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Die Griechen

Kultur und Geschichte in archaischer und klassischer Zeit

AutorAlexander Rubel
Verlagmarixverlag
Erscheinungsjahr2012
Seitenanzahl256 Seiten
ISBN9783843802611
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis7,99 EUR
Wer waren die Griechen des Altertums und was haben sie uns heute noch zu sagen? Diesen Kernfragen kulturgeschichtlicher Betrachtung geht der vorliegende Band überblicksartig nach. Von der Entstehung der griechischen Stadtstaaten über die Perserkriege bis zum Zeitalter des Perikles und von der Ausbildung der Demokratie in Athen über die ökonomischen Grundlagen griechischer Gemeinwesen bis hin zu den grausamen Kriegen, die Griechen gegeneinander und gegen andere führten, spannt sich der narrative Bogen dieser Einführung. Geschichte, Kunst, Literatur und Alltagsleben der Griechen der archaischen und klassischen Periode werden in einem Gesamtbild einer Epoche präsentiert und ihre fortwährende Bedeutung für eine Gegenwart, die sich von humanistisch-klassizistischen Traditionen weit entfernt hat, wird kritisch analysiert. Dabei werden die Griechen einerseits von ihrem humanistischen Sockel geholt und ihre Lebensweise, ihre Gebräuche und politischen Institutionen als Teil einer uns doch recht fremden vormodernen Gesellschaft beschrieben, zugleich aber die nachhaltige Bedeutung ihrer Kultur für das Verständnis der europäischen Kulturgeschichte betont.

Prof. Dr. Alexander Rubel ist Inhaber einer Forschungsprofessur am Archäologischen Institut der Rumänischen Akademie in Jassy (Rumänien), dem er seit 2011 als Direktor vorsteht. Neben Arbeiten aus dem engeren Bereich von Archäologie und Alter Geschichte publiziert er regelmäßig zu breiteren kulturgeschichtlichen Themen. Seine Forschungsschwerpunkte sind das klassische Griechenland, antike Religionsgeschichte, Romanisierung in den Provinzen des römischen Reiches und die Rezeption der Antike in Mittelalter und Moderne.

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Leseprobe

1. Einleitung: Raum, Zeit, Umwelt


Im Jahr 401 machte sich ein rund 10.000 Mann umfassendes griechisches Söldnerheer unter Führung des Athener Heerführers und Schriftstellers Xenophon auf einen langen beschwerlichen Heimweg von Kunaxa im Zweistromland bis zur Südküste des Schwarzen Meeres. Ihr Arbeitgeber, der Thronprätendent des persischen Königreiches, Kyros, war seinem Bruder Artaxerxes unterlegen, die Griechen nach dem Tod des Kyros in der Schlacht arbeitslos. Nach langen Strapazen und vielen Kämpfen in unbekanntem und feindlichem Gebiet erklomm die Vorhut des Trosses eines Tages einen Berg. Xenophon hörte plötzlich von vorne laute Schreie und stürmte kampfbereit mit einer Reiterschar dorthin, weil er glaubte, die Vorhut sei angegriffen worden. Auf der Kuppe des Berges lagen sich jedoch seine Soldaten weinend und lärmend in den Armen und riefen immer wieder „Thalatta, Thalatta!“, „Das Meer, das Meer!“. Sie hatten an der Nordostküste der heutigen Türkei (bei Trabzon) endlich das Schwarze Meer gesichtet. Lassen wir Xenophon selbst zu Wort kommen: „Da liefen nun alle heran, auch die Nachhut, Zugtiere und Pferde wurden herangetrieben. Als alle auf die Berghöhe gekommen waren, da umarmten sie einander unter Tränen, sogar Strategen und Lochagen [Generäle und Offiziere].“ (Xenophon, Anabasis, 4, 5, 24-25).

