DER WALD
Am 6. August 1999 steige ich in Järpen aus dem Zug. Es ist 7.30 Uhr, und ich bin die ganze Nacht von Göteborg aus gefahren. Mein Rücken ist steif, ich habe die ganze Nacht gesessen.
Ich mache mich auf den Weg zum Helgesjön. Mein Rucksack ist schwer, vollgepackt mit 40 Kilogramm Kleidung, Ausrüstung und Nahrung. Ich habe die Isomatte und den Schlafsack an den Stahlrahmen unter dem Rucksack gebunden. Die Axt, Säge und das Messer sind außen befestigt.
Das Essen, das ich mitbringe, kann nicht verderben. Ich habe mich auf Dinge konzentriert, die sich halten: Getreidekörner, Nüsse, Linsen und Knäckebrot; Rosinen, Dörrpflaumen und getrocknete Aprikosen ohne Zusatzstoffe; Möhren und Zwiebeln; Butter, Salz, Zimt und schwarzen Pfeffer. Ich plane, Vitamin C im Wald zu ernten, so lange es möglich ist: Frauenmantel, wilde Himbeeren und Preiselbeeren. Und Moltebeeren, das Gold der Berge.
Ich laufe in einer Trekkinghose und einem dünnen Wollpullover herum und trage schwere Stiefel an den Füßen. Sie sind neu und steif und ich habe zwei Paar Socken an, um Blasen zu vermeiden.
In meinem Rucksack habe ich meine Laufkleidung und -schuhe, leichte Sandalen, Mamas weiße Regenjacke, einen dicken Strickpullover, eine Mütze und Handschuhe, zwei lange Wollunterhosen, Unterwäsche und drei Paar dicke Socken, die Oma für mich aus strapazierfähiger Wolle gestrickt hat.
Der Plan ist, nur Baumwolle und Wolle zu benutzen. Wollkleidung wäscht sich von selbst, wenn ich sie im Regen an einen Ast im Wald hänge. Sie riecht nie schlecht und brennt nicht schnell. Baumwolle ist weich und sanft, sie fühlt sich gut auf der Haut an. Sie hält auch gut Funken vom Feuer ab.
Vielleicht muss ich mehr Kleidung kaufen, wenn der Winter kommt, aber ich rechne damit, dass ich auf diese Weise lange zurechtkomme.
ICH BRAUCHE DREI STUNDEN, um zu der Lichtung zu wandern. Ich setze den Rucksack ab und lege mich auf den Bauch, um den Rücken zu dehnen.
Das Gras ist noch immer leuchtend grün. Das Rauschen des Slagsån ist leiser als im Frühling, weniger intensiv.
Hier werde ich leben. Ich habe keine Ahnung, wie es funktionieren wird oder auf was ich mich eingelassen habe. Ich weiß nur: Es ist genau das, was ich tun möchte.
Ich habe beschlossen, mindestens ein Jahr lang draußen zu leben, in allen Jahreszeiten. Ich möchte sehen, wie der Wald und die Natur mich beeinflussen.
Ich fälle 15 dünne Tannen und entferne die Rinde. Sie werden das Gerüst meiner Kote bilden, des traditionellen Zelts der Samen. Meine Hände sind mit einem Harz bedeckt, das klebt und gut riecht. Meine Finger kleben zusammen; die Axt klebt an meiner Hand.
Ich binde drei der Tannenpfosten mit einem starken Seil zusammen, sodass sie ein Dreibein bilden, wogegen ich die restlichen Pfosten lehne. Ich brauche den ganzen Tag, um das komplette Gerüst zu errichten.
Als es dunkel wird, ziehe ich mich aus, um mich im Fluss zu waschen. In der kühlen Nacht fühlt meine Haut sich rau an, und die Mücken stechen. Mit der Axt kratze ich den Harz von meinen Händen. Dann springe ich ins Wasser und wasche mich mit Seife unter den Armen. Im kalten Wasser schrumpft mein Schniedel zu einer Rosine. Ich habe kein Handtuch. Daher trockne ich mich mit den Händen ab und schüttle das Wasser aus den Haaren.
Als ich wieder angezogen bin, zünde ich ein Feuer an und mache mir Haferbrei. Nach einem ganzen Tag ohne Essen ist es wunderbar, das Loch in meinem Magen mit Haferbrei und Möhren zu füllen.
Ich häufe ein paar Zweige unter einer großen Tanne auf, hole die Isomatte und den Schlafsack und krieche hinein. Der Rucksack ist mein Kissen.
Es riecht nach Kiefern und Feuer. Alles ist ruhig.
Ich möchte nirgendwo anders sein.
ICH WACHE VOM Jucken und Stechen auf. Ich liege mit dem Gesicht nach unten auf den Tannenzweigen, und die Mücken laben sich an meinem Blut. Ich bin ausgeruht, aber mein Körper fühlt sich seltsam aus der Form geraten an, nachdem ich die Nacht durchgeschlafen habe.
