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Die Klassenkämpfe in Frankreich 1848 - 1850

AutorKarl Marx
VerlagJazzybee Verlag
Erscheinungsjahr2012
Seitenanzahl116 Seiten
ISBN9783849608279
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis0,99 EUR
Karl Marx beschreibt in seiner zeitgeschichtlichen Abhandlung Auswirkungen der Geschehnisse in Frankreich Mitte des 19. Jahrhunderts. Inhalt: I. Die Juniniederlage 1848 II. Der 13. Juni 1849 III. Folgen des 13. Juni 1849 IV. Die Abschaffung des allgemeinen Stimmrechts 1850

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II. Der 13. Juni 1849


 

Vom Juni 1848 bis 13. Juni 1849

 

Der 25. Februar 1848 hatte Frankreich die Republik oktroyiert, der 25. Juni drang ihm die Revolution auf. Und Revolution bedeutete nach dem Juni: Umwälzung der bürgerlichen Gesellschaft, während es vor dem Februar bedeutet hatte: Umwälzung der Staatsform.

 

Der Junikampf war durch die republikanische Fraktion der Bourgeoisie geleitet worden, mit dem Siege fiel ihr notwendig die Staatsmacht anheim. Der Belagerungszustand legte ihr das geknebelte Paris widerstandslos vor die Füße, und in den Provinzen herrschte ein moralischer Belagerungszustand, der drohend brutale Siegesübermut der Bourgeois und der entfesselte Eigentumsfanatismus der Bauern. Von unten also keine Gefahr!

 

Mit der revolutionären Gewalt der Arbeiter zerbrach gleichzeitig der politische Einfluß der demokratischen Republikaner, d.h. der Republikaner im Sinn des Kleinbürgertums, vertreten in der Exekutivkommission durch Ledru-Rollin, in der konstituierenden Nationalversammlung durch die Partei der Montagne, in der Presse durch die »Réforme«. Gemeinsam mit den Bourgeoisrepublikanern hatten sie am 16. April konspiriert gegen das Proletariat, in den Junitagen es gemeinsam mit ihnen bekriegt. So sprengten sie selbst den Hintergrund, worauf ihre Partei sich als eine Macht abhob, denn nur so lange kann das Kleinbürgertum eine revolutionäre Stellung gegen die Bourgeoisie behaupten, als das Proletariat hinter ihm steht. Sie wurden abgedankt. Die mit ihnen widerstrebend und hinterhaltig während der Epoche der provisorischen Regierung und der Exekutivkommission eingegangene Scheinallianz wurde offen von den Bourgeoisrepublikanern gebrochen. Als Bundesgenossen verschmäht und zurückgestoßen, sanken sie zu untergeordneten Trabanten der Trikoloren herab, denen sie kein Zugeständnis abringen konnten, deren Herrschaft sie aber jedesmal unterstützen mußten, sooft dieselbe, und mit ihr die Republik, von den antirepublikanischen Bourgeoisfraktionen in Frage gestellt schien. Diese Fraktionen endlich, Orleanisten und Legitimisten, befanden sich von vornherein in der konstituierenden Nationalversammlung in der Minorität. Vor den Junitagen wagten sie selbst nur unter der Maske des bürgerlichen Republikanismus zu reagieren, der Junisieg ließ einen Augenblick das ganze bürgerliche Frankreich in Cavaignac seinen Heiland begrüßen, und als kurz nach den Junitagen die antirepublikanische Partei sich wieder verselbständigte, erlaubten ihr die Militärdiktatur und der Belagerungszustand von Paris, nur sehr schüchtern und vorsichtig die Fühlhörner auszustrecken.

 

Seit 1830 hatte sich die bourgeoisrepublikanische Fraktion in ihren Schriftstellern, ihren Wortführern, ihren Kapazitäten, ihren Ambitionen, ihren Deputierten, Generalen, Bankiers und Advokaten um ein Pariser Journal gruppiert, um den »National«. In den Provinzen besaß er seine Filialzeitungen. Die Koterie des »National«, das war die Dynastie der trikoloren Republik. Sofort bemächtigte sie sich aller Staatswürden, der Ministerien, der Polizeipräfektur, der Postdirektion, der Präfektenstellen, der freigewordenen höheren Offiziersposten in der Armee. An der Spitze der Exekutivgewalt stand ihr General, Cavaignac; ihr Redakteur en chef, Marrast, wurde der permanente Präsident der konstituierenden Nationalversammlung. In seinen Salons machte er als Zeremonienmeister zugleich die Honneurs der honetten Republik.

 

Selbst revolutionäre französische Schriftsteller haben den Irrtum befestigt, aus einer Art Scheu vor der republikanischen Tradition, als hätten die Royalisten in der konstituierenden Nationalversammlung geherrscht. Die konstituierende Versammlung blieb vielmehr seit den Junitagen die ausschließliche Vertreterin des Bourgeoisrepublikanismus, und um so entschiedener kehrte sie diese Seite hervor, je mehr der Einfluß der trikoloren Republikaner außerhalb der Versammlung zusammenbrach. Galt es die Form der bürgerlichen Republik behaupten, so verfügte sie über die Stimmen der demokratischen Republikaner, galt es den Inhalt, so trennte selbst die Sprechweise sie nicht mehr von den royalistischen Bourgeoisfraktionen, denn die Interessen der Bourgeoisie, die materiellen Bedingungen ihrer Klassenherrschaft und Klassenexploitation bilden eben den Inhalt der bürgerlichen Republik.

 

Nicht der Royalismus also, der Bourgeoisrepublikanismus verwirklichte sich im Leben und in den Taten dieser konstituierenden Versammlung, die schließlich nicht starb, auch nicht getötet wurde, sondern verfaulte.