Während in unserer heutigen Wahrnehmung das Meer das trennende Element ist und das Land uns verbindet, war es in der griechischen Antike genau umgekehrt. Das Meer bestimmte unmittelbar den Lebensraum. Es war zugleich wichtigster Verkehrs- und Handelsweg, bedeutender Nahrungslieferant und allgegenwärtiges Tor zur Welt. Für Xenophons Soldaten bedeutete der Anblick des Meeres die Rettung und eine baldige Passage in die Heimat. Für die Griechen des Altertums bestimmte das salzige Element den Alltag und war allgegenwärtig im Leben wie im Denken. Ein rechtes Verständnis für die Lebenswelt und die Kultur der Griechen lässt sich nur ausgehend vom Meer und seiner Bedeutung für dieses seit Odysseus sprichwörtliche Seefahrervolk gewinnen. Sogar das heutige Griechenland (in der Antike waren griechische Städte über den ganzen Mittelmeerraum bis ins Schwarzmeergebiet verteilt) verfügt über eine eindrucksvolle Küstenlänge von gut 4.000 Kilometer, rechnet man die zahlreichen Inseln hinzu, sind es über 13.000 Kilometer. Eine solche geographische Ausgangslage prägt die Bewohner nachhaltig, man musste sich mit dem Meer auseinandersetzen. Die See behielt dabei für die Griechen den Aspekt des gefährlichen, Verderben bringenden bodenlosen Elements. In ihren Tiefen verorteten Sagen und Legenden Meerungeheuer. Poseidon war unberechenbar, und wer einmal einen Sturm auf dem Mittelmeer erlebt hat, kann sich noch heute die Ängste antiker Seefahrer ausmalen. Selbst in der Odyssee, dem Seefahrerepos par excellence, sagt etwa der König der Phäaken zum gestrandeten Odysseus (Od. 8, 137ff): „Denn nichts Schrecklichers ist mir bekannt, als die Schrecken des Meeres,/ Einen Mann zu verwüsten, und wär’ er auch noch so gewaltig.“ Dennoch gab es für die Griechen keine Alternative zur See, sie bildete das geographische Zentrum, das Zentrum der Verbindungslinien zwischen den Städten, was jede Karte auf einen Blick zeigt und sich auch in Platons Bemerkung wieder findet, mit ihren Städten säßen die Griechen um das Meer herum, wie Frösche um einen Teich (Phaidon 109). Bedenkt man weiter, dass die karstige Gebirgslandschaft mit sehr wenigen fruchtbaren Gegenden im Landesinneren des Festlandes und der Peloponnes nur eine begrenzte landwirtschaftliche Nutzung erlaubt und bereits in der Antike die Wälder Griechenlands weitgehend abgeholzt waren, wird die Bedeutung des Meeres, überhaupt die Relevanz von Raum und Umwelt für Kultur und Wahrnehmung der Griechen, deutlich. Viele Gebiete, selbst die des griechischen Kernlandes, waren angesichts der zerklüfteten Landschaft und der gefährlichen und beschwerlichen Landwege (meist Steilpfande) eigentlich nur über den Seeweg zugänglich.

Neben der geographischen Einordnung scheint mir besonders ein weiterer Aspekt unabdingbar für ein echtes Verständnis der Griechen und ihrer Kultur: Unser Verhältnis zu ihnen. Diesen Aspekt verfolgt das letzte Kapitel, das der Rezeptionsgeschichte gewidmet ist, und beschreibt, wie verschiedene Epochen „ihre“ Griechen wahrgenommen haben. Doch einige Bemerkungen zur Nähe bzw. zur Fremdheit der antiken griechischen zu unserer neuzeitlich modernen Kultur sind schon in diesem Einleitungskapitel nötig.

Es gibt wohl kein ernst zu nehmendes Theater in Deutschland, das in den letzten Jahren nicht eine Antigone oder eine Tragödie von Euripides auf dem Spielplan gehabt hätte. Wir lernen in der Schule, dass die Griechen nicht nur das Theater erfunden, sondern auch als erste die Demokratie als Staatsform hervorgebracht haben. Vieles von dem, was zu den essentiellen Grundlagen europäischer Geistesgeschichte zählt, wurde erstmals von Griechen gedacht und formuliert, ob es sich um die Erfindung des historischen und des politischen Denkens handelt, oder um die kritische Rationalität im Austausch von Gedanken und im Formulieren von Meinungen, um mathematische Axiome oder ärztliche Standesehre (der berühmte Hippokratische Eid). Bis vor kurzem lernte man in der Schule auch nicht nur eine tote Sprache der Antike (im deutschen Gymnasialunterricht nimmt Latein hinter dem Englischen noch immer den zweiten Rang innerhalb der Fremdsprachen ein), sondern mit dem Altgriechischen auch eine zweite, und wenn Alfred N. Whitehead Recht hat, dann besteht die ganze moderne Philosophiegeschichte aus Fußnoten zu Platon. Kurzum: Die Antike im Allgemeinen, die griechische Antike im Besonderen gehört zu uns, gehört uns. Die Lordsiegelbewahrer der abendländischen Hochkultur erheben zwar häufig die Klage, dass es einstmals besser um die Kenntnis des Altertums gestanden habe. Dennoch ist die griechische Kultur bis in den Sprachgebrauch hinein („Eulen nach Athen tragen“, „Tantalusqualen leiden“, „den Augiasstall ausmisten“, „kein Krösus sein“, „eine Odyssee erleben“ etc.) auch heute noch allgegenwärtig.

