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E-Book

Darstellung der Wissenschaftslehre

Vollständige Ausgabe

AutorJohann Gottlieb Fichte
VerlagJazzybee Verlag
Erscheinungsjahr2012
Seitenanzahl211 Seiten
ISBN9783849612573
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis0,99 EUR
Die Wissenschaftslehre nova methodo ist der zweite Systementwurf des Philosophen Johann Gottlieb Fichte. Sie wurde in drei Vorlesungen in den Wintersemestern 1796/97, 1797/98 und 1798/1799 an der Universität Jena präsentiert. Inhaltlich knüpft die Wissenschaftslehre nova methodo an Fichtes Grundlage der gesamten Wissenschaftlehre (1794/1795) an, präsentiert jedoch den Gedankengang methodisch reflektierter und bemüht sich um die Beseitigung von Unklarheiten, die an der Grundlage der gesamten Wissenschaftlehre bemängelt wurden. (aus wikipedia.de)

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Leseprobe

§ 23.

 

Wie wir im vorvorigen § argumentirten, ebenso auch hier. Die, alles factische Wissen anhebende (weil nur sie ihm ein Für, einen Lichtpunct ertheilt) formale Freiheit wurde im vorigen gedacht, als absolute Möglichkeitsbedingung alles Wissens oder als, das Wissen seinem Wesen nach bindende Nothwendigkeit. Dieses Denken, das Freiheit und Nothwendigkeit verschmelzende, muss für sich seyn, selbst in sich zurückkehrendes Wissen werden. Selbst dieses, alles factische Wissen durchdringende und erfassende Wissen geht somit wieder aus sich heraus, um sich selbst in sich zu construiren (so wie im vorvorigen § das factische Wissen aus sich herausging, um eben zu dem gegenwärtig aufgezeigten Erfassen desselben in seinen Möglichkeitsgründen aufzusteigen. Es ist eine Triplicität, wie jeder nun sehen kann, und die jetzige Synthesis ist wieder eine Synthesis der letzten und der vorletzten.).

 

Wir gehen in den Mittelpunct derselben hinein, wie wir hier wohl müssen, da wir (der Kürze halber) gar keine Nebenglieder aufgestellt. Es ist gar nicht die Frage und nicht Object unserer neuen Synthesis, wie in dem vereinigenden Wissen von dem formalen Freiheitsacte gewusst werde, denn dieser ist die absolute Anschauung selbst und hebt das factische Wissen schlechthin aus sich selbst und durch sich selbst an; sondern wie von der Nothwendigkeit gewusst werde, und zwar eben schlechthin, und unabhängig von ihrer im vereinigenden Denken geschehenden Uebertragung derselben auf die formale Freiheit.

 

Nothwendigkeit ist absolute Gebundenheit des Wissens oder absolutes Denken, welches daher alle Beweglichkeit, Sichlosreissen und Ausgehen von sich selbst, um nach einem Weil nur zu fragen, schlechthin abschneidet, und schlechthin nicht ist, was es ist, wenn dies hinzutritt. Nun soll diese in einem Wissen auf die Anschauung übergetragen werden; sie muss daher doch in ihm vorkommen, die Form des Für annehmen, also sich anschauen und dergl. Aber in der Anschauung, was in ihr ist, schlechthin weil es ist: mithin nicht mehr bloss, schlechthin was es ist.

 

Daher könnte diese Anschauung sich selbst nicht anschauen, zu keinem Wissen ihrer selbst sich erheben, sondern sie vernichtete ihre Form schlechthin durch ihre Materie, und wir erhielten ein Wissen oder – da wir hier überhaupt von Formen reden – die Form eines (vielleicht anderen, späterhin aufzuzeigenden) Wissens, das sich schlechthin nicht als Wissen setzt, sondern als (formales, versteht sich) Seyn und als absolutes, auf sich selbst ruhendes Seyn, aus welchem nicht herausgegangen, noch nach einem Weil gefragt werden kann, das da auch nicht selbst aus sich herausgeht, sich erklärt oder ein Wissen für sich ist, oder irgend etwas der Art, was man dem Wissen zuschreiben könnte.

 

Der eigentliche Focus und Mittelpunct des absoluten Wissens ist hiermit gefunden. Er liegt nicht im Sichfassen als Wissen (vermittelst der formalen Freiheit), auch nicht in dem Sichvernichten am absoluten Seyn, sondern schlechthin zwischen beiden, und keines von beiden ist möglich, ohne das andere. Es kann sich schlechthin nicht fassen als das absolute (und davon lediglich ist ja hier die Rede, d. i. als das Eine, ewig sich gleiche, unveränderliche), ohne sich als nothwendig anzusehen, also in der Nothwendigkeit sich zu vergessen; und es kann die Nothwendigkeit nicht fassen, ohne eben überhaupt zu fassen, also sich für sich zu erschaffen. Es schwebt zwischen seinem Seyn und seinem Nichtseyn, wie es wohl muss, da es seinen absoluten Ursprung zugleich wissend in sich trägt. (Das Reinholdsche Denken als Denken: – wäre er aber auch zu diesem Denken, als dem absoluten einfachen Seyn, durchgedrungen, wie weiss er denn davon, wie kann er Rechenschaft geben von der Genesis dieses Begriffes für ihn?)

 

 

§ 24.

 

Der Mittel- und Wendepunct des absoluten Wissens ist ein Schweben (§ 23.) zwischen Seyn und Nichtseyn des Wissens, und eben damit zwischen nicht absolut Seyn und absolut Seyn des Seyns; indem das Seyn des Wissens die Absolutheit des Seyns aufhebt und das absolute Seyn die Absolutheit des Wissens. Stellen wir uns in diesem Standpucte durch eine schärfere Unterscheidung des Seyns des Wissens und des absoluten Seyns noch fester.