 

Während der ganzen Dauer ihrer Herrschaft, solange sie im Proszenium die Haupt- und Staatsaktion spielte, wurde im Hintergrund ein ununterbrochenes Opferfest aufgeführt – die fortlaufenden standrechtlichen Verurteilungen der gefangenen Juniinsurgenten oder ihre Deportation ohne Urteil. Die konstituierende Versammlung hatte den Takt, zu gestehen, daß sie in den Juniinsurgenten nicht Verbrecher richte, sondern Feinde ekrasiere.

 

Die erste Tat der konstituierenden Nationalversammlung war die Niedersetzung einer Untersuchungskommission über die Ereignisse des Juni und des 15. Mai und über die Beteiligung der sozialistischen und demokratischen Parteichefs an diesen Tagen. Die Untersuchung war direkt gerichtet gegen Louis Blanc, Ledru-Rollin und Caussidière. Die Bourgeoisrepublikaner brannten vor Ungeduld, sich dieser Rivalen zu entledigen. Die Durchführung ihrer Ranküne konnten sie keinem passenderen Subjekt anvertrauen als Herrn Odilon Barrot, dem ehemaligen Chef der dynastischen Opposition, dem leibgewordenen Liberalismus, der nullité grave, der gründlichen Seichtigkeit, die nicht nur eine Dynastie zu rächen hatte, sondern sogar den Revolutionären Rechenschaft abzuverlangen für eine vereitelte Ministerpräsidentschaft. Sichere Garantie für seine Unerbittlichkeit. Dieser Barrot also wurde zum Präsidenten der Untersuchungskommission ernannt, und er konstruierte einen vollständigen Prozeß gegen die Februarrevolution, der sich dahin zusammenfaßt: 17. März Manifestation, 16. April Komplott, 15. Mai Attentat. 23. Juni Bürgerkrieg! Warum erstreckte er seine gelehrten und kriminalistischen Forschungen nicht bis zum 24. Februar? Das »Journal des Débats« antwortete: Der 24. Februar, das ist die Gründung Roms. Der Ursprung der Staaten verläuft sich in eine Mythe, an die man glauben, die man nicht diskutieren darf. Louis Blanc und Caussidière wurden den Gerichten preisgegeben. Die Nationalversammlung vervollständigte das Werk ihrer eigenen Säuberung, das sie am 15. Mai begonnen hatte.

 

Der von der provisorischen Regierung gefaßte, von Goudchaux wiederaufgenommene Plan einer Besteuerung des Kapitals – in der Form einer Hypothekensteuer – wurde von der konstituierenden Versammlung verworfen, das Gesetz, welches die Arbeitszeit auf 10 Stunden beschränkte, abgeschafft, die Schuldhaft wieder eingeführt, von der Zulassung zu der Jury der große Teil der französischen Bevölkerung ausgeschlossen, der weder lesen noch schreiben kann. Warum nicht auch vom Stimmrecht? Die Kaution für die Journale wurde wieder eingeführt, das Assoziationsrecht beschränkt. –

 

Aber in ihrer Hast, den alten bürgerlichen Verhältnissen ihre alten Garantien wiederzugeben und jede Spur auszulöschen, welche die Revolutionswellen zurückgelassen hatten, stießen die Bourgeoisrepublikaner auf einen Widerstand, der mit unerwarteter Gefahr drohte.

 

Niemand hatte fanatischer in den Junitagen gekämpft für die Rettung des Eigentums und die Wiederherstellung des Kredits, als die Pariser Kleinbürger – Caféwirte, Restauranten, marchands de vins, kleine Kaufleute, Krämer, Professionisten usw. Die Boutique hatte sich aufgerafft und war gegen die Barrikade marschiert, um die Zirkulation herzustellen, die von der Straße in die Boutique führt. Aber hinter der Barrikade standen die Kunden und die Schuldner, vor ihr die Gläubiger der Boutique. Und als die Barrikaden niedergeworfen und die Arbeiter ekrasiert waren und die Ladenhüter siegestrunken zu ihren Läden zurückstürzten, fanden sie den Eingang verbarrikadiert von einem Retter des Eigentums, einem offiziellen Agenten des Kredits, der ihnen die Drohbriefe entgegenhielt: Verfallener Wechsel! Verfallener Hauszins! Verfallener Schuldbrief! Verfallene Boutique! Verfallener Boutiquier!

 

Rettung des Eigentums! Aber das Haus, das sie bewohnten, war nicht ihr Eigentum; der Laden, den sie hüteten, war nicht ihr Eigentum; die Waren, die sie verhandelten, waren nicht ihr Eigentum. Nicht ihr Geschäft, nicht der Teller, woraus sie aßen, nicht das Bett, worin sie schliefen, gehörte ihnen noch. Ihnen gegenüber galt es gerade, dies Eigentum zu retten für den Hausbesitzer, der das Haus verliehen, den Bankier, der den Wechsel diskontiert, den Kapitalisten, der die baren Vorschüsse gemacht, den Fabrikanten, der die Waren zum Verkaufe diesen Krämern anvertraut, den Großhändler, der die Rohstoffe diesen Professionisten kreditiert hatte. Wiederherstellung des Kredits! Aber der wieder erstarkte Kredit bewährte sich eben als ein lebendiger und eifriger Gott, indem er den zahlungsunfähigen Schuldner aus seinen vier Mauern verjagte, mit Weib und Kind, seine Scheinhabe dem Kapital preisgab und ihn selbst in den Schuldturm warf, der sich über den Leichen der...

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