4. Die Christianisierung in Irland
4.1 ein Überblick
Bevor ich in die irisch-keltische Religion einsteige möchte ich einen kurzen Überblick über die Christianisierung Irlands geben, um ein möglichst genaues Bild der damaligen Situation darzustellen. Die Christianisierung Irlands wird von Padberg (1998, 65) auch als irischer Sonderweg bezeichnet. Durch Chlodwigs Bekehrung zum Christentum konnte das römische Christentum im Kerngebiet Westeuropas Fuß fassen, allmählich wurden die Franken christianisiert und der Polytheismus geriet immer mehr ins Abseits. Nordwestlich des alten Limes wurde noch immer Odin verehrt. Die Franken versuchten die Alemannen und die Baiern zu bekehren. Um die heidnischen Nachbarn in England, Friesland und Sachsen kümmerte sich aber niemand. So mussten andere aktiv werden, nämlich die Iren und die Angelsachsen. Vom westlichen Rand Europas kommend trieben sie vor allem im 7. Jahrhundert die Christianisierung des Kontinents voran. Bevor sie diese zukunftsträchtigen Aufgaben in Angriff nahmen, mussten sie aber selbst das Evangelium kennen lernen. (Meyer-Sickendieck, 1996, 37). Irland lag damals am Rande der Welt. Von den Römern nicht erobert, war Irland von der antiken Welt ziemlich unberührt geblieben. Die Iren wurde zu einer Zeit Christen, als ihre britischen Nachbarn von heidnischen Invasoren bedrängt wurden. Die genauen Abläufe des religiösen Wandels auf Irland, lassen sich nur unvollständig nachvollziehen. Das scheinbar einzige richtige Datum der irischen Missions-geschichte ist eine Nachricht des Chronisten Prosper Tiro von Aquitanien (390-463). Nachdem im Jahre 431 ein gewisser Palladius von Papst Coelestin (422-432) als Bischof zu den an Christus glaubenden Iren geschickt worden ist. Wie das Christentum vor Palladius, im 4. Jahrhundert, nach Irland kam ist nicht klar. Meyer-Sickendiek (1996, 38) schreibt in ihrem Buch, dass die Ausbreitung des Christentums vor Palladius durch die Emigration großer Volksgruppen eine wichtige Rolle spielte. Nach dem Sieg Caesars über Gallien im Jahre 58 BC hatten keltische Auswanderer in großer Zahl die römisch besetzten Gebiete in Richtung Britannien und Irland auf dem Seeweg verlassen. Nachdem die neue Glaubenslehre sich nicht nur in Rom, sondern auch in anderen Städten Italiens etabliert hatte, setzten schon zu Ende des 2. Jahrhunderts die Flüchtlingsströme wieder ein, weil der römische Kaiser Decius eine drastische Christenverfolgung durchführte (Meyer-Sickendieck 1996, 38-39). Abgelöst wurde Palladius dann von Patrick, der sehr erfolgreich die Christianisierung weiterführte und zum Landesheiligen wurde.
Patrick kam etwa 385 AD in Taburniae (Grafschaft Cumberland, Nordwestengland) als Sohn eines Legionärs und späteren Diakons namens Calpornius zur Welt. Schon sein Großvater Potius war Priester gewesen und die Familie scheint einen hohen Stellenwert innerhalb der römischen Gemeinde gehabt zu haben.
Während eines groß angelegten Überfalls der Iren (Scoten) an Britanniens Westküste geriet der sechzehnjährige Patrick in Gefangenschaft und wurde als Sklave verkauft. Er diente sechs Jahre als Hirte bei einem keltischen Häuptling in der späteren Grafschaft Antrim. Letztendlich gelang ihm die Flucht und er fand eine Schiffsüberfahrt zurück nach England.
In seinen Träumen manifestierte sich seine Bestimmung zur Christianisierung Irlands. Er studierte im Kloster St. Honorat auf den Lerins-Inseln (bei Cannes, Südfrankreich), danach bei Germanus in Auxerre in Burgund. Obwohl seine Bildung und sein Schriftstil als nicht ausreichend empfunden wurden – die prägenden Jahre hatte er ja auf der Weide verbracht – ernannte man ihn 432 AD zum Nachfolger des ersten irischen Bischofes Palladius.
Er begann im Westen und Norden der Insel zu predigen. Er rief die Menschen mit Paukenschlägen herbei. Interessanterweise genoss er sehr schnell die Unterstützung der örtlichen Kleinkönige, die sich vom Christentum eine straffe Organisation und damit leichtere Regierbarkeit der wilden Iren versprachen. Da Patrick während seiner Gefangenschaft die gälische Sprache gut gelernt hatte, konnte er seine Predigten in der Landessprache halten. Überdies scheint er begabt und realitätsnah gelehrt zu haben. Als Beispiel sei hier die Erklärung der Dreifaltigkeit an Hand eines dreiblättrigen Kleeblatts erwähnt. Das dreiblättrige Kleeblatt wurde später zum Symbol Irlands. All das dürfte es den Iren erleichtert haben den neuen Glauben anzunehmen. Die größte Herausforderung bei der Christianisierung Irlands waren für Patrick die Druiden, welche ihn zu vernichten versuchten. Er trat aber immer wieder im direkten Wettstreit gegen sie an. Ab 444 AD teilte Patrick die Insel in Diözesen ein. Als deren Oberhäupter setzte er alte Freunde und Gefährten, die er schon aus Gallien kannte, ein. Er selbst baute seine Bischofskirche in Armagh, am Sitz des Hochkönigs, übrigens auch heute noch das religiöse Zentrum Irlands. Dort starb Patrick 461 AD.
