Kapitel 2
Das Ziel: Auf Dauer schlank sein und gesünder leben!
Wie oft haben Sie in Ihrem Leben schon versucht, etwas an sich zu verändern, weil eine bestimmte Verhaltensweise Sie genervt hat oder Ihnen nicht guttat? Also das Rauchen aufzuhören, mehr Sport zu treiben, zwei Kilo abzunehmen, weniger zu arbeiten und mehr Zeit für Ihre Partnerin oder Ihren Partner und die Familie zu haben et cetera? Wie oft ist es Ihnen denn tatsächlich gelungen, Ihr gewohntes Verhalten zu verändern? Und wie oft mussten Sie es bei dem bloßen Vorhaben belassen? Einfach mal eben sein Leben verändern – so einfach geht das nicht.
Vielleicht tröstet es Sie, dass Sie mit dieser Erfahrung nicht allein sind. Veränderungen fallen fast allen Menschen schwer. Warum ist das so? Wir haben doch ein konkretes Ziel vor Augen und verfügen über ein enormes Faktenwissen aus Fernsehen, Zeitungen und Magazinen. Wir wissen, dass Rauchen Krebs verursacht, und uns ist klar, dass wir immer dicker werden, wenn wir mehr essen, als wir brauchen, und uns zu wenig bewegen. Wissen allein scheint jedoch nicht auszureichen, um zu handeln. Sonst wäre die Menschheit ganz sicher gesünder. Keiner würde mehr rauchen oder Abend für Abend untätig auf dem Sofa herumhängen. Wissen motiviert zwar, das ist keine Frage. Doch wo ist der Haken? Warum wird aus guten Vorsätzen nicht sofort ein positiver Lebensstil? An welcher Schraube müssen wir drehen?
Warum Veränderungen so schwerfallen
Verhaltensforscher wissen, dass der Mensch für seine geistig-seelische Unbeweglichkeit gar nichts kann. Unfähigkeit oder ein Mangel an Disziplin sind auch nicht die Gründe dafür, dass es mit dem Abnehmen nicht klappt oder der Bauchumfang ungewollte Ausmaße annimmt. Vielmehr liegt es daran, dass der Mensch von seinem biologischen Bauplan her nicht auf Veränderungen programmiert ist. Sprich: Der Mensch ist ein Gewohnheitstier. Im Laufe der Evolution machte das auch Sinn. Das half ihm beim Überleben. Regeln und Gewohnheiten schaffen Sicherheit.
Neue Situationen und neue Verhaltensweisen machen dem Menschen Angst. Studien zeigen, dass wir das Positive an einer Veränderung oder an einem gesünderen Lebensstil nicht spontan erkennen können. Im Gegenteil: Wir empfinden allein die Vorstellung, etwa morgens regelmäßig durch den Wald zu laufen, als einen Angriff auf unser wohl eingerichtetes Leben, auch wenn uns unsere behäbige Lebensweise schon lange nicht mehr guttut.
Fazit: Zwar ist unser Organismus ein hoch kompliziertes Wunderwerk der Natur, doch bezogen auf unser Verhalten sind wir noch recht urtümlich strukturiert. Diese Ur-Codes, die bereits das Verhalten der ersten Menschen prägten, sind schuld daran, dass wir nur schwer aus unserer Haut können.
Bedürfnisse und innere Motive
Zu den primären Bedürfnissen des Menschen gehören Sauerstoff, Nahrung, Schlaf, das Vermeiden von Schmerzen, sexuelle Befriedigung, Bewegung … Sie motivieren uns zu bestimmten Verhaltensweisen und helfen seit Urzeiten, uns am Leben zu erhalten. Trotzdem ist es möglich, diese Bedürfnisse – obwohl (über-)lebensnotwendig – teilweise auszublenden oder zu unterdrücken. Jeder kann eine Weile ohne Schlaf auskommen. Auch ein paar Tage ohne Essen übersteht man problemlos. Keinen Sex zu haben ist zwar freudlos, doch man kann ohne ihn leben.
Hinsichtlich der Entwicklung von Verhaltensweisen sind aber unsere sekundären Bedürfnisse entscheidend. Dazu gehören beispielsweise Sicherheit oder Zuwendung. Unser Sicherheitsbedürfnis zählt zu den ursprünglichsten Motivationen für Verhalten überhaupt. Wir müssen uns zwar heute nicht mehr vor wilden Tieren und brandschatzenden Horden schützen, dennoch ist die Angst vor einer Lebensbedrohung tief in unserem Erbprogramm verankert. Sicherheit hält uns am Leben, Unsicherheit bedroht uns.
Sicherheit bieten beispielsweise ein gefahrloser Rückzugsort und eine verlässliche Ernährungslage. Und nun beschließen Sie beispielsweise, am nächsten Montag mit dem Abnehmen zu beginnen. Was sagt Ihr Instinkt? »Bist du verrückt? Wenn du das machst, erlebst du magere Zeiten. Mangel und Hunger drohen. Keine gute Idee. Iss lieber weiter wie gehabt!«
Die Moral von der Geschichte: Ihr Vorhaben, Ihre Lebensweise zu ändern, bedroht zunächst Ihr Bedürfnis nach Sicherheit – oder wie in unserem Beispiel die gesicherte Ernährungslage. Das bremst natürlich jeden Plan in diese Richtung erst einmal ungewollt aus. Denn unser Verstand, also unser reiner Wille, ist völlig chancenlos gegen unsere inneren Motive. Das Motto lautet: Lieber einen dicken Bauch als Notzeiten.