Genau diese Vertrautheit mit der griechischen Kultur der Antike, wie oberflächlich sie heutzutage auch sein mag, steht aber einem differenzierten und realitätsnahen Verständnis der Griechen, wie es in diesem Buch vorgeschlagen wird, nachhaltig im Wege. Wir sehen „unsere“ Griechen eben zunächst einmal durch die Brille einer über 2.000-jährigen Rezeptionsgeschichte mit unterschiedlichen Aneignungsstufen. Dieser Sachverhalt verdeckt bisweilen die andere, uns eher fremde und – so sie uns bewusst ist – befremdende Seite der griechischen Kultur, etwa ihre seltsame, von blutigen Tieropfern und merkwürdigen Ritualen geprägte Religion, ihre Grausamkeit und Brutalität gegenüber Besiegten oder die Sklaverei, die zum unhinterfragten Alltag gehörte. Ein Buch über die Griechen müsste man daher – wenn das möglich wäre – eigentlich aus einer ähnlichen Perspektive schreiben wie ein Buch über die Maya, die Khmer oder die Han-Dynastie. Doch das Nachdenken über die griechische Kultur bedeutet immer zugleich auch ein Nachdenken über unsere eigene Kultur. Dieses hermeneutische Problem kann nicht gelöst, sondern nur ins Bewusstsein gebracht werden. In diesem Sinne möchte ich hier für eine vorsichtige Distanzierung plädieren. Natürlich kann uns ein Blick auf die griechische Antike niemals in wirklich gleicher Weise gelingen wie ein Blick auf unserer Kultur völlig fremde historische Sachverhalte und Gesellschaften. Dennoch muss man sich bewusst machen, dass die Griechen bei all ihren großartigen und bewundernswerten Leistungen, ihrer Philosophie, Literatur und Architektur, die unser Bild von ihnen beherrschen, ein vormodernes Volk waren, dessen Wesen, Lebensstil und Leistungen uns nur durch den Prozess formender Aneignung so nah erscheint.

Das ist kein prinzipiell neuer Gedanke. Bereits Nietzsche und Jacob Burckhardt haben auch auf die „dunkle Seite“ der griechischen Kultur verwiesen und heutzutage ist die Methode des ethnologischen Vergleichs als eine nützliche Herangehensweise der Forschung verbreitet. Gleichzeitig bedeutet ein solcher Ansatz auch keineswegs eine „Primitivisierung“ der griechischen Kultur, deren ungeheure schöpferische Leistungen immer Bestand haben werden. Vielleicht ist es ja auch gerade diese andere, dunklere Seite, die den Reiz der Beschäftigung mit dem hellenischen Altertum im 21. Jahrhundert ausmachen kann. Zumindest ist der warnende Hinweis, nicht einseitig die Marmorfassaden der griechischen Zivilisation zu beachten, für ein umfassendes und wirkliches Verständnis der griechischen Kultur in all ihren Aspekten erforderlich.

Diese hier nur angedeutete unterschiedliche Wahrnehmung und Rezeption der griechischen Kultur in verschiedenen Epochen der abendländischen Geistesgeschichte hat ihren Ursprung nicht zuletzt in Art und Menge der uns zur Verfügung stehenden Quellen über die griechische Antike. Diese sind an Umfang und Qualität denen, die uns etwa für die frühe Neuzeit...

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