konvergenz zu erzeugen?
Tatsächlich verlief der politische Aufstieg Hitlers in Köln eher schleppend, im Vergleich zu anderen Metropolen im Reich. „Köln war unbestritten die deutsche Großstadt, in der der Widerstand gegen den Aufstieg des Nationalsozialismus am stärksten war.“[7] Zwar war die Domstadt seit Mitte der 20er Jahre Sitz der Gauleitung, aber bei den Wahlen zwischen 1920 und 1933 verzeichnete die Hitler-Bewegung den schwächsten prozentualen Stimmanteil.[8] Die großen bürgerlichen Redaktionen in Köln waren etabliert und das Kölner Parteiblatt „Westdeutscher Beobachter“ (WB) bis dahin nicht mehr als ein wenig beachtetes Hetzblatt mit Partei-Ankündigungen und Propaganda. Dennoch schrieben auch in Köln sehr schnell nach der Machtergreifung alle verbliebenen Zeitungen für den Führer:
„Wir geben freimütig zu, dass an dieser Stelle die Verdienste Hitlers und seiner alten Garde während ihrer schwersten Kampfzeit in den vergangenen 14 Jahren nicht richtig gewürdigt und erkannt worden sind. Wir haben darin geirrt und geben diesen Irrtum zu, wenn wir freilich auch betonen müssen, dass wir der nationalsozialistischen Bewegung nicht mit unwürdigen Mitteln oder gar dem fanatischen Hasse andrer Gegner entgegengetreten sind.“[9]
Wie kam es dazu? Hatten die Zeitungen der Domstadt überhaupt eine Chance zur offenen Opposition gegen die zweifellos terroristische „Gleichschaltung“? Oder schwammen sie bereits vor der Machtergreifung im „braunen Gewässer“? Die vorliegende Arbeit möchte diesen Fragen auf den Grund gehen und unternimmt dabei den Versuch, die Rollen und Positionen der großen Kölner Zeitungen vor und nach der Machtübernahme zu analysieren. So lassen sich anhand der verschiedenen Berichterstattungen über den Aufstieg der Partei wertvolle Erkenntnisse über die Haltung der verschiedenen Blätter gegenüber Hitler herausarbeiten. In diesem Zusammenhang werden sowohl die administrativen und institutionellen Maßnahmen, mit denen es den Machthabern gelingen konnte, die bürgerlichen Zeitungen zu verdrängen oder für die Verbreitung der eigenen Ideologie einzunehmen, als auch die Hetze und Terrorisierung außerhalb von Gesetzen und Verordnungen erfasst. Dabei geht es nicht um die Frage, wie erfolgreich die Massenmedien bei der Meinungs-Beeinflussung der Bevölkerung in Köln waren, sondern ob die „Gleichschaltung“ der Kölner Medien ein langwieriger, zäher Prozess oder nur die Vollendung einer bereits vorher einsetzenden Entwicklung war.
Konkret nähert sich die Arbeit der Beantwortung dieser komplexen Frage, indem sie zunächst anhand der Untersuchungen von Heimann, Schmitz und Frei die Bedeutung des Rundfunks als Propaganda-Instrument herausarbeitet. Die handfeste „Gleichschaltung“ des Kölner Rundfunks wird dann mithilfe der Arbeiten von Bernard und Diller nachgezeichnet. Im Anschluss geht die Arbeit anhand der Arbeiten von Paul und Plücker auf die Pressepolitik der NSDAP vor 1933 ein. Darauffolgend arbeitet sie die historischen Rahmenbedingungen und Entwicklungen bezüglich der „Gleichschaltung“ im Pressewesen mithilfe der Untersuchungen von Plücker, Wulf und Matzerath heraus. Unterstützend werden dabei die entsprechenden Gesetze und Verordnungen der Partei aus dem Reichsgesetzblatt (RGB) zitiert und ihre Funktionen kommentiert. Auf diese Weise soll ein fundierter Überblick über die Situation der Presse im Reich und somit auch der Kölner Presse gegeben werden. Der Fokus liegt in diesem Kontext auf den zur Beantwortung der übergeordneten Fragestellung relevanten Maßnahmen und Hintergrundinformationen. So stehen nicht nur der Wert der Medien als Erziehungs- und Propagandainstrument im Vordergrund, sondern vor allen Dingen auch die rechtlichen Schritte, mit denen es der...