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Die Kunst im Horrorgenre: Gewaltexzesse und Pornografie in Lars von Triers 'Antichrist'

AutorLeo Stühl
VerlagBachelor + Master Publishing
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl44 Seiten
ISBN9783955495992
FormatPDF
KopierschutzWasserzeichen/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis14,99 EUR
Die entscheidende Fragestellung für die Betrachtung des Spielfilms ANTICHRIST ist, wie Lars von Trier sein Werk aufbaut und ob er dabei das Genrekino zu einer eigenen Kunstform erhebt. Ferner ergibt diese Studie, ob genreimmanente Stilmittel den Film dominieren, und entscheiden, wie der Film schlussendlich kategorisiert werden kann. Die Frage, ob er dabei das Genrekino als bloße Legitimation für kontroverse Darstellungen nutzt, muss dabei negiert werden, da Genre selbst als Kunstform artikuliert wird. Denn egal ob ein Lars-von-Trier-Film als Musical (DANCER IN THE DARK) oder Endzeitfilm (MELANCHOLIA) deklariert ist, im Endeffekt reicht sein Name aus, um den Film am Besten zu beschreiben. Genau in dem Punkt erreicht der Regisseur den Status eines Künstlers, der seine eigene Handschrift unabhängig von einer Film-Kategorisierung erkennbar macht und etwas fulminant Eigenes erschafft.

Leonard Stühl wurde 1986 in Zülpich geboren. Sein Studium der Kunstgeschichte und der Deutschen Sprache an der Universität zu Köln schloss der Autor im Jahr 2012 erfolgreich ab.

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Leseprobe
Textprobe: Kapitel 2., Über seine Filme hinaus: Neben seinen Filmen wird Trier auch für sein Engagement in der Filmwissenschaft gewürdigt. Als Begründer der Dogma-95-Bewegung, gemeinsam mit Søren Kragh-Jacobsen, Kristian Levring und Thomas Vinterberg, erhält er 2008 den Preis für die beste europäische Leistung im Weltkino. Dogma 95 versteht sich als eine 'Gegenbewegung zum technisch hochgerüsteten, mit digitalen Effekten aufpolierten und einem immensen finanziellen, personellen und logistischen Aufwand produzierten Hollywoodkino der 90er Jahre'. Das Schema setzt sich aus 10 festgeschriebenen Grundregeln zusammen, die sowohl das Filmen selbst als auch die Bearbeitung des Materials maßgeblich prägen. So wird beispielsweise darauf hingewiesen, dass nur mit Handkamera gefilmt werden sollte, kein künstliches Licht benutzt werden darf oder dass der Regisseur weder im Vor noch im Abspann genannt werden soll. Kaum einem Dogma-Film gelingt es jedoch konsequent alle diese Regeln einzuhalten, was von den jeweiligen Regisseuren sogar selbst im Abspann angemerkt wird. IDIOTERNE (1998) gilt dabei als Triers strengstes Dogma-Werk und ursprünglichster Film der Bewegung. Viele der aufgestellten Regeln hatten zudem nachhaltigen Einfluss auf das internationale Kino, sie wurden zitiert und beeinflussten nicht nur Arbeiten des Autorenkinos, sondern auch zahlreiche Hollywood-Produktionen. Das Dogma-Konzept kann mit seiner Reglementierung als Katalysator angesehen werden, um schöpferische Energien freizusetzen. Dabei ist es kein rein statisches System, sondern funktioniert ohne ideologischen Ballast als performatives Konstrukt neben dem Hollywood-Kino. Trier ist auch in weiteren Bereichen des Films erfolgreich tätig. Als Drehbuchautor schreibt er die Vorlage zu Thomas Vinterbergs Film DEAR WENDY (2005) und ist Regisseur beim Musikvideo des dänischen Duos 'Laid Back'. Zudem soll er 2006 Richard Wagners 'Ring des Nibelungen' in Bayreuth inszenieren, doch er sagt 2004 überraschend ab, da das Projekt seine Kräfte übersteigen würde. Bereits 1992 gründet Trier, gemeinsam mit Peter Aalbeak Jensen, das Label Zentrope, dass sich zur größten Produktionsfirma Dänemarks entwickelt. Neben Independentfilmen produziert das Label auch eine Reihe von Pornofilmen. Diese werden unter dem Namen INNOCENT PICTURES (früher: PUZZY POWER), veröffentlicht. Die pornographischen Produktionen stellen sich dabei die Aufgabe, frauenfreundlich zu sein, und sind primär für ein heterosexuelles, weibliches Publikum gedacht. Ähnlich wie das Dogma-Manifest, legt das Puzzy-Power-Manifesto ein Regelschema in sieben Punkten auf. Dabei sollen eventuelle Gewaltfantasien deutlich als Imagination der Frau dargestellt werden oder die erotische Handlung in eine Geschichte eingebunden sein. Auf Detailfixierung der Geschlechtsorgane sowie auf als entwürdigend empfundene Handlungen soll verzichtet werden. Die Geschichte wird darüber hinaus in stimmungsvollem Licht mit attraktiven Darstellern präsentiert. Trier widersetzt sich mit seinem filmischen Gesamtwerk jeglicher Kategorisierung in ein bestimmtes Genre oder gar in einen Themenbereich. Vielmehr bedient er sich unterschiedlicher Genres und deren Elementen, die rigoros seinem persönlichen Stil angepasst werden. Wiederkehrende Motive und Bildstrategien lassen dabei in jedem Film Triers individuelle Handschrift erkennen. Seine USA-Trilogie besticht beispielsweise durch eine extreme Sichtbarkeit des Gemachten, was durch den fast völligen Verzicht auf Kulissen und Ausstattung zurückzuführen ist. Eine künstlerische Form, die mit Brechts epischen Theater verglichen wurde, da bei beiden eine Aufhebung der illusionistischen Erzählung erreicht wird. Auch bei anderen Filmen wird durch den Einsatz verschiedener Stilmittel die geschlossene Erzählform unterbrochen. Beispielhaft ist hierfür die dem Theater entnommene Aufteilung seiner Filme in einzelne Kapitel, die Variation von Erzähltempi oder die Einführung eines Erzählers. Triers Hang zum Theatralischen und zu filmischen Tabubrüchen kann ebenfalls als angeeignetes Stilmittel betrachtet werden. Dabei arbeitet er mit extrem drastischer Darstellung und Radikalität in sexuellen und gewalttätigen Sequenzen, was in dem besprochenen Film ANTICHRIST zu einem neuen Höhepunkt kulminiert. Seine Filme sollen hierdurch bewusst provozieren und über die Grenzen des Filmischen hinaus erfahrbar gemacht werden.
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