Im Wald ist ganz schön was los: Die Vögel zwitschern und die Mücken bleiben aus der Sonne. Ich gehe zum Fluss, um etwas zu trinken, esse zwei Möhren und ziehe die Laufschuhe an. Ich laufe die fünf Kilometer zur E 14, um mich mit dem Mann zu treffen, der mir die Plane für mein Zelt verkauft. Sie wurde aus eng gewebter, wasserdichter Baumwolle zusammengenäht und hat vorn eine Öffnung. Einmal sah ich einen alten Mann, der in Åre aus einem solchen Zelt Hotdogs verkaufte, und mir wurde gesagt, es handle sich um ein Modell von der Stange namens Moskoselkåtan. Jetzt hat der Mann am Straßenrand 1.700 Kronen in der Hand, und die Zeltplane gehört mir.
Zurück auf der Lichtung falte ich das helle Material auseinander und drapiere es um das Gerüst. Ich achte darauf, dass die Öffnung Richtung Osten zeigt, damit die Morgensonne mir Licht und Wärme spendet, wenn ich aufstehe, und befestige die Plane mit spitzen Heringen, die ich mit dem Rücken der Axt in den Boden hämmere.
Unten am Fluss sehe ich mich nach Steinen um, die die richtige Größe für die Feuerstelle haben, die ich in der Mitte des Zelts unter dem Abzug baue. Zwischen ein paar Pfählen befestige ich Wäscheleinen, um meine Kleidung und meinen Schlafsack aufzuhängen, und aus den Tannenzweigen baue ich mir hinten im Zelt ein Lager, damit ich die Öffnung von meiner Schlafstelle aus sehen kann. Ich zünde ein Feuer an und koche mir eine Suppe aus Linsen und Brühe, gebe Olivenöl hinzu und esse, bis mein Magen mir sagt, dass ich aufhören soll.
Ich spüre den Regen in der Luft, als ich meine Shorts und Laufschuhe anziehe. Ich laufe los und finde einen Tierpfad, dem ich folge, bis die Kraft in meinen Beinen nachlässt. Bei Einbruch der Dunkelheit komme ich nass bis auf die Haut zurück nach Hause.
Ich fühle mich wohl, als mein Körper langsam herunterkommt. Ich zünde ein Feuer an. Die trockenen Tannenzweige speien knisternd Funken.
Ich koche Wasser mit ein paar Rosinen, füge 200 Milliliter Haferflocken hinzu und bereite mir einen süßen Haferbrei zu. Ich runde ihn mit ein paar Nüssen ab und esse ihn mit einem Holzlöffel direkt aus dem Topf. Den Löffel habe ich im Werkunterricht gemacht, als ich noch sehr jung war. Ich hole meine Isomatte heraus und lege mich auf die Seite, um das Feuer zu beobachten.
Zu Hause ist Mama vermutlich schon ins Bett gegangen. Opa ist vielleicht unterwegs zum Meer, um die Netze auszuwerfen.
Bevor ich zum Fluss gehe, um mir die Zähne zu putzen, lasse ich das Feuer herunterbrennen. Ich fülle kaltes Wasser in den Haferbreitopf.
Zurück im Zelt spreche ich mein gewohntes Abendgebet, „Gud som haver“ („Gott, der du die Kinder liebst“), und schlafe ein, während die Regentropfen auf das Zelt prasseln.
ICH MUSS MIR EIN RICHTIGES BETT BAUEN. Es ist nicht wirklich angenehm, auf stacheligen Ästen zu schlafen. Außerdem ist der Boden nicht ganz eben, und mein Rücken fühlt sich noch immer bei jedem Aufwachen an, als wäre er aus der Form geraten.
Ich laufe zum Hållandsgården, dem örtlichen Hotel und Konferenzzentrum neben der Schule, und frage den Leiter, ob er ein altes Bett habe, das er loswerden wolle. Er überlässt mir eins, das er wegwerfen wollte.
Das Holzgestell ist schwer und schlecht zu tragen. Auf dem Rücken schleife ich es durch den Wald und bekomme furchtbare Blasen auf den Schulterblättern. Es dauert Stunden, zum Zelt zurückzugehen. Im Zelt baue ich aus Steinen eine Stütze für das Bettgestell und benutze eine transparente Wasserflasche als Wasserwaage, um sicherzugehen, dass es absolut gerade ist. Ich breite die Isomatte und ein Rentierfell auf dem Bett aus, lege mich hin und schlafe sofort ein.
Ein paar Stunden später wache ich hungrig und durstig auf. Ich koche mir Suppe und Tee aus Frauenmantel. Er schmeckt zwar nicht sonderlich gut, soll aber gesund sein. Dann laufe ich zurück durch den Wald zum Hållandsgården, um die Rosshaarmatratze abzuholen, die mir auch geschenkt wurde. Sie lässt sich leichter tragen und scheuert nicht so an meinem Rücken.
Nun habe ich also ein Bett und eine ziemlich weiche Matratze. Es hat mich den ganzen Tag gekostet, und es ist wunderbar.
AM NÄCHSTEN TAG FÄLLE ICH ein paar trockene Tannen in der Nähe des Zelts. Die Bäume sind tot und werden gut brennen, und sie enthalten auch kein klebriges Harz.
Ich hacke alle trockenen Äste ab und säge die Stämme in drei Meter lange Stücke, die ich durch den Wald schleife, mit gebeugten Beinen und geradem Rücken. Es ist Schwerstarbeit, aber es fühlt sich gut an. Ich fühle mich stark.
Zurück am Zelt säge ich die Stämme in 30 Zentimeter lange Abschnitte, die ich auf meinem Hackklotz zu Brennholz spalte. Es nimmt viel Zeit in Anspruch;...