Seine Attribute sind:
Mitra, Kreuzstab; Schlangen – weil er der Legende nach alles giftige Getier von der Insel Irland vertrieb. Deshalb ist dies auch das Symbol für die Ausrottung des Heidentums.
Das Kleeblatt – weil er die Wesensgleichheit der drei göttlichen Personen Vater, Sohn und heiliger Geist mit Hilfe eines Kleeblattes erklärte;
Flammen – er soll mit seinem Stab ein Loch in die Erde gestoßen haben, aus dem das Höllenfeuer emporschlug mit welchem er seine Zuhörer zur Buße und Reue bewegte;
Schafe und Kühe – Symbole für Irland und sein Amt als Oberhirte der irischen Gläubigen (Quelle: Lexikon der Heiligen 2006, 333-335).
Insgesamt kann man die Christianisierung Irlands als einen lange andauernden Prozess annehmen. Außerdem nahm in Irland die christliche Kirche einen wesentlich anderen Entwicklungsweg als auf dem Kontinent. An dieser Stelle möchte ich
Kriterien anführen welche die christliche Kirche in Irland zu etwas Besonderem machte:
eine Herausbildung einer beachtlichen Kultur, deren Buchkunst bis heute Bewunderung hervorruft
eine besondere Organisationsstruktur
die Gemeinden waren nach dem Ordnungsgefüge der irischen Stämme in einzelne Klosterverbände und deren Gründungsheiligen zugeordnet
die Äbte und nicht die Bischöfe waren die Glaubenshelden, denn auf Grund ihres asketischen Lebens galten sie als bessere Wundermänner oder Heilsmittler
die irische Kirche stellt sich somit als Konföderation von Mönchsgemein-schaften dar
die in den Klöstern praktizierte Buße
das Konzept der Peregrinatio
Alle Sünden mussten gebeichtet werden und in Bußbüchern, einer neuen Gattung, wurde aufgelistet, welche Kompensationsleistung der Christ dafür zu leisten hatte. Entscheidend war dabei, dass die Buße als Strafe und nicht als bessernde oder heilende Aufgabe verstanden wurde. Es wurde nicht nach der Intention gefragt, nein, nach der Tat und damit traten die äußeren Werke und Leistungen in den Vordergrund. Es kam nicht auf die ethische Besserung an, sondern auf den Tarifausgleich. Man konnte sich sogar von der Bußleistung freikaufen indem man einen Stellvertreter für die eigenen Sünden büßen ließ. Folglich folgte auf die Tat die Buße, nach der Reue wurde nicht gefragt. Etwa tausend Jahre später bildete dann die Ablasshandlung den Schlusspunkt dieser Entwicklung. Damit zusammenhängend enstand die Peregrinatio (Angenendt, 1982, 55ff.). Zu den Bußstrafen konnte die Verbannung aus dem Stamm oder noch extremer von der Insel gehören. Irische Mönche begannen nun als asketische Draufgabe solchen Verlust der Heimat freiwillig auf sich zu nehmen. Vorbild dabei war Abraham, der auf Gottes Ruf hin Verwandtschaft und Vaterland verlassen hatte (Gen. 12,1). Die irischen Mönche taten dies zum eigenen Seelenheil. Nebenbei verkündeten sie in der Fremde das Evangelium und so wurde der "irisch- christliche Sonderweg" ein entscheidender Anstoß für die weitere Christianisier-ung Kontinentaleuropas (Angenendt, 1982, 58). Ich möchte an dieser Stelle aber erwähnen, dass es auch andere Meinungen zur irischen Kirche und ihrer Stellung im Christentum gibt und dort nicht von einem irischen Sonderweg gesprochen wird.
Ab 590 AD führten also irische Mönche die Christianisierung außerhalb ihrer Heimat weiter. Erwähnenswert ist Columcille (Columban von Hy, 520-597), der im Jahre 563 nach Schottland ging. Wesentlich berühmter war allerdings Columban der Jüngere (543-615), der 590 mit 12 Gefährten die Peregrinatio auf dem Kontinent begann. Durch die beispielhaft vorgelebte Kombination von Gebet und Arbeit schaffte Columban am Kontinent ein neues christliches Arbeitsethos. Die Zeit war reif für ein vertiefendes Christentum, denn allein in Gallien erhöhte sich die Zahl der Klöster von 220 auf 550 vom Ende des 6. Jahrhunderts bis zum Ende des 7. Jahrhunderts. Anfang des 8. Jahrhunderts ging der Einfluss der Iren in Europa zurück. Er prägte aber nachhaltig die christliche Entwicklung in...