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E-Book

Die Kreuzzüge

AutorMartin Kaufhold
Verlagmarixverlag
Erscheinungsjahr2007
Seitenanzahl192 Seiten
ISBN9783843802338
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis7,99 EUR
Der Band bietet einen Überblick über die Kreuzzugsgeschichte vom Aufruf zum ersten Kreuzzug 1095 bis zum Fall von Konstantinopel im Jahre 1453. Er schildert den Aufstieg und den Wandel der Kreuzzugsbewegung von der anfänglichen Euphorie über die Ernüchterungen des 11. Jahrhunderts zum Wandel der Kreuz-zugsziele im späteren Mittelalter. Dabei erklärt der Autor die Wandlungen der Kreuzzugsgeschichte vor dem Hintergrund der politischen, sozialen und religiösen Geschichte Europas. Auf diese Weise eröffnen die Kreuzzüge auch einen Zugang zu den religiösen Weltbildern des Mittelalters und zu der bewegten Geschichte des Rittertums.

Prof. Dr. Martin Kaufhold, Jahrgang 1963, studierte an der Universität Heidelberg Geschichte und Germanistik. 1985/86 verbrachte er als Fulbright-Stipendiat ein Jahr an der University of Maryland at College Park (USA). 1993 wurde Martin Kaufhold in Heidelberg promoviert, seine Habilitation folgte im Jahr 2000. Seit dem Wintersemester 2003/2004 hat er den Lehrstuhl für Mittelalterliche Geschichte an der Philologisch-Historischen Fakultät der Universität Augsburg inne.

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Leseprobe

DIE AGGRESSIVEN ZÜGE DER REFORM


Die Reform hatte große Gegner nicht gescheut. Die Reformer hatten frühzeitig begonnen, deutliche Trennlinien zu ziehen. Daraus war bereits 1054 das so genannte morgenländische Schisma hervorgegangen, ein formaler Akt der gegenseitigen Exkommunikation vom Papst und dem griechischen Patriarchen in Konstantinopel. Die unterschiedlichen Sprachen hatten schon deutlich früher zu einer Entfremdung geführt, die durch divergente theologische Lehren und politische Strukturen verstärkt wurde. Doch konnten diese, zu einem Teil auch persönlichen Auseinandersetzungen immer wieder beigelegt werden. Schon bald, nachdem die Reformer in Rom die Initiative übernommen hatten, änderte sich das. Es kam zu Konfrontationen und gegenseitigen Exkommunikationen, aber erst der vierte Kreuzzug, von dem unten noch die Rede sein wird, entfremdete beide Lager auf Dauer. Zunächst wirkte die gemeinsame Tradition weiter. Der Aufruf zum ersten Kreuzzug lässt dies erkennen. Schließlich ging er auf eine Hilfsanfrage aus Byzanz zurück. Aber das Schisma markiert doch eine erste Grenzziehung. Und aus solchen Grenzziehungen, die die Reformer nun vorantrieben, ergaben sich allmählich neue Gegnerschaften. Gegnerschaften, die darauf zurückzuführen waren, dass die nun deutlicher voneinander getrennten Größen begannen, um ihr Verhältnis zueinander zu ringen.

Der Konflikt Gregors VII. mit Heinrich IV., der schließlich in Canossa im Januar 1077 einen berühmten Höhepunkt erfuhr, ist dafür ein berühmtes Beispiel. Auch er spitzte sich allmählich zu, aber er ließ in der Zuspitzung die Konsequenzen des Reformprogramms erkennen, das sich mit versöhnlichen Tönen gegenüber jenen schwertat, die vom rechten Weg abwichen. Gregor VII. ging immerhin soweit, dem Königtum Heinrichs IV. durch seine Exkommunikation die Legitimität zu entziehen und damit einer Opposition in Deutschland Auftrieb zu geben, die schließlich einen eigenen König wählte. Das war durchaus ein unerhörter Vorgang, denn Heinrichs Vater hatte in Rom noch mehrere Päpste ab- und eingesetzt.