 

Um bei einem dieser Glieder anzuknüpfen, welches hier ganz willkürlich ist: – das Wissen kann sich nicht fassen, als ein Wissen (nicht meinen und wähnen als ein ewig sich gleiches und unveränderliches), ohne sich als nothwendig anzusehen, sagten wir. Nun aber ist das Wissen seinem Seyn (Daseyn, Gesetztseyn) nach durchaus nicht nothwendig, sondern durch absolut formale Freiheit begründet, und hierbei muss es ebenso, als bei dem Obigen, sein Bewenden haben.

 

Was ist denn das nun für ein verschiedenes Seyn des Wissens, in Rücksicht dessen es einmal nothwendig ist und nicht frei, ein anderesmal frei und nicht nothwendigt – Nun ist diese Nothwendigkeit freilich hier keine andere, als die der Freiheit (wie es denn auch nie eine andere geben wird: vgl. § 22.); aber immerhin doch Nothwendigkeit, Gebundenheit derselben. Daher wird diese Schwierigkeit sehr leicht sich also lösen: Wenn einmal ein Wissen ist, so ist dasselbe nothwendig frei (gebundene Freiheit); denn in der Freiheit besteht eben sein Wesen. Dass aber überhaupt eins sey, hängt nur ab von absoluter Freiheit, und es könnte daher ebensowohl auch keines seyn. Wir wollen annehmen, diese Antwort sey richtig und sehen, wie sie selbst möglich ist. (In dieser Untersuchung wird sich ohne Zweifel zugleich zeigen, dass sie richtig und nothwendig ist.)

 

Das Wissen wurde in dieser Antwort gesetzt, als seyn könnend oder auch nicht (zufällig, nennen wir dies). Beschreiben wir dieses Wissen.

 

Offenbar wird in ihm die Freiheit (die formale, mit der allein wir es hier zu thun haben, der Grund des Dass) gedacht, nicht angeschaut, als sich in sich selbst vollziehend; denn dann ist das Wissen; – gedacht, sage ich, und in ihr, als dem höchsten Standpuncte, geruht: – und zwar wird sie gedacht, wie sich versteht, als Freiheit, Unentschiedenheit des Dass, Indifferenz in Rücksicht darauf, verschmelzendes Seyn oder Nichtseyn, reine Möglichkeit, als solche, als Position für sich, durch welche der Act weder gesetzt wird, – denn er wird zugleich aufgehoben, – noch aufgehoben, – denn er wird zugleichgesetzt; der vollkommene Widerspruch, schlechthin als solcher. (Wir suchen hier Alles im Wissen auf, denn wir lehren Wissenschaftslehre. So war das absolute Seyn uns durchaus Nichts, als das absolute Denken selbst, die Gebundenheit und Ruhe in sich, die nie aus sich herausgehen kann, das schlechthin Unvertilgbare im Wissen. In ihm vernichtete sich die Anschauung (§ 23.). So ist die absolute Freiheit hier die absolute Nichtruhe, Beweglichkeit ohne festen Punct, das Zerfliessen in sich selbst; hier vernichtet daher das Denken sich selbst: – der oben angedeutete absolute hiatus und saltus im Wissen, der schlechthin bei aller Freiheit und allem Entstehen, somit bei aller Wirklichkeit aus der Nothwendigkeit, vorkommt. Es ist klar, dass durch ein solches positives Nichtseyn seiner selbst das Wissen zum absoluten Seyn hindurchgehe. Dass es allein und für sich Nichts ist, ist freilich klar und wird zugestanden; wie denn keines der Glieder, das wir hier aufstellen, für sich ist. Es ist ja eben ein Wendepunct des absoluten Wissens.

 

Zu allem Anderen, als zu diesem, können sich die logisch gewöhnten Denker erheben. Sie hüten sich vor dem Widerspruche. Wie ist denn aber nun der Satz ihrer Logik selbst, dass man keinen Widerspruch denken könne, möglich? Da müssen sie den Widerspruch doch auf irgend eine Weise angefasst, gedacht haben, da sie seiner Meldung thun. – Hätten sie sich doch nur einmal ordentlich befragt, wie sie zum Denken des bloss Möglichen oder des Zufälligen (des nicht Nothwendigen) kommen, und wie sie dies eigentlich machen! Offenbar springen sie da durch ein Nichtseyn, Nichtdenken u.s.f. hindurch – in das schlechthin Unvermittelte, aus sich Anfangende, Freie, in das seyende Nichtseyn, – eben obiger Widerspruch, als gesetzter.

 

Aus jenem Unvermögen erwächst nun bei consequentem Denken nichts Anderes, als die völlige Aufhebung der Freiheit, der absoluteste Fatalismus und Spinozismus.)

 

Nun ist aber ferner, wie aus dem Obigen bekannt, dieses Denken der formalen Freiheit nur unter der Bedingung möglich (wie wir indessen sagen, das absolute Wissen, aber fürjetzt sagen zu lassen uns sehr hüten wollen), dass die formale Freiheit, oben beschriebener Weise, sich selbst innerlich vollziehe. Dieses Vollziehen wird nun im gegenwärtigen Zusammenhange gleichfalls gedacht; denn die ganze Stimmung des Wissens, die wir hier betrachten, ist ja ein Ruhen und Gebundenseyn an sich. Hierdurch wird nun die unten liegende Anschauung, für das ruhende Denken nemlich, selbst zu einem Seyn (Zustande), zu einem, ob es gleich...

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