Das Projekt Gewichtsabnahme kann deshalb schon vor dem Start zum Scheitern verurteilt sein. Vor allem wenn zum Abnehmen eine Fastenkur oder eine Radikaldiät geplant ist. Selbst wenn wir mit unmenschlich hartem Willenseinsatz eine »Erfolgsdiät« zwei Wochen lang durchziehen, kehren wir danach zu unseren alten, Sicherheit gebenden Gewohnheiten zurück – zutiefst erleichtert, dass der Stress ein Ende hat. Zur Sicherheit legen wir gleich noch ein paar Pfunde mehr zu, als wir vorher schon auf den Rippen hatten. Der Jo-Jo-Effekt lässt grüßen.
Wie innere Motive unsere Vorhaben boykottieren
Als ob unser Verlangen nach Sicherheit als Hürde nicht ausreichen würde, machen es uns noch weitere Ur-Codes schwer, ein neues Verhalten einzuüben. Jeder Mensch ist süchtig nach Anerkennung und Zuwendung. Dieses Bedürfnis ist ebenso grundlegend wie das nach Sicherheit. Anerkennung bekommen wir in der Regel von den Menschen, die uns lieben: Eltern, Kinder, Partner oder Freunde, aber auch Vorgesetzte und Kollegen haben Achtung vor uns – sofern wir uns entsprechend verhalten. Wer täglich 16 Stunden im Büro verbringt oder auf den Urlaub verzichtet, um seine Unentbehrlichkeit in der Firma zu demonstrieren, will dafür geschätzt und gelobt werden. Dass er dabei den Kürzeren zieht, weil er auf Entspannung und Freizeit verzichtet, ist ihm zunächst nicht bewusst. Das passiert frühestens, wenn die ersten Krankheitssymptome auftauchen. Ein anderes Beispiel: Wer sich pflegt, auf seine Figur achtet und sich nach der aktuellen Mode richtet, will dafür bewundert werden.
Der kleine, aber feine Unterschied zwischen den beiden Lebensarten: Typ eins verzichtet auf Schlaf, regelmäßige Bewegung sowie Auszeiten und fährt sich mit ziemlicher Sicherheit irgendwann mit einem Burn-out an die Wand. Typ zwei zeigt genauso sein Bedürfnis nach Anerkennung, sorgt dabei aber auch gut für sich selbst. Er bewegt sich regelmäßig, pflegt seinen Körper und verwöhnt sich mit ausgesuchter Kleidung. Wer von beiden Typen das gesündere Verhalten an den Tag legt, ist nicht schwer zu erkennen.
Was das alles mit Ihnen zu tun hat? Ganz einfach: Wenn Sie zu den Zeitgenossen gehören, die ihr Bedürfnis nach sozialer Anerkennung damit befriedigen, dass sie ihren Körper vernachlässigen, sollten Sie rasch umdenken. Schaffen Sie es hingegen, Anerkennung und Zuwendung an einen gesunden Lebensstil und eine aktive Körperwahrnehmung zu koppeln, stehen Sie langfristig auf der Gewinnerseite.
Wie Gewohnheiten Veränderung blockieren
Bekannte, wiederkehrende Situationen geben uns Halt und Sicherheit im Alltag. Wir sparen auf diese Weise Kräfte für überraschende oder extreme Momente. Die meisten Menschen richten sich ihr Leben so ein, dass die täglichen Handlungen immer nach dem gleichen Muster ablaufen. Ein Morgenritual aus Aufstehen, Duschen, Anziehen, Frühstücken und Zähneputzen hat absolut seine Berechtigung. Es spart Energie, die wir an anderer Stelle gut brauchen können, und wir haben dabei das Gefühl, dass alles in bester Ordnung ist – das gibt uns Sicherheit.
Derselbe unbewusste Wunsch nach Sicherheit liegt einem anderen Ritual zugrunde. Stellen Sie sich vor, Sie kommen abends nach einem langen Tag nach Hause. Zuerst gehen Sie zum Kühlschrank und holen sich ein Bier. Dann geht es ab aufs Sofa, Füße hoch – halt, erst noch eine Tüte Kartoffelchips, bitteschön. Perfekt abgerundet wird Ihr Abendritual mit etwas TV-Sport oder einer der vielen Talkshows.
Beide Rituale sind sehr menschlich. Gegen das Morgenritual ist aus gesundheitlicher Sicht nichts einzuwenden. Das Abendritual sorgt dagegen – Sicherheit hin, Geborgenheit her – auf lange Sicht für ein paar Pfunde mehr auf den Rippen und ungesunde Harnsäurewerte. Wenn Sie sich jetzt, aufgerüttelt durch die Angst vor schlimmen Krankheiten, allerdings vornehmen, ab sofort auf die abendliche Bier-Chips-Kombi zu verzichten, passiert Folgendes: In Ihrem Unterbewusstsein schrillen die Alarmglocken! Sobald Sie das vertraute Ritual, den gewohnten Rhythmus durchbrechen, signalisiert Ihr Gehirn: »Hier läuft etwas verkehrt. Etwas ist anders, das bedeutet Gefahr. Mit der alten Gewohnheit habe ich mich sicher gefühlt. Jetzt geht es mir an den Kragen!«
So...