Schließlich ging der Angriff Gregors VII. und der Reformer auf Heinrich IV. deutlich über die Person des unbeliebten Königs hinaus. Er zielte auf das Selbstverständnis dieses Königtums, das die eigene Aufgabe auch als ein sakrales Amt verstand. Der König war der Kopf seines christlichen Königreiches, verantwortlich für Laien und Kleriker gleichermaßen. Diese vornehme Aufgabe war ihm von Gott übertragen worden. Für die Reformer war der König nur noch ein Laie, Angehöriger eines Standes, dessen Würde der Würde der Priester nicht gleichkam. Fünfzig Jahre zuvor, bei der Krönung Konrads II. im Jahre 1024, hatte der Erzbischof von Mainz den König daran erinnert: ein Stellvertreter Christi bist Du. Diese vornehme Stellung, die für die Könige des frühen Mittelalters selbstverständlich gewesen war, wurde nun mit Entschiedenheit in Frage gestellt.

Der Vorstoß des neuen Papsttums an die Spitze der kirchlichen Hierarchie, bzw. der Ausbau dieser Hierarchie unter päpstlicher Führung, richtete sich indes nicht nur gegen die Könige, die bislang die wichtigen Prälaten in ihren Reichen selber ausgesucht hatten. Die Hierarchisierung der Kirche stellte auch den Status der Bischöfe Europas in Frage. Sie hatten sich bislang als direkte Nachfolger der Apostel verstanden, die ihr Amt nicht päpstlicher Verleihung sondern einem göttlichen Auftrag verdankten (auch wenn sie vom König eingesetzt wurden). Der Nachdruck, mit dem der Bischof in Rom nun seine übergeordnete Stellung betonte und Gehorsam einforderte, beunruhigte viele Amtsträger. Manche akzeptierten die neue Führung, viele aber nahmen daran Anstoß. So ist es etwa zu erklären, dass viele Bischöfe des Reiches Heinrich IV. in seinem Kampf mit dem Papsttum zunächst unterstützten. Tatsächlich war die Kirche des frühen Mittelalters regional organisiert. Es gab vereinzelte zentralisierende Elemente, aber sie waren angesichts der Kommunikationsbedingungen schwach entwickelt. Bischöfe residierten in Städten und in der Regel waren sie die Herren der Stadt mit einem weiten Wirkungskreis. Innerhalb ihres Bistums hatten sie die Entscheidungsgewalt über den Klerus und das geistliche Leben.

Es lässt sich in Hinblick auf diese regionale Struktur der frühmittelalterlichen Kirche sagen, dass eine Bewegung von dezidiert christlichem Charakter, die gewissermaßen quer zu den Bistumsgrenzen die Menschen erfasste, und die sich nicht mehr auf die Zuständigkeit eines Bischofs beschränkte, die Autorität der römischen Kirchenleitung stärken konnte. Zumindest stärkte eine solche Bewegung die Zuständigkeit des Papstes, der bis dahin vor allem mit den Belangen seiner eigenen römischen Diözese zu tun hatte. Insofern waren die Kreuzzüge ein weiteres Moment einer Veränderung der mittelalterlichen Kirche, die ihre regionalen Horizonte zu einem gemeinsamen Horizont der lateinischen Christenheit erweiterte. Die Führung dieser Kirche wurde zunehmend vom Papsttum beansprucht, und sie wurde den Päpsten von den Zeitgenossen auch zunehmend zugestanden. Das hatte damit zu tun, dass der Bedarf nach einer solchen zentralen Führung wuchs. Bewegungen, wie die Kreuzzüge, die den größeren regionalen Rahmen überschritten, trugen dazu bei.

Es ist wohl kein Zufall, dass das 12. Jahrhundert nicht nur eine besondere Zeit in der Kreuzzugsgeschichte war, sondern auch als die Zeit gelten kann, in der das Papsttum die Führung der Kirche nicht nur beanspruchte, sondern diesen Anspruch auch mit überzeugenden Persönlichkeiten ausfüllen konnte. Diese Entwicklungen hängen nicht voneinander ab, sondern sie gehen vielmehr auf eine Horizonterweiterung zurück, die sich in vielen Formen äußerte.

Die Verbindung zwischen der Erweiterung des Horizonts und einer aggressiven Haltung religiöser Polarisierung ist an einem spanischen Beispiel im späten 11. Jahrhundert eindringlich zu studieren. Die iberische Halbinsel hatte lange unter moslemischer Herrschaft gestanden. Seit dem frühen 8. Jahrhundert hatte eine Oberschicht moslemischer Kämpfer große Teile des Landes kontrolliert, nur im Norden bestanden in den unzugänglichen Regionen christliche Enklaven fort. Im Laufe des elften Jahrhunderts verlor die zentrale moslemische Regierung des Kalifats in Cordoba allmählich den Zugriff auf das Land, und die Herrschaft zerfiel in einzelne Teilreiche. Neben diese moslemischen Teilreiche traten in zunehmendem Maße christliche Herrschaftsbildungen im Norden, die den moslemischen Großen durchaus ebenbürtig waren. Jedoch spielte sich diese Konkurrenz weitgehend im Rahmen der iberischen Halbinsel ab. Die religiösen Differenzen spielten in diesem komplizierten und bewegten Geflecht keine herausgehobene Rolle. Eine Figur wie der berühmte Cid, jener Abenteurer, der zwischen den Reichen und Herrschern, und wohl auch zwischen den verschiedenen Religionen eine Laufbahn als Kämpfer mit wechselnden Loyalitäten absolvierte, war nur in dieser Phase des 11. Jahrhunderts denkbar. Noch hatten sich die Konkurrenten nicht zu festen Lagern gefügt. Um 1080 änderte sich dies allmählich – sowohl die moslemischen als auch die christlichen Teilherrschaften richteten sich allmählich an einer übergeordneten Führung aus. Die Koordinaten auf der iberischen Halbinsel verschoben sich.

Um das Jahr 1080 übernahmen die Christen auf der iberischen Halbinsel die römische Form der Liturgie. Bis dahin hatten sie den Gottesdienst nach dem so genannten mozarabischen Ritus gefeiert, der zahlreiche Elemente der arabischen Kultur in den Gottesdienst aufgenommen hatte. Im Jahr 1089 traf der Bischof von Vic (Katalonien) in Rom ein, um dort die Privilegien der Kirche von Tarragona bestätigen zu lassen. In diesem Vorgang lässt sich der Wandel deutlich erkennen. Die Reise des Bischofs von Vic zeigt eine neue Ausrichtung. Es war eine Ausrichtung mit Folgen. Denn Tarragona befand sich noch in moslemischer Hand. Und der Papst rief nun die christlichen Herren der Kirchenprovinz Tarragona und der Nachbarprovinzen dazu auf, alle Kräfte auf die Rückgewinnung der Stadt auszurichten, damit man dort einen Bischofssitz haben könne. Tarragona könne dann ein christliches Zeugnis gegen die Sarazenen ablegen.

Der päpstliche Aufruf zur Rückgewinnung Tarragonas ist auch deshalb von besonderer Bedeutung, weil der Papst hier bereits jenen Ablass (remissio peccatorum) in Aussicht stellt, der dann beim Aufruf zum ersten Kreuzzug sechs Jahre später erneut gepredigt wurde. Der Papst forderte zur Buße auf, wobei klar war, dass dies eine kämpferische Bußleistung sein würde. In diesem Zusammenhang wurde Jerusalem als Pilgerziel genannt, indem der Papst all jene, die nach Jerusalem oder zu anderen Orten pilgerten, aufforderte, nach Tarragona zu ziehen. Damit waren wesentliche Elemente des Kreuzzugsaufrufs 1095 bereits einige Jahre zuvor in Hinblick auf die christliche Rückgewinnung Tarragonas aus der Hand der Sarazenen formuliert worden. Die Vereinheitlichung des christlichen Horizontes ging auf diese Weise einher mit einer zunehmenden Konfrontation mit jenen,...

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